Juliusz Bursche wird in Polen verehrt – nicht nur von Protestanten. Zum 100. Jahrestag der polnischen Unabhängigkeit am 11. November erhielt Bursche posthum die höchste Auszeichnung des Staates: den Orden des Weißen Adlers.
Die Vorfahren Bursches waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus Sachsen nach Polen eingewandert. Trotz seiner Herkunft war er überzeugt, dass der Protestantismus in Polen nur dann eine Chance haben würde, wenn er die Sprache der Menschen spricht. Deshalb wehrte er sich gegen die Kräfte in der Kirche, die das Luthertum als Bastion des deutschen "Volkstums" in Polen verstanden. Für diese Haltung hassten ihn die Nationalsozialisten.
Am 3. Oktober 1939 nahm ein Einsatzkommando des Sicherheitsdienstes Bursche in Lublin fest. Zehn Tage später wurde er ins Reichssicherheitshauptamt nach Berlin gebracht und wochenlang immer wieder verhört. Am 22. Januar 1940 kam Bursche ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Im Februar 1942 starb er mit fast achtzig Jahren im Polizeikrankenhaus in Berlin.
Neuanfang im polnisch-deutschen Verhältnis
Pjotr Gaś, Pfarrer an der Trinitatiskirche in Warschau, führt durch den Gedenkgottesdienst. Mit dem symbolischen Begräbnis Bursches, wünscht sich Gaś, soll auch ein Neuanfang im polnisch-deutschen Verhältnis markiert werden.
"Ich finde, der heutige Tag ist nicht nur Abschied, aber auch eine Probe, ein sehr hartes und schweres Kapitel zu schließen in der Geschichte der evangelisch-lutherischen Kirche in Polen, aber auch in den Beziehungen zwischen evangelischen Kirchen in Deutschland und in Polen."
Auf keinen Fall, meint Pjotr Gaś, dürfe die Rückkehr Bursches im polnisch-nationalistischen Sinne gedeutet werden.
Die Leitung der evangelischen Kirche in Polen hat genau darauf geachtet, dass die Erinnerung an Juliusz Bursche nicht vom polnischen Staat für seine Interessen genutzt wird. Kein Regierungsvertreter ist eingeladen. Der Urenkel des Bischofs, Juliusz Gardawski, ist froh darüber.
"Es gab einige Anzeichen dafür, dass man versucht hat, das Erbe dieses Mannes zu instrumentalisieren. Aber gegenwärtig bin ich sicher, das da nichts Unpassendes in dieser Hinsicht geschieht."
Zweimal ertönt während der Trauerfeier Frédéric Chopins Mazurka in h-moll. Ein Sprecher im schwarzen Anzug verliest Zitate aus Predigten und Briefen des Bischofs. Gardawski:
"Manifest des polnischen Luthertums"
"Ich war sehr tief bewegt von der Zeremonie, insbesondere von den Worten meines Urgroßvaters von 1932, die für das polnische Luthertum sehr wichtig sind. Ein Manifest des polnischen Luthertums. Sehr bewegt war ich auch von den Worten aus dem Gefängnis Sachsenhausen."
Auf dem Friedhof stehen schon elf Pfarrer und Bischöfe und eine gemischte Gemeinde aus Polen und Deutschen am Grab. Gardawski kommt zu spät.
"Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub", spricht Jerzy Samiec, Bischof der Evangelischen Kirche Polens. Er steht an einem leeren Grab, das schon seit Jahrzehnten existiert – als Symbol, als Gedenkstätte. Die schwarz glänzende Grabplatte ist zur Seite geschoben. Ein Friedhofsarbeiter legt den schwarzen Kasten mit der Erde aus Berlin-Reinickendorf in das von Stein umrandete Grab. Später sagt Bischof Samiec:
"Wir wollen heute nur sagen: Wir sprechen jetzt nicht über den Zweiten Weltkrieg oder über diese Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Wir wollen jetzt über die Zukunft und heutige Tage sprechen."