Der Bischof der armenisch-orthodoxen Kirche in Damaskus, Armash Nalbandian, äußerte sich jetzt angesichts des Machtwechsels in Syrien vorsichtig optimistisch. Nalbandian sagte im Deutschlandfunk, in Syrien herrschten Freude und Euphorie, dass das Assad-Regime gegangen sei. Seine Glaubensgemeinschaft fürchte derzeit keine Verfolgung. Die neuen Machthaber gäben sich tolerant, das mache Hoffnung auf einen friedlichen Übergang, ergänzte er. Dennoch gebe es in seiner Gemeinde auch Verunsicherung und Ängste, was die künftige Entwicklung betreffe.
Nalbandian meinte, er wünsche sich, dass seine Glaubensgemeinschaft nicht als Minderheit verstanden werde, sondern als unzertrennlicher Bestandteil der Gesellschaft. Dies sollte sich auch in einer neuen Verfassung wiederspiegeln, falls es diese geben werde.
Christen in Syrien galten vielen als Assad-nah
Die Christen im Nahen Osten sehen sich wie andere Glaubensgruppen seit Langem unter Druck. Zur Zeit der Assad-Herrschaft drohten ihnen in Syrien zwar als Gemeinschaft keine Gefahren, Einzelpersonen wurden aber ebenso verfolgt wie alle anderen. Die Kirchen äußerten sich daher oft zweigespalten.
Vor zehn Jahren sagte Nalbandian dem Portal "evangelisch.de", er wünsche sich in erster Linie, dass man seine Gemeinschaft in Ruhe lasse. Das bedeute auch, dass man das Assad-Regime differenzierter betrachte. Die Regierung habe viel falsch gemacht. Das wisse man als Kirche und kritisiere das auch. Aber man verteufle das Regime nicht und suche sein Heil auch nicht bei den sogenannten islamistischen Freiheitskämpfern. Er appellierte damals an alle Konfliktparteien, die Kampfhandlungen einzustellen.
Menschenrechtsexperten nach Assad-Sturz in Sorge über Lage der Christen in Syrien
Menschenrechtsexperten der Gesellschaft für bedrohte Völker oder der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) hatten sich nach dem Sturz des Assad-Regimes besorgt über die Situation etwa der Christen in Syrien geäußert. Da ein Teil der syrischen Christen als regimetreu gelte, sei nun die Angst groß, dass die neuen Machthaber in Damaskus sich gegen die christliche Minderheit stellen könnte, sagte der frühere IGFM-Sprecher, Martin Lessenthin, dem epd.
Die syrische Christin Marline Yunan, die 2013 nach Deutschland kam, berichtete im Deutschlandfunk über den enormen Druck durch das Regime. Christen hätten sich unter Assad anpassen müssen, betonte sie. Wie sie schauen jetzt viele optimistisch und verunsichert zugleich auf die Zukunft.
Syriens neue Machthaber wollen Rechte aller Minderheiten garantieren
Der Chef der neuen von der islamistischen HTS-Miliz geführten Übergangsregierung in Syrien, al-Baschir, hatte der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera" gesagt, man werde die Rechte aller religiösen Gruppen garantieren. Gerade weil man islamisch sei, werde man das tun. Man arbeite mit allen zusammen, solange sie auf Distanz zu Assad gingen.
Vor dem 2011 ausgebrochenen Bürgerkrieg waren laut Daten der Linzer "Initiative Christlicher Orient" etwa 7 Prozent der damals 21 Millionen Syrer christlich. Aktuelle Zahlen sind schwer zu ermitteln, auch weil mindestens 5,5 Millionen Syrer aus dem Land geflohen sind. Nach verschiedenen Schätzungen soll es noch maximal 500.000 Christen in Syrien geben.
Syrien gilt als Wiege des Christentums
Gesellschaftlich gehörten die mehrheitlich arabischstämmigen syrischen Christen der Mittel- und Oberschicht an. Seit der Machtübernahme von Hafiz al-Assad im Jahr 1970 wurden sie in Militär, Verwaltung und Regierung eingebunden.
Syrien gilt als Wiege des Christentums. Zum Zeitpunkt der islamischen Eroberung im siebten Jahrhundert war das Land mehrheitlich christlich geprägt. In Syrien bestanden Zentren der Theologie und des Mönchtums. Viele bedeutende Kirchenväter-Schriften entstanden dort. Die große Umayyaden-Moschee in Damaskus war ursprünglich eine christliche Kirche.
Größte christliche Gemeinschaft ist die syrisch-orthodoxe Kirche mit dem Patriarchat in Damaskus
Die ältesten christlichen Stätten Syriens befinden sich in Maalula, Derya, Homs, Aleppo und Damaskus. Die größten Gemeinschaften bilden die syrisch-orthodoxe Kirche mit dem Patriarchat in Damaskus und die griechisch-orthodoxe Kirche. Daneben gibt es noch armenisch-orthodoxe Christen und die mit Rom verbundenen Ostkirchen. Die Zahl der römisch-katholischen Christen ist eher gering.
Diese Nachricht wurde am 18.12.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.