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Bischofskonferenz von Myanmar
"Unser Land braucht die Unterstützung der Welt"

Im Westen wird Myanmar wegen seiner Politik gegenüber der ethnischen Minderheit der Rohingya oft scharf kritisiert. Vertreter der katholischen Bischofskonferenz von Myanmar waren jetzt in Rom. Sie empfehlen eine differenziertere Sicht und unterstützen Aung San Suu Kyi und die Regierung.

Von Corinna Mühlstedt |
    Rohingya-Flüchtlinge stehen hinter einem Holzzaun.
    Die Rohingya sind im vergangenen Jahr zu Hunderttausenden aus Myanmar geflüchtet (AFP/Sam JAHAN)
    "Die internationale Gemeinschaft war schockiert, als im August 2017 fast 700.000 muslimische Rohingya vor bewaffneten Übergriffen der Armee aus Myanmar geflohen sind. Nur die wenigsten Medien haben zur Kenntnis genommen, dass zuvor eine islamistische Terrorgruppe das birmanische Militär angegriffen hatte. Diese Gruppe namens ARSA hat Beziehungen zu internationalen Dschihadisten."
    Der Terror, so der birmanische Kardinal Charles Bo weiter, habe in dem überwiegend buddhistischen Myanmar eine Art "Islamophobie" ausgelöst. Zumal das Land, das 60 Jahre lang - bis 2015 - von einer kommunistischen Militär-Junta kontrolliert wurde, Probleme dieser Art nicht kannte, ergänzt Bischof John Hgyi:
    "In Myanmar leben seit Jahrhunderten 135 Volksstämme. Die muslimischen Rohingya gehören traditionell nicht zu diesen Stämmen. Sie sind erst unter britischer Kolonialherrschaft als Gastarbeiter nach Myanmar eingewandert, haben dann aber friedlich mit den Einheimischen zusammengelebt. Erst 2015, als die Demokratisierung Myanmars begann, entstanden unter den Rohingya extremistische Gruppen - und sie haben begonnen, einen islamischen Staat zu fordern."
    "Aung San Suu Kyi steht unter Druck"
    Die Militär-Junta Myanmars hatte zu diesem Zeitpunkt unter dem Druck der USA und internationaler Wirtschaftssanktionen erstmals freien Wahlen zugestimmt. Die Partei der Menschenrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi ging aus ihnen klar als Siegerin hervor. Doch die Macht der neu gewählten Regierung, die Suu Kyi seit 2015 leitet, sei äußerst beschränkt, so Bischof Hgyi. Denn sie werde vom Militär kontrolliert, das sich durch Verfassungsklauseln Schlüsselpositionen in der Regierung sicherte:
    "Aung San Suu Kyi steht unter Druck seitens der Armee und tut sich sehr schwer, Myanmar zu regieren. Aber sie kann sich nicht offen gegen die Armee stellen, denn sonst besteht die Gefahr, dass das Militär das Land von einem Tag auf den anderen wieder unter seine Kontrolle bringt. Das wäre das Ende der jungen Demokratie von Myanmar. Aus diesem Grund sieht sich Suu Kyi oft gezwungen zu schweigen."
    Myanmars De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi spricht am 19. September 2017 in Myanmars Hauptstadt Naypyitaw über die Lage der Rohingya-Minderheit.
    Die birmanischen Bischöfe sind sich einig: Aung San Suu Kyi habe in der Rohingya-Frage wenig Handlungsspielraum (picture alliance / Aung Shine Oo)
    Westliche Medien werfen der Buddhistin Suu Kyi aufgrund dieses Schweigens nicht zuletzt Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Rohingya vor. Zu Unrecht, meinen die Bischöfe Myanmars. Die Nobelpreisträgerin habe sogar schon etliche Versöhnungsprogramme zwischen den Ethnien angestoßen. Doch sie wisse auch, dass jedes falsche Wort lebensgefährlich sei. Kardinal Bo erinnert daran, dass vor einem Jahr einer ihrer engsten Berater ermordet wurde: der muslimische Anwalt Ko Ni - und zwar in aller Öffentlichkeit.
    "Die junge Demokratie Myanmars ist vielen Angriffen ausgesetzt. Aung San Suu Kyi ist die einzige vertrauenswürdige Führungspersönlichkeit in unserem Land. Doch sie lebt mit der Gefahr, dass die Armee die Regierungsgewalt nach Belieben wieder an sich reißen kann."
    "Die Konflikte in Myanmar sind nicht religiöser Natur"
    Und nicht nur das: Eine wachsende Zahl nationalistisch gesinnter Buddhisten versucht derzeit, das Volk mit aggressiven Parolen gegen die muslimischen Rohingya und andere Minderheiten im Land aufzuwiegeln. Sie spielen damit der Armee in die Hände, die von jeher bemüht war, die Religionsgemeinschaften zu unterdrücken und zu spalten, um ihre eigene Macht zu festigen. Bischof John Hygi ist überzeugt:
    "Die Konflikte in Myanmar sind nicht religiöser Natur. Im Gegenteil: Es gibt bei uns sogar interreligiöse Vereinigungen, in denen wir Christen mit Buddhisten, Hindus und Muslimen in Freundschaft für den Frieden zusammenarbeiten. Aber es gibt auch Gruppen mit politischen Interessen, die uns trennen wollen. Im Hintergrund der Auseinandersetzungen geht es um Politik."
    Myanmar zwischen allen Stühlen
    Nicht zuletzt ist Myanmar heute auch ein Spielball der internationalen Kriegspolitik. Denn die kommunistische Militär-Junta des Landes verbindet eine jahrzehntelange Freundschaft mit China und Nordkorea. Als sich der Konflikt zwischen den USA und Nordkorea im Sommer 2017 zuspitzte, wurde Myanmar von den USA nachdrücklich aufgefordert, die Kontakte zu Nordkorea abzubrechen. Doch es gibt laut Medienberichten bis heute Zweifel, ob die birmanische Armee den Aufforderungen Folge leistet. Die junge Demokratie des Landes und Aung San Suu Kyi, die einst von den USA gefördert wurden, stehen auch in diesem Punkt zwischen allen Stühlen. Kardinal Bo kommt daher zu dem Schluss:
    Kardinal Charles Bo ist Erzbischof von Yangon
    Kardinal Bo fordert internationale Untersuchungen (imago stock&people)
    "Untersuchungen, die die Hintergründe der Konflikte in Myanmar klären, sind dringend notwendig. Sie müssen transparent sein und von internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen aktiv begleitet werden. Das Volk von Myanmar und seine demokratische Regierung brauchen heute die Unterstützung der Welt."