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Bistra - ein Dorf zwischen Euphorie und Skepsis

Die wirtschaftliche Situation Kroatiens ist zurzeit nicht besonders gut . Ob der EU-Beitritt am 1. Juli die Lage verbessern oder verschlechtern wird, darüber gehen die Meinungen in der Bevölkerung auseinander. Auch in Bistra, 250 Kilometer von Zagreb entfernt, gibt es viele skeptische Stimmen.

Von Ralf Borchard |
    Wenn im Gemeindesaal von Bistra die Folkloregruppe probt, ist Klaudija in ihrem Element. Sie singt im Jugendchor, geht in die achte Klasse und kann ziemlich gut deutsch:

    "Vom Fernsehen. Und ich lerne in der Schule."

    Zweimal die Woche probt Klaudija mit der Gruppe. Und sie treten auch auf:

    "Ja. Einmal den Monat. Das bringt mir Spaß. Sehr."

    Dass Kroatien EU-Mitglied wird, diskutieren auch die Jugendlichen. Und wie findet Klaudija das?

    "Ich weiß nicht." (Lacht)"

    Damit ist sie nicht allein. Ob es gut ist, EU-Mitglied zu werden – da sind sich auch viele Erwachsene in Kroatien nicht sicher. Das benachbarte Slowenien ist seit 2004 in der EU und steckt jetzt trotzdem tief in der Wirtschaftskrise.
    Marija Bazulic leitet die Folkloregruppe. Die Tradition, sagt sie, ist wichtig, und auch ein Beitrag, den Kroatien in die EU mitbringt:

    ""Das wird ganz sicher nicht verschwinden, wir investieren sehr viel in die Tradition, wir machen das von Herzen, das unterscheidet uns von manchen anderen. Ich bezweifle kein bisschen, dass das lebendig bleibt."

    Ein paar Hundert Meter weiter zeigt der Bürgermeister von Bistra stolz das Rathaus, mit Bibliothek, Computern und Internetzugang für alle. Der Ort besteht aus sechs Dörfern, die sich zusammengeschlossen haben. Kresimir Gulic deutet auf die blaue Flagge hinter seinem Schreibtisch:

    "Die sechs Wassertropfen auf der Flagge symbolisieren die Dörfer, aus denen die Gemeinde besteht. Und sind Symbol der Klarheit und Sauberkeit."

    Bistras Wasser kommt aus dem Gebirgszug, der sich zwischen dem Ort und der Hauptstadt Zagreb erhebt. Der Gemeinde geht es vergleichsweise gut. Gulic pflegt beste Beziehungen zur Regierungsspitze in Zagreb. Wie er das macht? Hartnäckig sein, grinst er, betont aber auch: Beziehungspflege ist anstrengend:

    "Wir haben da ein Problem, noch jedenfalls, wir hoffen, dass es nach dem EU-Beitritt gelöst wird: Kroatien ist immer noch ein stark zentralisierter Staat. Leider muss man um persönliche Beziehungen kämpfen, um an Geld für die Gemeinde zu kommen, sich seinen Teil des Finanzkuchens zu sichern."

    Beziehungen, das deutet auf eins der großen Probleme Kroatiens hin: Korruption. Antonija Stojanac ist Polizistin in Bistra, sie ist in Bayern aufgewachsen, und sagt. Bargeld rüberschieben, etwa um als Autofahrer einem Strafzettel zu entgehen – das gibt es in ihrem Bereich kaum mehr:

    "Schmieren – ich glaub‘, das ist viel, viel weniger geworden, weil es ist gesetzlich verboten auf alle Fälle. Ich denke, dass das ganz weg ist, weil lieber nimmst du das nicht, du musst immer nachdenken, muss ich ins Gefängnis oder werd‘ ich meinen Job los. Jeder hat Angst um seinen Job, und es ist halt die Situation so, dass man schwer eine neue Arbeit findet."

    Bistra scheint in mancher Hinsicht so zu sein, wie sich die Europäische Union Kroatien wünscht. Das gilt auch für den Landwirt Ivan Sulog:
    Sulog zählt exotische Früchte auf, die in seinen Gewächshäusern reifen, von peruanischen Erdbeeren bis Cocoyam, einer Kartoffel, die nach Kokosnuss schmeckt:

    "Wir produzieren seit 16 Jahren exotische Früchte und exotisches Gemüse in Kroatien und exportieren schon jetzt nach ganz Europa","

    sagt Sulog. Mit dem EU-Beitritt hofft er auf noch deutlich bessere Verkäufe. Als er begann, exotische Früchte anzubauen, hielten ihn die Leute im Ort für einen Spinner:

    ""Ja, am Anfang dachten sie, ich bin völlig verrückt. Und nach der ersten und der zweiten Ernte gingen auch sämtliche Früchte kaputt. Sie haben mich für einen Idioten gehalten. Aber auch dann habe ich nicht aufgegeben."

    Von Ivan Sulogs Unternehmergeist könnte Kroatien deutlich mehr brauchen. Der Wirtschaft des Landes geht es insgesamt schlecht. Zu viel Bürokratie, zu viele schwerfällige ehemalige Staatsbetriebe. Der Tourismus allein reicht als Wirtschaftsmotor nicht aus.

    Die Leute in Bistra hoffen auf die EU, aber euphorisch sind sie nicht. Es ist gut, dass wir endlich dazugehören, sagen die meisten, und bleiben doch skeptisch, was der EU-Beitritt am Ende bringt.