Archiv

Bitkom-Bildungskonferenz
Branchenverband fordert mehr digitale Bildung an Schulen

Die Bitkom ist der Branchenverband der Digitalindustrie. Auf der diesjährigen Berliner Konferenz, der "Bitkom Bildung", stehen vor allem die Schulen im Mittelpunkt. Denn zunehmend wird klar: In Sachen digitaler Bildung und Technikverständnis besteht bei deutschen Schülern und Schülerinnen Aufklärungsbedarf.

Von Philipp Banse |
    Ein Junge sitzt in einem Klassenraum und arbeitet mit einem Tablet.
    Die sogenannte "Flipped Classroom"-Methode kommt aus den USA. Dabei werden Tablets oder Smartphones ergänzend im Unterricht eingesetzt, (imago stock&people/ZUMA press)
    Auf der Konferenz diskutieren gut 100 Experten über die Frage, wie digitale Technik und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen Teil des Schul-Unterrichts werden könne. Diese Frage müsse schnellstens beantwortet werden, sagt Christian Stöcker, Technik-Kolumnist bei "Spiegel online" und Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg:
    "Es geht darum, dass Hardware und Software im Moment in atemberaubenden, exponentiellem Tempo die Welt verändert und Schüler, die die Grundlagen der Mechanismen, die da am Werk sind, nicht verstehen, die werden auch die Welt, in die sie hineinwachsen nicht mehr verstehen. Das ist die große Aufgabe der Schule, einfach Basiswissen, wie funktioniert eigentlich die Welt, in der ich lebe, zu vermitteln."
    Wie das gehen kann, zeigt Michael Pallesche, Schulleiter der Ernst-Reuter-Gemeinschaftsschule in Karlsruhe, einer Schule mit Medienprofil. Sein Tipp für Schulen, die Wissen über die digitalisierte Gesellschaft vermitteln wollen:
    "Das Erste ist, sich zu überlegen, wo wollen wir eigentlich hin und wie können Medien uns in diesem Prozess der Zielsetzung, die wir uns setzen, unterstützen? Dann ist die grundsätzliche Bereitschaft schon mal da und man sieht den Bedarf und den Mehrwert, den solche digitale Medien bringen können."
    Veränderte Lehrer-Rolle
    Denn ohne die Bereitschaft der Lehrenden sind Medien an der Schule nicht zu integrieren, weil auch die Rolle der Lehrer sich ändere: Weg vom Allwissenden Absolutisten, hin zum Moderator, der selbstständiges Lernen ermöglicht, sagt Schulleiter Pallesche, zum Beispiel im Rahmen des Konzepts "Learners as Designers", also Schüler, die lernen, indem sie Medien erschaffen:
    "Das Thema Erklärvideo zum Beispiel. Jeder kennt das, hat mal bei YouTube ein Tutorial, eine Anleitung angeschaut. Wenn aber Schülerinnen und Schüler den Unterrichtsstoff medial aufbereiten, den sie gerade bearbeitet haben, dann haben sie am Ende ein Erklärvideo, ein Produkt. Sie erklären also einen bestimmten Sachverhalt für andere, reduzieren den didaktisch, verkürzen den und lernen wird dadurch nachhaltig. Und das ist ja das, was wir oft beklagen."
    Spielerisch vermitteln, wie Technik funktioniert
    Spielerisch und kreativ vermitteln, wie digitale Technik funktioniert – das will auch ein Projekt des Lobbyverbands der deutschen IT-Industrie, BITKOM. "ErlebeIT" heißt das Projekt, das Schulen umsonst bestellen können, sagt Jasmin Mühlbach und zeigt das Produkt "MakeyMakey": Eine Zigarettenschachtel große Platine, die einerseits mit einem Tablet verbunden ist, auf dem eine paar Klaviertasten zu sehen sind. Dann führen von der Platine aber auch mehrere Kabel weg, die in Früchten enden, Bananen, Organen:
    "Und dann kann man einfach die Tasten drücken und über eine App Musik machen, indem man die Früchte drückt. So kann eine Banane zur Spacetaste werden. Leider ist der Ton gerade abhandengekommen, den müssen wir noch finden."
    Lernen, mit Medien verantwortlich umzugehen
    Damit könnten Kinder spielerisch Stromkreise erforschen und auch erste Programmierungen lernen. Viele Schulen haben kein Geld für neue Technik, klagt Bernhard Rohleder vom IT-Lobbyverband Bitkom, deswegen müsse Technik genutzt werden, die alle haben:
    "Wir halten es für weltfremd, Smartphones aus den Schulen verbannen zu wollen. Das wird nicht funktionieren. Die Schüler leben bereits in der digitalen Welt und daraus sollte man eine Gewinnergeschichte machen und dafür sorgen, dass Smartphones nicht verboten werden, sondern, dass sie sinnvoll eingesetzt werden."
    Selber Medien machen, die Funktion verstehen von Computer-Code und Algorithmen – das müsse sicher ein wesentliches Ziel von Schulen sein, sagt der Medien-Professor Christian Stöcker. Darüber hinaus müssten Schüler aber auch lernen, wie diese Technik Gesellschaft verändert und welche Verantwortung auf einem jeder hat, der digitale Technik nutzt:
    "Es gibt keine klare Grenze mehr zwischen privater Kommunikation und öffentlicher Kommunikation. Ich kann eben, wenn ich bei Facebook rein schreibe "Flammenwerfer wäre besser gewesen" im Zusammenhang mit Flüchtlingen, meinen Job verlieren, weil ich versehentlich öffentlich kommuniziert habe, obwohl ich dachte, ich bin am Stammtisch. Das heißt, Dinge, die früher Journalisten wissen mussten – Recht am eigenen Bild, üble Nachrede, Persönlichkeitsrechte – müssen jetzt Schüler beigebracht bekommen, weil sie sich sonst in Gefahr bringen und andere in Gefahr bringen."
    Jeder Mensch, der sich heute in digitalen Medien äußert ist eine Art Privatjournalist, der zum Beispiel darüber nachdenken muss, ob der Artikel, das Foto, was man gerade bei Facebook teilen will, korrekt ist, Menschen verletzt oder dergleichen. Wenn sich alle Menschen diese Gedanken machen würden, wären Fake News ein kleineres Problem.