Die Türklinke, die Zahnbürste, das Küchengerät, der Autoschlüssel, das Smartphone: Sie liegen so schön in der Hand, dass man sich meist gar keine Gedanken darüber macht, dass diese Gegenstände auch für unseren Tastsinn designt, gestaltet wurden. Man soll sie gerne anfassen. Wenn man also über die haptischen Qualitäten von Alltagsdingen eine Ausstellung macht, dann heißt das natürlich: Man muss als Museum über den eigenen Schatten springen und sagen: berühren erlaubt.
Aber das sagt sich so leicht. Denn wie ist so ein Thema museumsdidaktisch zu bewältigen? Die Ausstellung beginnt mit einem eher alten Exponat, einem Rosenkranz. Wer den Rosenkranz betet, hält normalerweise eine Perle des Kranzes zwischen den Fingern, vielleicht bewegt er sie sogar hin und her.
Dieses mystische, rituelle Verschmelzen mit einem Gegenstand gehört sicher nicht mehr zu den Erfahrungen, die das heutige Publikum mit den Dingen macht. Das Entscheidende am Rosenkranz ist gar nicht die materielle Qualität der Perle – es ist die Tatsache, dass er religiös aufgeladen ist. Durch die Spuren der Abnutzung kann er dann auch etwas Persönliches bekommen.
Aber heute beten die wenigsten. Die Mehrheit tippt eher etwas ins Handy oder startet den Computer. Das Display, die Tastatur als Schnittstelle zwischen Körper und technischem Apparat, gehört zu den Hauptthemen der Züricher Schau, ebenso der Touchscreen, ohne den man auf keinem Bahnhof mehr eine Fahrkarte kaufen kann.
Form und Material, Weichheit und Härte
All diese Hilfsmittel werden von uns eher beiläufig berührt, und ein Ziel der Ausstellung ist es, uns bewusst zu machen, was wir da eigentlich wahrnehmen: Formen und Oberflächenmerkmale, Vibrationen, Weichheit, Härte, Material. Genau das will die Kuratorin Karin Gimmi uns vorführen. Und methodisch ist die Konzentration auf das Fühlen ja recht einfach zu erreichen:
"Indem wir teilweise den Sehsinn, das ja der meistgebrauchte unserer Sinne, indem wir den teilweise ausschalten oder indem wir ihn den anderen Sinnen unterordnen."
In der Ausstellung funktioniert das teilweise wie das Blindekuhspiel am Kindergeburtstag. Es gibt sogenannte Tastkästen, bei denen man durch eine Wand hindurchgreifen und Gegenstände mit der Hand erkunden kann. Bei manchen Dingen weiß man sofort Bescheid – eine Kaffeekanne, Legosteine oder ein Streichelzoo sind einfach zu erkennen. Bestimmte Haushaltsgeräte mit ihren bizarren Formen sind schon schwieriger.
Und die große Frage ist: Gibt es denn Materialien, die uns schlechthin angenehm sind?
"Man geht vielleicht natürlicherweise davon aus, dass es Naturmaterialien sind, Holz, Stein, ist ja ein Trend seit Längerem, dass man den glatten, künstlichen Oberflächen misstraut und eher das Gehobelte, Rohe vorzieht. Ich meine aber, es gibt nicht eine eindeutige Bevorzugung von haptischen Eigenschaften."
Vom Handbohrer bis zur Sexpuppe: Es kommt auf die Oberfläche an
Es gibt offenbar auch keine Bevorzugung bestimmter Formen: Eine Türklinke zum Beispiel kann ein zackiges, prätentiöses Design-Objekt sein wie bei der Star-Architektin Zaha Hadid, das kantig und fremd in der Hand liegt; es kann aber auch ein schöner, glatter Handschmeichler sein, der zudem noch in perfekter Zylinderform daherkommt – wie bei Walter Gropius.
Die Ausstellung führt uns die seltsamsten Gegenstände vor, vom Handbohrer bis zum Steigeisen, von der Cowboy-Peitsche bis zur Schneiderschere. Das exotischste Exponat ist eine Sexpuppe: Auch hier kommt es offenbar auf die Oberfläche an. Quietscht Latex eigentlich? Oder ist es Silikon? Keiner weiß es, man darf die Puppe nicht einmal anfassen, auch andere Gegenstände liegen unter Plexiglas.
Berühren aber darf man Kuscheltiere und Kletterwände, Reise-Bügeleisen und Badezimmer-Armaturen. Ja, versprochen, wir werden uns in Zukunft sensibler durch den Alltag tasten. Aber als Schule des Fühlens ist auch das gute Design nur begrenzt einsetzbar: Der kluge Mann fasst noch viel lieber Menschen an ...