Friedbert Meurer: Gestern Abend hat Bundespräsident Christian Wulff zum ersten Mal nach Weihnachten und im neuen Jahr Stellung genommen zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Darin betonte er abermals, in dem Interview, das er ARD und ZDF gegeben hat, Fehler gemacht zu haben. An einen Rücktritt von seinem Amt habe er aber nie gedacht.
O-Ton Christian Wulff: "Der Anruf bei dem Chefredakteur der Bildzeitung war ein schwerer Fehler, der mir leidtut, für den ich mich entschuldige. Ich habe das auch sogleich nach Rückkehr aus dem Ausland persönlich getan, das ist auch akzeptiert worden."
Meurer: Der Bundespräsident entschuldigt sich für seinen Anruf bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann. Sofort nachdem der Inhalt des Interviews gestern Abend bekannt wurde, hat es erste Reaktionen gegeben. Die CSU beispielsweise bricht eine Lanze für den Bundespräsidenten. Gerda Hasselfeldt, die Chefin der Landesgruppe der CSU-Abgeordneten im Bundestag, und der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer, beide vor der Klausur in Wildbad Kreuth.
O-Ton Gerda Hasselfeldt: "Er hat zu allen offenen Fragen ausführlich persönlich Stellung genommen und er hat auch sein Bedauern über getroffene Fehlentscheidungen zum Ausdruck gebracht."
O-Ton Horst Seehofer: "Die CSU steht zu diesem Bundespräsidenten Christian Wulff und er hat auch unser Vertrauen."
Meurer: Vertreter der Opposition sehen dagegen ihre Vorhaltungen gegen den Bundespräsidenten nicht ausgeräumt oder aufgeklärt. Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel richtete gestern Abend deswegen einen Aufruf an Bundeskanzlerin Angela Merkel.
O-Ton Sigmar Gabriel: "Ich glaube, dass Frau Merkel eine mindestens ebenso große Verantwortung hat. Jetzt, finde ich, hat Frau Merkel folgenden Auftrag: Sie muss eine ehrliche Neubewertung der Fähigkeit von Herrn Wulff in diesem Amt vornehmen, denn das, was ihm jetzt vorgehalten wird, stammt nicht aus der Zeit, als er Ministerpräsident war, sondern es geht um seinen Umgang im Amt des Bundespräsidenten."
Meurer: Sigmar Gabriel, der SPD-Bundeschef. – Also das politische Echo auf das Interview des Präsidenten ist gewaltig. Meine Kollegin Petra Ensminger hat gestern Abend in unserer Sendung "Das war der Tag" hier im Deutschlandfunk mit dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele gesprochen und ihn zunächst gefragt, ob der Bundespräsident seiner Ansicht nach mit seinem Interview an Glaubwürdigkeit zurückgewonnen hat.
Hans-Christian Ströbele: Ja genau darum geht es, um die Glaubwürdigkeit. Er hat was Positives gesagt, was eindeutig positiv zu bewerten ist, dass er einen Fehler, einen großen Fehler gemacht hat, indem er angerufen hat bei der Bildzeitung oder bei dem Chefredakteur persönlich offensichtlich. Aber er hat vieles weggelassen. Er hat zum Beispiel gar nicht gesagt, was war eigentlich der Fehler. War der Anruf da der Fehler? War der Fehler, dass er verlangt hat, dass das Interview nicht gebracht werden soll, nicht gedruckt werden soll? Er sagt ja, es ging nur um eine Verschiebung von einem Tag.
Petra Ensminger: Er sagt, der Anruf allein war schon ein schwerer Fehler.
Ströbele: Ja der Anruf alleine war sicherlich auch was Eigenartiges. Ein Bundespräsident ruft beim Chefredakteur einer Zeitung an und offensichtlich, wenn die Meldungen stimmen, hat er ja nicht nur da angerufen, sondern auch beim Vorstandsvorsitzenden und bei der Mitgesellschafterin Frau Springer. Wenn das alles zutrifft, dann war da noch viel, viel mehr dahinter, und er hätte nun mal sagen sollen, was war eigentlich Inhalt dieses Gespräches, kamen da solche Sätze vor wie "Krieg führen" oder "Beziehung abbrechen" und worauf bezogen sie sich, was hat er eigentlich zu kritisieren gehabt an der Darstellung. Weil wir wissen ja aus den Medien, dass er vorher Gelegenheit hatte zur Stellungnahme und dass seine Anwälte oder sein Büro offenbar auch eine Stellungnahme hingeschickt hatte, dass sie aber dann zurückgezogen worden ist.
Ensminger: Also sehen Sie es wie die Kollegen von der SPD, die sagen, es sind einfach noch viel zu viele Fragen nach diesem Gespräch offen?
Ströbele: Das ist völlig richtig, auch was das Darlehen selber anbetrifft. Da ist leider nicht nachgefragt worden, als es um die Frage ging, wusste er, woher das Geld stammte. Das stammte vom Konto der Frau Geerkens, so viel wissen wir inzwischen, so ist das Allgemeinwissen. Aber war das wirklich ihr Geld, oder hatte das ihr Gatte vorher dahin überwiesen, damit es weitergeleitet werden kann. Dazu ist nicht gefragt worden, dazu hat er bis heute auch nichts gesagt. Im Raum steht das, was im Spiegel stand, dass das aus dem Vermögen des Herrn Geerkens stammte.
Ensminger: Er hat ja nun angekündigt, dass viele Fragen, die gestellt worden sind, auch noch im Internet beantwortet werden. Das heißt, da wird noch was nachkommen jetzt. Wenn man sich aber mal anschaut, was mit dem Auftritt ja bezweckt werden sollte – CDU-Generalsekretär Gröhe ist sich sicher, dass er mit dem Auftritt erfolgreich Vertrauen in der Bevölkerung auch zurückgewinnen konnte, mit Blick auch auf das Amt -, hat er nicht eine zweite Chance verdient, wenn er jetzt noch ein bisschen mehr aufklärt?
Ströbele: Natürlich hat er eine zweite Chance verdient, aber doch bitte die Fakten auf den Tisch. Er ist ja auch darauf angesprochen worden, warum er das so scheibchenweise sagt, und da ist er völlig bei seiner Antwort daneben gelegen. Da hat er dann erzählt, es seien 400 Anfragen gestellt und natürlich hätte er die scheibchenweise beantwortet beziehungsweise seine Anwälte. Danach ist überhaupt nicht gefragt worden, sondern er selber, was von ihm verlautbart wurde, das kam nur immer so weit raus, wie es bewiesen war, wie die Medien das vorher schon geschrieben haben und wie das offenbar klar war. Also er hat im gesamten Interview ganz überwiegend viel drum herumgeredet, hat die Fakten aber nicht benannt.
Ensminger: Wie gesagt, da ist noch Aufklärung angekündigt worden. Schauen wir mal auf das, was er tatsächlich gesagt hat. Die Debatte dreht sich ja um die Umstände des Hauskredits einerseits, aber auch um den Umgang mit Medien andererseits. Sie haben es angesprochen: Christian Wulff soll versucht haben, Berichterstattung mit einem Anruf auf das Handy des Bild-Chefredakteurs tatsächlich zu verhindern. Dazu hat sich der Bundespräsident auch geäußert: Er habe eben nicht versucht, die Berichterstattung zu verhindern, sondern er habe darum gebeten, einen Tag abzuwarten. Im Beitrag eben klang es schon an, was der stellvertretende Bild-Chefredakteur Nikolaus Blome dazu hier bei uns gesagt hat. Noch mal etwas länger im Auszug:
O-Ton Nikolaus Blome: "Den Satz von Herrn Bundespräsident Wulff, ich wollte die Berichterstattung nicht verhindern, das haben wir damals deutlich anders wahrgenommen. Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden. Und wenn Sie das jetzt als Drohung bezeichnen, das ist vielleicht eine Geschmacksfrage. Aber klar war das Ziel dieses Anrufes, die Absicht und das Motiv, diesen ersten Braking-Bericht über die Finanzierung seines privaten Hauses zu unterbinden."
Ensminger: Da klingt das schon ein bisschen anders als das, was Christian Wulff gesagt hat, oder?
Ströbele: Völlig richtig, und Sie müssen ja sehen: Er gibt sich ja weitgehend in die Hand der Bildzeitung. Wenn die Bildzeitung jetzt veröffentlicht, was auf diesem Anrufbeantworter drauf ist, da mögen die einen oder anderen Bemerkungen sein, die mit dem, was er so im Fernsehen gesagt hat, überhaupt nicht zu vereinbaren sind. Bisher hat die Bildzeitung ja nicht veröffentlicht, was da gesagt worden ist, aber vieles deutet darauf hin, dass da Sachen drin gesagt worden sind, die er bisher nicht wahr haben will.
Ensminger: Wenn die Darstellung von Bild-Redakteur Blome zutrifft, hat Christian Wulff dann in dem aktuellen Interview die Tatsachen sich ein bisschen richtig gebogen?
Ströbele: Ja auch da steht ja nicht genau, was er gesagt hat, sondern die Bildzeitung redet jetzt davon, sie hatten den Eindruck damals, oder für sie klang das so.
Ensminger: Für Sie war das klar das Ziel, die Absicht?
Ströbele: Ja, ja, war das Ziel, die Absicht. Ich will den Wortlaut haben. Wenn es den nicht mehr gäbe, aber den gibt es ja offensichtlich auf dem Anrufbeantworter von dem Chefredakteur. Also da kann noch vieles offenbleiben. Aber wissen Sie, natürlich: Der Bundespräsident hat ja recht. Natürlich hat der Bundespräsident auch ein Recht, sich gegen beispielsweise falsche Darstellung zu wehren. Das kann er juristisch machen, das kann er über Anwälte machen, das kann er machen. Er hat auch ein Recht auf einen privaten Bereich. Auch den kann er schützen. Aber die entscheidende Frage ist doch: Worum ging es da in diesem Gespräch? Ging es um einen solchen Schutz, den er jetzt dann selber da angebracht hat, anstatt seine Anwälte reden zu lassen, oder ging es um eigentlich ganz was anderes? Wollte er die Berichterstattung insgesamt unterbinden? Und das wäre natürlich für einen Bundespräsidenten unverzeihlich.
Ensminger: Darüber wird auch noch weiter diskutiert. Die Tatsache, dass so viele Fragen offengeblieben sind, glauben Sie, dass die Debatten jetzt irgendwann doch leiser werden, oder glauben Sie, es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Bundespräsident noch weitere Schritte gehen muss?
Ströbele: Ich fürchte, dass wir da noch einige Zeit dran zu kauen haben. Uns allen ist das ja nicht besonders angenehm, aber wir müssen doch die Fakten zur Kenntnis nehmen und können nicht einfach darüber hinweggehen, sondern müssen den Bundespräsidenten an dem nehmen, was er sagt, vor allen Dingen auch, was er nicht sagt, auch auf Fragen nicht sagt, auch auf öffentliche Darstellung nicht sagt, und müssen so lange das aufklären, bis die Sachen alle auf dem Tisch sind, und dann können wir sagen, hat er nun mit seiner Entschuldigung, die er ja gar nicht ausgesprochen hat, sondern er hat nur gesagt, ich habe einen Fehler gemacht, also muss er sich da nicht ganz ausdrücklich entschuldigen, insgesamt bei der Presse, oder wie geht das weiter.
Meurer: Petra Ensminger sprach mit dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele über das Interview von Bundespräsident Christian Wulff gestern Abend.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
O-Ton Christian Wulff: "Der Anruf bei dem Chefredakteur der Bildzeitung war ein schwerer Fehler, der mir leidtut, für den ich mich entschuldige. Ich habe das auch sogleich nach Rückkehr aus dem Ausland persönlich getan, das ist auch akzeptiert worden."
Meurer: Der Bundespräsident entschuldigt sich für seinen Anruf bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann. Sofort nachdem der Inhalt des Interviews gestern Abend bekannt wurde, hat es erste Reaktionen gegeben. Die CSU beispielsweise bricht eine Lanze für den Bundespräsidenten. Gerda Hasselfeldt, die Chefin der Landesgruppe der CSU-Abgeordneten im Bundestag, und der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer, beide vor der Klausur in Wildbad Kreuth.
O-Ton Gerda Hasselfeldt: "Er hat zu allen offenen Fragen ausführlich persönlich Stellung genommen und er hat auch sein Bedauern über getroffene Fehlentscheidungen zum Ausdruck gebracht."
O-Ton Horst Seehofer: "Die CSU steht zu diesem Bundespräsidenten Christian Wulff und er hat auch unser Vertrauen."
Meurer: Vertreter der Opposition sehen dagegen ihre Vorhaltungen gegen den Bundespräsidenten nicht ausgeräumt oder aufgeklärt. Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel richtete gestern Abend deswegen einen Aufruf an Bundeskanzlerin Angela Merkel.
O-Ton Sigmar Gabriel: "Ich glaube, dass Frau Merkel eine mindestens ebenso große Verantwortung hat. Jetzt, finde ich, hat Frau Merkel folgenden Auftrag: Sie muss eine ehrliche Neubewertung der Fähigkeit von Herrn Wulff in diesem Amt vornehmen, denn das, was ihm jetzt vorgehalten wird, stammt nicht aus der Zeit, als er Ministerpräsident war, sondern es geht um seinen Umgang im Amt des Bundespräsidenten."
Meurer: Sigmar Gabriel, der SPD-Bundeschef. – Also das politische Echo auf das Interview des Präsidenten ist gewaltig. Meine Kollegin Petra Ensminger hat gestern Abend in unserer Sendung "Das war der Tag" hier im Deutschlandfunk mit dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele gesprochen und ihn zunächst gefragt, ob der Bundespräsident seiner Ansicht nach mit seinem Interview an Glaubwürdigkeit zurückgewonnen hat.
Hans-Christian Ströbele: Ja genau darum geht es, um die Glaubwürdigkeit. Er hat was Positives gesagt, was eindeutig positiv zu bewerten ist, dass er einen Fehler, einen großen Fehler gemacht hat, indem er angerufen hat bei der Bildzeitung oder bei dem Chefredakteur persönlich offensichtlich. Aber er hat vieles weggelassen. Er hat zum Beispiel gar nicht gesagt, was war eigentlich der Fehler. War der Anruf da der Fehler? War der Fehler, dass er verlangt hat, dass das Interview nicht gebracht werden soll, nicht gedruckt werden soll? Er sagt ja, es ging nur um eine Verschiebung von einem Tag.
Petra Ensminger: Er sagt, der Anruf allein war schon ein schwerer Fehler.
Ströbele: Ja der Anruf alleine war sicherlich auch was Eigenartiges. Ein Bundespräsident ruft beim Chefredakteur einer Zeitung an und offensichtlich, wenn die Meldungen stimmen, hat er ja nicht nur da angerufen, sondern auch beim Vorstandsvorsitzenden und bei der Mitgesellschafterin Frau Springer. Wenn das alles zutrifft, dann war da noch viel, viel mehr dahinter, und er hätte nun mal sagen sollen, was war eigentlich Inhalt dieses Gespräches, kamen da solche Sätze vor wie "Krieg führen" oder "Beziehung abbrechen" und worauf bezogen sie sich, was hat er eigentlich zu kritisieren gehabt an der Darstellung. Weil wir wissen ja aus den Medien, dass er vorher Gelegenheit hatte zur Stellungnahme und dass seine Anwälte oder sein Büro offenbar auch eine Stellungnahme hingeschickt hatte, dass sie aber dann zurückgezogen worden ist.
Ensminger: Also sehen Sie es wie die Kollegen von der SPD, die sagen, es sind einfach noch viel zu viele Fragen nach diesem Gespräch offen?
Ströbele: Das ist völlig richtig, auch was das Darlehen selber anbetrifft. Da ist leider nicht nachgefragt worden, als es um die Frage ging, wusste er, woher das Geld stammte. Das stammte vom Konto der Frau Geerkens, so viel wissen wir inzwischen, so ist das Allgemeinwissen. Aber war das wirklich ihr Geld, oder hatte das ihr Gatte vorher dahin überwiesen, damit es weitergeleitet werden kann. Dazu ist nicht gefragt worden, dazu hat er bis heute auch nichts gesagt. Im Raum steht das, was im Spiegel stand, dass das aus dem Vermögen des Herrn Geerkens stammte.
Ensminger: Er hat ja nun angekündigt, dass viele Fragen, die gestellt worden sind, auch noch im Internet beantwortet werden. Das heißt, da wird noch was nachkommen jetzt. Wenn man sich aber mal anschaut, was mit dem Auftritt ja bezweckt werden sollte – CDU-Generalsekretär Gröhe ist sich sicher, dass er mit dem Auftritt erfolgreich Vertrauen in der Bevölkerung auch zurückgewinnen konnte, mit Blick auch auf das Amt -, hat er nicht eine zweite Chance verdient, wenn er jetzt noch ein bisschen mehr aufklärt?
Ströbele: Natürlich hat er eine zweite Chance verdient, aber doch bitte die Fakten auf den Tisch. Er ist ja auch darauf angesprochen worden, warum er das so scheibchenweise sagt, und da ist er völlig bei seiner Antwort daneben gelegen. Da hat er dann erzählt, es seien 400 Anfragen gestellt und natürlich hätte er die scheibchenweise beantwortet beziehungsweise seine Anwälte. Danach ist überhaupt nicht gefragt worden, sondern er selber, was von ihm verlautbart wurde, das kam nur immer so weit raus, wie es bewiesen war, wie die Medien das vorher schon geschrieben haben und wie das offenbar klar war. Also er hat im gesamten Interview ganz überwiegend viel drum herumgeredet, hat die Fakten aber nicht benannt.
Ensminger: Wie gesagt, da ist noch Aufklärung angekündigt worden. Schauen wir mal auf das, was er tatsächlich gesagt hat. Die Debatte dreht sich ja um die Umstände des Hauskredits einerseits, aber auch um den Umgang mit Medien andererseits. Sie haben es angesprochen: Christian Wulff soll versucht haben, Berichterstattung mit einem Anruf auf das Handy des Bild-Chefredakteurs tatsächlich zu verhindern. Dazu hat sich der Bundespräsident auch geäußert: Er habe eben nicht versucht, die Berichterstattung zu verhindern, sondern er habe darum gebeten, einen Tag abzuwarten. Im Beitrag eben klang es schon an, was der stellvertretende Bild-Chefredakteur Nikolaus Blome dazu hier bei uns gesagt hat. Noch mal etwas länger im Auszug:
O-Ton Nikolaus Blome: "Den Satz von Herrn Bundespräsident Wulff, ich wollte die Berichterstattung nicht verhindern, das haben wir damals deutlich anders wahrgenommen. Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden. Und wenn Sie das jetzt als Drohung bezeichnen, das ist vielleicht eine Geschmacksfrage. Aber klar war das Ziel dieses Anrufes, die Absicht und das Motiv, diesen ersten Braking-Bericht über die Finanzierung seines privaten Hauses zu unterbinden."
Ensminger: Da klingt das schon ein bisschen anders als das, was Christian Wulff gesagt hat, oder?
Ströbele: Völlig richtig, und Sie müssen ja sehen: Er gibt sich ja weitgehend in die Hand der Bildzeitung. Wenn die Bildzeitung jetzt veröffentlicht, was auf diesem Anrufbeantworter drauf ist, da mögen die einen oder anderen Bemerkungen sein, die mit dem, was er so im Fernsehen gesagt hat, überhaupt nicht zu vereinbaren sind. Bisher hat die Bildzeitung ja nicht veröffentlicht, was da gesagt worden ist, aber vieles deutet darauf hin, dass da Sachen drin gesagt worden sind, die er bisher nicht wahr haben will.
Ensminger: Wenn die Darstellung von Bild-Redakteur Blome zutrifft, hat Christian Wulff dann in dem aktuellen Interview die Tatsachen sich ein bisschen richtig gebogen?
Ströbele: Ja auch da steht ja nicht genau, was er gesagt hat, sondern die Bildzeitung redet jetzt davon, sie hatten den Eindruck damals, oder für sie klang das so.
Ensminger: Für Sie war das klar das Ziel, die Absicht?
Ströbele: Ja, ja, war das Ziel, die Absicht. Ich will den Wortlaut haben. Wenn es den nicht mehr gäbe, aber den gibt es ja offensichtlich auf dem Anrufbeantworter von dem Chefredakteur. Also da kann noch vieles offenbleiben. Aber wissen Sie, natürlich: Der Bundespräsident hat ja recht. Natürlich hat der Bundespräsident auch ein Recht, sich gegen beispielsweise falsche Darstellung zu wehren. Das kann er juristisch machen, das kann er über Anwälte machen, das kann er machen. Er hat auch ein Recht auf einen privaten Bereich. Auch den kann er schützen. Aber die entscheidende Frage ist doch: Worum ging es da in diesem Gespräch? Ging es um einen solchen Schutz, den er jetzt dann selber da angebracht hat, anstatt seine Anwälte reden zu lassen, oder ging es um eigentlich ganz was anderes? Wollte er die Berichterstattung insgesamt unterbinden? Und das wäre natürlich für einen Bundespräsidenten unverzeihlich.
Ensminger: Darüber wird auch noch weiter diskutiert. Die Tatsache, dass so viele Fragen offengeblieben sind, glauben Sie, dass die Debatten jetzt irgendwann doch leiser werden, oder glauben Sie, es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Bundespräsident noch weitere Schritte gehen muss?
Ströbele: Ich fürchte, dass wir da noch einige Zeit dran zu kauen haben. Uns allen ist das ja nicht besonders angenehm, aber wir müssen doch die Fakten zur Kenntnis nehmen und können nicht einfach darüber hinweggehen, sondern müssen den Bundespräsidenten an dem nehmen, was er sagt, vor allen Dingen auch, was er nicht sagt, auch auf Fragen nicht sagt, auch auf öffentliche Darstellung nicht sagt, und müssen so lange das aufklären, bis die Sachen alle auf dem Tisch sind, und dann können wir sagen, hat er nun mit seiner Entschuldigung, die er ja gar nicht ausgesprochen hat, sondern er hat nur gesagt, ich habe einen Fehler gemacht, also muss er sich da nicht ganz ausdrücklich entschuldigen, insgesamt bei der Presse, oder wie geht das weiter.
Meurer: Petra Ensminger sprach mit dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele über das Interview von Bundespräsident Christian Wulff gestern Abend.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.