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Bittere Wahrheit zehn Jahre nach der Wende

01.06.2000
    Ein Professor aus dem Westen verdient an der gleichen Universität in Ostdeutschland über zehn Prozent mehr als sein Kollege aus dem Osten. Auch zehn Jahre nach der Wende hat diese Ungleichheit Bestand. Warum das so ist, versteht man an den ostdeutschen Universitäten immer weniger. "Wenn die westdeutschen Profs hier mehr verdienen, obwohl sie auch hier wohnen und die gleichen niedrigeren Lebenshaltungskosten haben, dann finde ich das unfair", meint die Leipziger Studentin Kathleen Berger. Dass die Kollegialität und Leistungsbereitschaft darunter leiden kann, liegt für Professor Volker Bigl, Rektor der Uni Leipzig, auf der Hand: "Es gibt schon noch einen Ost-West-Graben, der nicht einfach zu überbrücken sein wird. Das hängt unter anderem an der unterschiedlichen Entlohnung." Offiziell ist der Unterschied in der Lohntüte zwar kaum noch Thema unter den Kollegen in Leipzig, er wird eher hinter vorgehaltener Hand diskutiert. "Es sind immer noch Nebensätze, aber sie verschlechtern das Klima", erzählt Professor Jürgen Gropp. Er kam vor sieben Jahren aus Bayern nach Leipzig und erhält wie etwa zwei Drittel seiner Kollegen die West-Besoldung, während die anderen sich mit dem Ost-Tarif zufrieden geben müssen. Damit geht es ihnen aber nicht anders als vielen ostdeutschen Angestellten, Arbeitern und dem gesamten öffentlichen Dienst. Gropp hält dennoch eine Sonderregelung für Hochschullehrer für vertretbar, denn: "Jeder Hochschullehrer in Sachsen ist ganz persönlich evaluiert worden, einmal auf vorhandene Staatsnähe, zum zweiten auch fachlich, und erst dann wiederberufen worden."

    Ost-Professoren, die nach dem 30.6.1995 in Rente gehen, haben einen weiteren Nachteil: Ihre Pension wird anders berechnet als für Kollegen, die vor dem Stichtag in den Ruhestand gingen - häufig fällt sie niedriger aus. Rektor Bigl sorgt sich auch um seine wissenschaftlichen Mitarbeiter. Viele lockt das bessere Gehalt in den Westen. Eine Lösung muss also bald gefunden werden. Zurzeit prüft das Bundesverfassungsgericht, ob die unterschiedliche Bezahlung in den neuen Bundesländern mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Und der Deutsche Hochschulverband ruft alle Betroffenen auf, bei ihrem Wissenschaftsministerium vorsorglich schon einmal einen Antrag auf unverminderte Besoldung zu stellen.

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