"Grüß Gott, guten Morgen. Die Mutter Gottes kommt zu ihnen auf Besuch. Die Mutter Gottes kommt zu ihnen und will ihnen helfen. Die möchte, dass mer beten miteinander. Alle mitmachen. Also im Namen des Vaters ..."
Mit seiner Paradies-Trilogie ist Ulrich Seidl erst als zweitem Regisseur nach Krzysztof Kieslowski mit dessen Drei-Farbenfilmserie der große Rundumschlag gelungen. Der erste Film "Paradies: Liebe" lief in Cannes 2012, der zweite "Paradies: Glaube" lief 2012 in Venedig und "Paradies: Hoffnung" 2013 in Berlin.
Die Filmtrilogie sollte ursprünglich ein einziger Film sein der die Erlebnisse zweier Schwestern und einer ihrer Töchter beschreibt. Alle drei Frauen sind auf der Suche nach dem absoluten Glück. Die Erste suchte die Liebe in Kenia, ihre Tochter vertraut sich einem Diätcamp an und die Schwester verfällt dem religiösen Wahn.
"Paradies: Glaube" erzählt von Anna Maria, die betend auf den Knien durch die Wohnung rutscht und mit ihrer Marienstatue nahe und ferne Nachbarn zu missionieren versucht. Dabei ist sie schmerzfrei und fanatisch. In einer bei der Venedig-Premiere skandalumwitterten Szene masturbiert sie sogar mit dem Leidensmann am Kreuz. Manch einer fand diese Szene sogar blasphemisch.
Seidls Film ist jedoch nicht als Kirchenkritik gemeint. Er stellt nur drei Frauenfiguren in Extremsituationen dar. Keine von ihnen wird ihr Glück finden. Daran ändern auch ihre geradezu monströsen Anstrengungen nichts. "Paradies: Glaube" beschreibt keineswegs ein religiöses Phänomen.
Man muss also keine Glocken gegen diesen Film läuten, obwohl er durchaus mit Material spielt, das böse missverstanden werden kann. Seidl reizt die religiöse Symbolik bis zur Schmerzgrenze aus und verbindet sie drastisch mit unausgelebter Sexualität und latenter Gewalt. Vor Anna Maria muss man – gäbe es sie im realen Leben – auch ein bisschen Angst haben. Um sie aber auch. Sie hat eine fundamentalistische Gebetsgruppe gegründet, die bei ihren Treffen nichts weniger als die Rettung Österreichs einfordert.
"Himmlischer Jesus. Wir sind die Gebetsgruppe Herz Jesu" – "Amen" – "Wir schwören dir, dass Österreich wieder katholisch wird." – "Amen"
Bis hin zur Selbstgeißelung führt der religiöse Wahn und duldet keine weltlichen Götter neben sich. Ulrich Seidl zeigt mit böser Konsequenz,wohin das Denken führt, wenn es sich auf eine einzige Sache konzentriert. Das ist mehr als einmal reichlich unangenehm. Wirklich bitter wird der Film aber, wenn Anna Marias Ex-Nann Nabil auftaucht. Er ist nach einem Unfall querschnittgelähmt und hat sie unter ungeklärten Umständen verlassen. Außerdem ist er Muslim und passt so gar nicht in diese Wohnung voller christlicher Kreuze und Exzesse.
Seine einfachsten Forderungen werden ignoriert und aus dem Drama um scheinreligiösen Hochmut und fehlgeleitete Libido wird plötzlich eine sadistische Quälerei. Eine Frau quält ihren Mann. Vielleicht hat sie ja Gründe dazu, die in der Vergangenheit liegen. Er muss durch die Wohnung robben, als er seine ehelichen Rechte einfordert. Nicht mal Fernsehen darf er mehr.
"Kannst du mir den Fernseher bringen oder was willst du jetzt." – "Du wirst immer ganz böse, wenn du fernschaust, noch aggressiver." – "Bitte, bitte und ich bin so höflich mit dir. Warum zwingst du mich zu Sachen. Ich will Fernseher anschauen. Lass' mich in Ruhe."
Reichlich ratlos hinterlässt den Zuschauer diese verstörende Studie aus der österreichischen Provinz.
Visuell ist sie hingegen großes Kino. Wenn Anna Maria mit ihrer Marienstatue an der S-Bahn-Station steht und das gelbe Licht sie wie eine Figur aus einem Horrorfilm aussehen lässt, zum Beispiel. Ulrich Seidl macht keine bequemen Filme. Er geht immer dahin, wo es wehtut. Eine gnadenlose, dicke Sextouristin in Kenia, eine religiöse Fanatikerin mit fetischistischen und sadistischen Neigungen und eine halbwüchsige Tochter im Diätcamp. Vielleicht sollte man die drei Filme und damit die Obsessionen des Regisseurs einmal zusammen sehen, um zu begreifen, was Ulrich Seidl uns zu sagen versucht.
Mit seiner Paradies-Trilogie ist Ulrich Seidl erst als zweitem Regisseur nach Krzysztof Kieslowski mit dessen Drei-Farbenfilmserie der große Rundumschlag gelungen. Der erste Film "Paradies: Liebe" lief in Cannes 2012, der zweite "Paradies: Glaube" lief 2012 in Venedig und "Paradies: Hoffnung" 2013 in Berlin.
Die Filmtrilogie sollte ursprünglich ein einziger Film sein der die Erlebnisse zweier Schwestern und einer ihrer Töchter beschreibt. Alle drei Frauen sind auf der Suche nach dem absoluten Glück. Die Erste suchte die Liebe in Kenia, ihre Tochter vertraut sich einem Diätcamp an und die Schwester verfällt dem religiösen Wahn.
"Paradies: Glaube" erzählt von Anna Maria, die betend auf den Knien durch die Wohnung rutscht und mit ihrer Marienstatue nahe und ferne Nachbarn zu missionieren versucht. Dabei ist sie schmerzfrei und fanatisch. In einer bei der Venedig-Premiere skandalumwitterten Szene masturbiert sie sogar mit dem Leidensmann am Kreuz. Manch einer fand diese Szene sogar blasphemisch.
Seidls Film ist jedoch nicht als Kirchenkritik gemeint. Er stellt nur drei Frauenfiguren in Extremsituationen dar. Keine von ihnen wird ihr Glück finden. Daran ändern auch ihre geradezu monströsen Anstrengungen nichts. "Paradies: Glaube" beschreibt keineswegs ein religiöses Phänomen.
Man muss also keine Glocken gegen diesen Film läuten, obwohl er durchaus mit Material spielt, das böse missverstanden werden kann. Seidl reizt die religiöse Symbolik bis zur Schmerzgrenze aus und verbindet sie drastisch mit unausgelebter Sexualität und latenter Gewalt. Vor Anna Maria muss man – gäbe es sie im realen Leben – auch ein bisschen Angst haben. Um sie aber auch. Sie hat eine fundamentalistische Gebetsgruppe gegründet, die bei ihren Treffen nichts weniger als die Rettung Österreichs einfordert.
"Himmlischer Jesus. Wir sind die Gebetsgruppe Herz Jesu" – "Amen" – "Wir schwören dir, dass Österreich wieder katholisch wird." – "Amen"
Bis hin zur Selbstgeißelung führt der religiöse Wahn und duldet keine weltlichen Götter neben sich. Ulrich Seidl zeigt mit böser Konsequenz,wohin das Denken führt, wenn es sich auf eine einzige Sache konzentriert. Das ist mehr als einmal reichlich unangenehm. Wirklich bitter wird der Film aber, wenn Anna Marias Ex-Nann Nabil auftaucht. Er ist nach einem Unfall querschnittgelähmt und hat sie unter ungeklärten Umständen verlassen. Außerdem ist er Muslim und passt so gar nicht in diese Wohnung voller christlicher Kreuze und Exzesse.
Seine einfachsten Forderungen werden ignoriert und aus dem Drama um scheinreligiösen Hochmut und fehlgeleitete Libido wird plötzlich eine sadistische Quälerei. Eine Frau quält ihren Mann. Vielleicht hat sie ja Gründe dazu, die in der Vergangenheit liegen. Er muss durch die Wohnung robben, als er seine ehelichen Rechte einfordert. Nicht mal Fernsehen darf er mehr.
"Kannst du mir den Fernseher bringen oder was willst du jetzt." – "Du wirst immer ganz böse, wenn du fernschaust, noch aggressiver." – "Bitte, bitte und ich bin so höflich mit dir. Warum zwingst du mich zu Sachen. Ich will Fernseher anschauen. Lass' mich in Ruhe."
Reichlich ratlos hinterlässt den Zuschauer diese verstörende Studie aus der österreichischen Provinz.
Visuell ist sie hingegen großes Kino. Wenn Anna Maria mit ihrer Marienstatue an der S-Bahn-Station steht und das gelbe Licht sie wie eine Figur aus einem Horrorfilm aussehen lässt, zum Beispiel. Ulrich Seidl macht keine bequemen Filme. Er geht immer dahin, wo es wehtut. Eine gnadenlose, dicke Sextouristin in Kenia, eine religiöse Fanatikerin mit fetischistischen und sadistischen Neigungen und eine halbwüchsige Tochter im Diätcamp. Vielleicht sollte man die drei Filme und damit die Obsessionen des Regisseurs einmal zusammen sehen, um zu begreifen, was Ulrich Seidl uns zu sagen versucht.