Urteil in Halle
AfD-Chef Höcke erneut wegen NS-Parole verurteilt

Der Thüringer AfD-Vorsitzende Höcke ist wegen Verwendung einer verbotenen NS-Parole erneut verurteilt worden. Vom selben Landgericht wurde er bereits im Mai wegen eines ähnlichen Delikts schuldig gesprochen. Welche Folgen hat nun das zweite Urteil?

    Halle Saale, Sachsen-Anhalt, Justizzentrum: 2. Prozess gegen Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke
    Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke musste sich erneut wegen der Verwendung einer verbotenen Nazi-Parole vor Gericht verantworten. (IMAGO / dts Nachrichtenagentur )
    Seit 2019 darf der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke als „Faschist“ bezeichnet werden. Seine öffentlichen Reden rechtfertigen das, so die Begründung des Verwaltungsgerichts Meiningen. Seit Jahren testet Höcke, wie weit er gehen kann. Schon acht Mal hatte der Rechtsausschuss im Thüringer Landtag Höckes Immunität aufgehoben.
    Nun wurde Höcke binnen weniger Wochen vom Landgericht Halle zweimal wegen der Verwendung einer verbotene NS-Parole verurteilt. In beiden Fällen verhängte das Gericht eine Geldstrafe.

    Inhalt

    Wofür ist Höcke im zweiten Verfahren verurteilt worden?

    Das Landgericht Halle an der Saale sah es als erwiesen an, dass der AfD-Politiker Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verwendet hat. Dies ist nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs verboten. Der Vorsitzende Richter Jan Stengel verurteilte Höcke deshalb zu einer Geldstrafe von 16.900 Euro.
    Dem Urteil zufolge stimmte Höcke auf einer AfD-Veranstaltung im Dezember 2023 in Gera die verbotene Losung "Alles für Deutschland" an. Sie wurde einst von der Sturmabteilung (SA) verwendet, der paramilitärischen Kampforganisation der Nazi-Partei NSDAP. In Gera sprach Höcke die ersten beiden Worte aus - das Publikum ergänzte das dritte.
    Höcke tat das obwohl, gegen ihn zu diesem Zeitpunkt wegen der Verwendung derselben Parole bereits ein Strafverfahren lief. Nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Richter handelte Hücke in Gera demnach vorsätzlich. Der Angeklagte "lotet die Grenzen des Machbaren aus", sagte Richter Stengel.
    Höcke beteuerte seien Unschuld. Der 52-Jährige argumentierte, er habe nicht damit rechnen können, dass das Publikum seinen Satz vervollständige. Sein Verteidiger Florian Gempe betonte, Höcke habe an der bestimmten Stelle abgebrochen und die Formel gerade nicht ausgesprochen, um eine Strafbarkeit zu vermeiden. Er sprach von einem "ungewollten Zuruf" des Publikums und forderte einen Freispruch für seinen Mandanten.
    Die Verteidigung hatte im Laufe des Verfahrens versucht, ihre Auffassung zu untermauern, dass die Parole "Alles für Deutschland" keine dominierende Rolle bei der SA gespielt habe und bereits seit dem 19. Jahrhundert von Vertretern verschiedener politischer Richtungen benutzt worden sei.
    Das Gericht sah allerdings keinen Zweifel an der Täterschaft von Höcke und an der Verfassungswidrigkeit seiner Äußerungen. „Wir halten Sie, so wie angeklagt, für schuldig“, sagte Richter Stengel an Höcke gewandt. Dem geforderten Strafmaß der Staatsanwaltschaft folgte er jedoch nicht.
    Die hatte eine Freiheitsstrafe von acht Monaten gefordert, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Außerdem sollte Höcke 10.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung wie etwa die KZ-Gedenkstätte Buchenwald zahlen. Zudem hatte Oberstaatsanwalt Benedikt Bernzen für ein Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter für zwei Jahre plädiert.

    Wie lautet das Urteil im ersten Fall gegen Höcke?

    Das Landgericht Halle hatte Höcke bereits im Mai 2024 wegen der Verwendung der verbotenen NS-Parole „Alles für Deutschland“ verurteilt. Das Gericht verhängte damals eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 130 Euro, insgesamt 13.000 Euro. Das Urteil bezog sich auf eine Rede Höckes im sachsen-anhaltischen Landtagswahlkampf im Mai 2021 in Merseburg.
    Konkret benutze Höcke damals den Dreiklang „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“. Der damalige sachsen-anhaltische Grünen-Chef Sebastian Striegel erstattete anzeige. Im vergangenen Jahr erhob die Staatsanwaltschaft Halle daraufhin Anklage. Sie warf Höcke vor, von der Herkunft und der Bedeutung der Losung gewusst zu haben. Nach damaligen Angaben der Staatsanwaltschaft hatten Höckes Anwälte die strafrechtliche Relevanz zurückgewiesen.
    Höcke selbst hatte seine Wortwahl in einem TV-Duell mit dem Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt verteidigt. Er habe die Parole in einer freien Wahlkampfrede genutzt und letztlich den Slogan „America First“ von Donald Trump frei interpretierend ins Deutsche übertragen, hatte er auch eine Woche vor Prozessbeginn beim Sender Welt gesagt.
    Auf die Frage, ob er nicht gewusst habe, dass „Alles für Deutschland“ eine SA-Parole sei, hatte der studierte Geschichtslehrer gesagt: „Nein, ich wusste es nicht.“ Es handele sich um einen Allerweltsspruch.

    Wie geht es nach den Urteilen für Höcke und die AfD weiter?

    Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Gegen das erste Urteil hat die Verteidigung bereits Revision beantragt, der Fall wird damit am Bundesgerichtshof weiterverhandelt. Dies wird auch für das zweite Verfahren erwartet. Höckes Anwälte wollen in den nächsten Tagen entscheiden, ob sie auch gegen das zweite Urteil Revision einlegen.
    Damit haben beide Urteile bis auf Weiteres auch keine rechtlichen Auswirkungen auch auf die Wählbarkeit Höckes oder sein aktives und passives Wahlrecht. Der Höcke ist Spitzenkandidat der AfD zur Thüringer Landtagswahl am 1. September.
    Für Höcke ist der zweite Prozess in Halle allerdings noch nicht der letzte. Das Landgericht Mühlhausen in Thüringen hat eine Anklage gegen den Politiker wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung zugelassen. Es geht um einen Telegram-Post von Höcke aus dem Jahr 2022 zu einer Gewalttat in Ludwigshafen und das angebliche Verhalten vieler Einwanderer. Verhandlungstermine stehen noch nicht fest.

    Welche weiteren Hintergründe zur Verurteilung Höckes gibt es?

    Schon 2006 hatte das Oberlandesgericht Hamm in einem Urteil festgestellt, dass die SA-Parole Alles für Deutschland" allgemein bekannt ist. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages zog in einem Gutachten den Schluss: Wer in einer Wahlkampfrede die Losung benutze, bewege sich ohne Zweifel im strafbaren Bereich.
    Extremismusforscher Professor Dierk Borstel von der FH Dortmund sagte: "Wir reden hier von einer der drei bekanntesten NS-Parolen, die in jedem Geschichtsbuch stehen." Dass Höcke, so Borstel weiter, "als Geschichtslehrer mit einem Schwerpunkt auf dem Nationalsozialismus" eine dieser drei Parolen nicht kennen wolle, sei aus seiner Sicht "nur begrenzt glaubwürdig.“ Höcke teste "die wehrhafte Demokratie aus", so Borstels Einschätzung.

    Redaktionell empfohlener externer Inhalt

    Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

    Im Kern gehe es um Holocaust-Relativierung und die Frage, ob der Nationalsozialismus etwas Negatives war. Die Grenzen dafür auszutesten, dies zu normalisieren, aus dieser Strategie mache Höcke auch kein Geheimnis, sagte Borstel. Im Gegenteil, Höcke schreibe darüber auch in seinen Büchern.
    Höcke wolle wieder so sprechen können, wie zur NS-Zeit gesprochen wurde und hoffe einen Umsturz, sagt der Soziologe Andreas Kemper. Er verweist darauf, wie wichtig die Sprache im Nationalsozialismus war. „Bei der rechten Sprache, wo es dann halt um eine Volk-Führer-Kombination geht, da geht’s ja gar nicht um demokratisches Argumentieren, sondern da geht‘s um Freund-Feind-Bestimmung“, sagt er.

    aha, mfied