Marina Schweizer: Ein Ausschluss ist heute bereits beschlossen: Eine deutsche Hotelkette hat nach Protesten dem Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke Hausverbot erteilt. Der Grund ist nach Angaben des Unternehmens auch hier Höckes Dresdener Rede vom Januar. Und über die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit hat er damals von "dämlicher Bewältigungspolitik" gesprochen. Das Hausverbot des Hotels gilt auch für den Bundesparteitag im April in Köln.
Wir wollen uns einmal in die Tiefen der Partei und ihrer Satzung hineindenken und einen langjährigen Beobachter und Kenner fragen, welche Aussichten dieses Verfahren denn nun tatsächlich hat. Björn Höcke sagt, er habe nicht gegen die Satzung verstoßen. Auch der Parteichef Jörg Meuthen kann nichts Justiziables erkennen. Haben die beiden recht? Das habe ich mit dem Journalisten Fabian Leber besprochen. Er kümmert sich beim Berliner "Tagesspiegel" um die AfD.
Fabian Leber: Das kann schon eine sehr, sehr knifflige Frage werden, denn in der Satzung heißt es ja, dass man der Partei schweren Schaden zufügen muss und dass man auch gegen die Satzung oder die Grundsätze der Partei verstoßen haben muss. Die Rede von Björn Höcke, die er in Dresden gehalten hat, die kann man auf verschiedene Arten lesen. Wenn man seinen Tonfall betrachtet, dann ist es völlig klar eigentlich, dass er eine geschichtsrevisionistische Rede hält, wenn man sich auch das gesamte Umfeld dieser Rede anschaut. Den einen Satz, der aber so stark in der Öffentlichkeit debattiert wird, wo er ja sagt, ein Holocaust-Mahnmal sei ein Denkmal der Schande, das sich die Deutschen da in die Mitte Berlins gesetzt hätten, wenn man diesen Satz isoliert sieht, dann wird es möglicherweise ein bisschen schwierig, einen Parteiausschluss damit zu rechtfertigen.
"Es geht darum, ob Höcke der Partei Schaden zugefügt hat"
Schweizer: Lassen Sie mich noch mal kurz auf diese Aussage zu sprechen kommen, die Sie gerade zitiert haben. Geht es denn tatsächlich nur um diese eine Aussage?
Leber: Es ist offenbar so, dass in dem AfD-internen Gutachten, das heute dem Parteivorstand vorlag, auch noch andere Dinge gegen Björn Höcke vorgebracht werden. Das ist insofern ganz interessant, als ihm da auch die Spaltung der Partei vorgeworfen wird. Das hat den Hintergrund, dass er in verschiedene Landesverbände tatsächlich versucht hat reinzuregieren, vor allem den in Baden-Württemberg bei der Listenaufstellung. Das sind allerdings eher parteiinterne Gründe, die auf den Konkurrenzkampf zwischen Petry und Höcke vor allem zurückzuführen sind, aber die könnten natürlich in dem Schiedsgerichtsverfahren schon eine Rolle spielen, denn es geht ja darum, ob er der Partei Schaden zugefügt hat. Und wenn man ihm nachweisen kann, dass er innerparteilich bestimmte Listenaufstellungen beeinflusst hat und da eigenständige Gruppen gebildet hat, dann ist das möglicherweise ein Ansatzpunkt für einen Parteiausschluss, ja.
"Es gibt eine starke Fraktion, die hinter Höcke stehen wird"
Schweizer: Lassen Sie uns noch mal etwas genauer auf diese Schiedsgerichte schauen. Sollte am Ende das Bundesschiedsgericht entscheiden, ist ja interessant, dass dieses schon einige wegweisende Entscheidungen zu verwandten Themen gefällt hat. Ich greife da jetzt mal eines heraus, dass die AfD-Saarland trotz Zusammenarbeit mit rechtsextremen Gruppen vorläufig bestehen bleiben konnte. Es ist ja bekannt, es gibt Höcke-Anhänger in den Schiedsgerichten. Wie entscheidend ist denn ihre Anzahl?
Leber: Bekannt ist jetzt vor allem, was das Bundesschiedsgericht betrifft, dass wir da zwei Kandidaten haben. Das Bundesschiedsgericht hat fünf Mitglieder. Ein Kandidat ist Eberhard Brett, der eine Veranstaltung auch zusammen moderiert hatte mit Höcke 2016 in Stuttgart. Da kann man schon eine enge Verbindung zu Höcke im Prinzip nachweisen. Es gibt noch einen anderen Richter dort in diesem Bundesschiedsgericht, Thomas Seitz aus Freiburg, der hatte zum Beispiel mal in einem Facebook-Post gesagt, Flüchtlinge sind aus seiner Sicht Invasoren.
Das deutet doch schon sehr stark darauf hin, dass es zumindest in dem Bundesschiedsgericht eine starke Fraktion gibt, die hinter Höcke stehen wird. Ich meine, wie dieses Verfahren dann am Ende ausgehen wird, das kann man im Moment nur spekulieren. Ich würde im Moment eher vermuten, dass ein Parteiausschluss nicht stattfinden wird, aber das hängt dann wirklich von der genauen Zusammensetzung des Gerichts ab und im Verfahren.
Schweizer: Was lässt Sie das dann vermuten?
Leber: Ich würde es im Moment eher nicht vermuten, wenn man sich die Rechtsprechung anschaut, die in der Vergangenheit da war. Es gab zum Beispiel noch einen sehr ähnlichen Fall eines brandenburgischen AfD-Politikers, Jan-Ulrich Weiß. Der wäre fast mal im brandenburgischen Landtag gelandet. Und gegen den hatte sogar Alexander Gauland, der jetzt gegen einen Ausschluss Höckes ist, gegen diesen Herrn Weiß hatte Alexander Gauland als Brandenburger AfD-Chef einen Parteiausschluss beantragt im vergangenen Jahr. Und zwar hatte dieser Herr Weiß eine antisemitische Karikatur auf Facebook gepostet. Dieser Parteiausschluss ist am Ende auch vor dem Bundesschiedsgericht gescheitert und da würde ich eine Parallele zu dem Fall Höcke sehen, vielleicht noch stärker als zu dem Fall im Saarland. Das sind schon relativ ähnliche Fälle und da sieht man, dass das Bundesschiedsgericht wohl eher davor zurückschreckt, so einen Ausschluss dann am Ende auch zu beschließen.
"Petry wäre erheblich beschädigt"
Schweizer: Die AfD-Co-Vorsitzende Frauke Petry, die ist ja jetzt offen für einen Ausschluss Höckes. Wie beschädigt wäre sie denn, wenn es nicht klappt?
Leber: Erheblich beschädigt. Sie ist ja ohnehin innerparteilich unter Druck. Ihr Ziel war es, eine alleinige Spitzenkandidatur zu erreichen. Dieses Ziel ist gescheitert; bei einer Mitgliederbefragung vor einer Woche hatten die Mitglieder entschieden, dass es eine Doppelspitze geben soll. Sie geht in diese Auseinandersetzung schon relativ geschwächt hinein. Und man muss auch sehen, dass sie bei dem Parteitag in Essen 2015, wo sie gewählt wurde, nur mit Unterstützung des Höcke-Flügels gewählt wurde, und diese Unterstützung bricht ihr jetzt dann weg. Man muss auch sehen, dass zum Beispiel Alexander Gauland, der nach wie vor eine sehr wichtige Rolle in der AfD wahrnimmt, sich nun völlig hinter Höcke gestellt hat, und ich glaube, ohne diesen ostdeutschen Flügel innerhalb der AfD wird Petry nicht auf Dauer politisch überleben können.
"Wenn Höcke in der Partei bleibt, kann das zu einer weiteren Zerreißprobe führen"
Schweizer: Was würden Sie denn sagen ist mit Blick auf die Wählerbasis für die Partei dann bedenklicher, wenn Höckes Anhänger jetzt enttäuscht werden, oder wenn man ihn weiter mitschleppt, um das Ganz-Rechtsaußenspektrum abzudecken?
Leber: Ich glaube schon, dass die Diskussion um Höcke und auch das, was er gesagt hat, und der ständige Verdacht, dass die AfD doch einen starken rechtsextremen Flügel hat, dass das der Partei sehr stark schadet. Man kann ja in den Umfragen auch im Moment sehen, dass da die Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen. Die Umfragen gehen sogar teilweise zurück. Das mag nicht nur an der Diskussion um Höcke liegen, aber es gibt offenbar schon viele Leute, die sagen, sie wollen vielleicht gegen die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin stimmen, aber sie gehen nicht mit der AfD d'accord, weil die ihnen zu radikal ist.
Insofern glaube ich, wenn Höcke in der Partei bleibt, dass das zu einer weiteren Zerreißprobe führen kann und dass das der AfD möglicherweise doch sehr stark schaden wird.
Schweizer: Nun beobachten Sie die Partei und die taktischen Schachzüge schon eine ganze Weile. Ist es für Sie auch vorstellbar, dass das Ganze Verfahren jetzt eine Nebelkerze ist und es in Wahrheit allein um Symbolwerte geht?
Leber: Das kann ich mir schwer vorstellen, weil dieser Flügel, der hinter Björn Höcke steht, möglicherweise zahlenmäßig nicht so groß ist, aber doch einen starken Einfluss innerhalb der Partei hat, und ich glaube, dass diese Anhänger nun schon kampfbereit sind, dass sie auch enttäuscht sind, dass da inzwischen die Messer gewetzt werden, und ich kann mir kaum vorstellen, dass man in dieses Wahljahr reingehen will bei der AfD mit einem mutwillig geführten Konflikt. Ich glaube schon, dass am Ende Frauke Petry jetzt die letzte Möglichkeit gesehen hat, um sich ihres Widersachers zu entledigen.
Schweizer: Die Einschätzung von Fabian Leber, der für den Berliner "Tagesspiegel" die AfD beobachtet.
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