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BKA-Gesetz
"Bundesverfassungsgericht hat Grundrechte gestärkt"

Die SPD-Politikerin Eva Högl hat begrüßt, dass das Bundesverfassungsgericht Teile des BKA-Gesetzes im Bereich der Terrorabwehr für verfassungswidrig erklärt hat. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende plädierte dafür, dass BKA-Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu überarbeiten.

Eva Högl im Gespräch mit Bettina Klein |
    Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Eva Högl.
    Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Eva Högl. (picture alliance/dpa - Soeren Stache)
    Es sei zwar richtig , dass das BKA präventive Befugnisse bekomme, um auch im Vorfeld bei der Terrorabwehr eingreifen zu können, dennoch müssten die bemängelten Punkte wie Datenweitergabe an andere und ausländische Behörden, im Gesetz verändert werden, sagte Högl.
    Wenn das BKA Daten an ausländische Behörden weitergebe, dann müssten "ausländische Behörden sich an Rechtsstaat, Demokratie und Menschenrechte halten", sagte Högl. Zur Datenweitergabe an inländische Behörden sagte sie: "Wenn das Bundeskriminalamt die Daten erhoben hat nach bestimmten Voraussetzungen, dann müssen die Daten nach diesen Voraussetzungen auch von den anderen Behörden, die die Daten erhalten, erfüllt sein."
    Obwohl die SPD an der Ausarbeitung des BKA-Gesetzes beteiligt war, begrüßte Högl das Urteil: "Damit muss man selbstbewusst umgehen, dass man so ein Urteil bekommt. Auch in den Reihen der SPD gab es Kritik. Da fühlen wir uns jetzt ein bisschen bestätigt vom Bundesverfassungsgericht."
    Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte am Mittwoch das BKA-Gesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat nun bis Ende Juni 2018 Zeit, das Gesetz zu korrigiern. Die beiden Verfassungsbeschwerden (Az. 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09) wurden unter anderem von Gerhart Baum (FDP), dem früheren Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD) sowie von einigen Grünen-Politikern eingereicht.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Mitgehört hat die SPD-Politikerin Eva Högl. Sie ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende und dort zuständig für den Bereich Inneres. Guten Morgen, Frau Högl.
    Eva Högl: Schönen guten Morgen.
    Klein: Sie konnten, hoffe ich, mithören, was André Schulz uns hier gesagt hat.
    Högl: Ja, ich habe mitgehört.
    Klein: Sie haben die Kritik des Bundesinnenministers auch gehört. Die SPD hat ja seinerzeit das Gesetz auch mit getragen. Stimmen Sie denn da zu, dass das jetzt ein großer Eingriff in die Terrorabwehr ist?
    Högl: Nein, da stimme ich nicht zu, denn das Bundesverfassungsgericht hat ja ganz deutlich in seinem Urteil zum Ausdruck gebracht, dass es richtig ist, und daran grundsätzlich auch keine Kritik geübt, dass das Bundeskriminalamt jetzt mit diesem BKA-Gesetz sogenannte präventive Befugnisse bekommt, also nicht nur bei der Verfolgung von Straftätern tätig werden darf, sondern auch schon im Vorfeld bei der Prävention bei der Terrorabwehr. Das ist eine ganz wichtige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und ich begrüße das ausdrücklich, dass das Bundesverfassungsgericht die Grundrechte stärkt. Deswegen finde ich das Urteil richtig prima und es ist vor allen Dingen ausgewogen in weiteren Details auch.
    "Noch in dieser Legislaturperiode überarbeiten"
    Klein: Aber dennoch muss es ja verändert werden. Der Gesetzgeber hat jetzt zwei Jahre Zeit. Und Ihre Partei, die SPD, hat es ja mit getragen. Im Grunde genommen haben ja auch Sie eine Schlappe kassiert gestern?
    Högl: Ganz genau so ist das, und da muss man auch selbstbewusst mit umgehen, denn dafür haben wir ja das Bundesverfassungsgericht, dass es natürlich auch dem Gesetzgeber mal auf die Finger schaut. Das Gesetz ist im November 2008 beschlossen worden, ja auch mit den Stimmen der SPD. Das war nämlich die Große Koalition. Und auch in den Reihen der SPD gab es ja damals schon Kritik auch an einzelnen Teilen des Gesetzes. Da fühlen wir uns jetzt ein bisschen bestätigt vom Bundesverfassungsgericht.
    Unser Auftrag im Deutschen Bundestag ist jetzt folgender: Wir haben die Frist bis zum 30. Juni 2018, das Gesetz zu überarbeiten, und ich möchte sehr gerne - und ich denke, das wird der Bundesinnenminister auch so sehen - noch in dieser Legislaturperiode das Gesetz überarbeiten und nicht bis 2018 warten, sondern schnell die Vorgaben des Verfassungsgerichts umsetzen und das Gesetz überarbeiten.
    Klein: Auf die Einzelheiten, was Sie verändern werden, komme ich gleich noch. Ich würde gerne noch bei dem Punkt bleiben. Kritiker sagen jetzt auch, weshalb müssen eigentlich Gerichte so oft, weshalb muss das Bundesverfassungsgericht jeweils Regierung und Parlament immer wieder erklären, was erlaubt ist und was nicht?
    Högl: Nun ja, das ist die normale Balance zwischen den jeweiligen Kräften in unserer Demokratie. Das ist ganz richtig und ausgewogen alles. Wir haben die Exekutive, die für die Umsetzung der Gesetze zuständig ist. Wir sind im Bundestag die Legislative, wir machen die Rahmenbedingungen, wir formulieren die Gesetze. Und dann haben wir das Bundesverfassungsgericht oder grundsätzlich die Judikative, die darauf achtet. Ich finde das überhaupt nicht problematisch, dass das Verfassungsgericht sich über ein Gesetz beugt und uns, dem Gesetzgeber, auch Hinweise gibt.
    Klein: Aber, Frau Högl, jedes Gesetz wird ja auch den Hausjustiziaren vorgelegt, jedenfalls im Bundestag. Es ist dann schon erstaunlich, dass man da jeweils zu so unterschiedlichen Einschätzungen kommt.
    Högl: Das ist ja so, dass Juristinnen und Juristen auch sehr viele unterschiedliche Auffassungen haben. Es gibt ja den Spruch, zwei Juristen, 25 Meinungen. Das ist immer auch eine Interpretationsfrage. Zum Beispiel: Das Bundesverfassungsgericht sagt jetzt, die Gefahren müssen konkretisiert werden. Das ist zu abstrakt formuliert im Gesetz. Oder das Verfassungsgericht sagt, wir müssen die Verhältnismäßigkeit bei den einzelnen Maßnahmen stärker berücksichtigen. Das sind alles Abwägungsfragen, die 2008 der Gesetzgeber anders entschieden hat und die jetzt das Bundesverfassungsgericht anders sieht. Und wenn Sie sehen, dass es auch drei Gegenstimmen gab und auch zwei abweichende Voten, dann sehen Sie, dass sogar im Bundesverfassungsgericht die Richterinnen und Richter auch unterschiedlicher Auffassung waren. Das ist ganz normal bei juristischen Fragen.
    "Ausländische Behörden müssen sich an Rechtsstaat halten"
    Klein: Frau Högl, jetzt geben Sie uns noch mal ein Beispiel. Wenn jetzt, wie Sie hoffen, in der Legislaturperiode man sich ranmacht und das Gesetz jetzt korrigiert oder verändert. Bleiben wir bei dem Beispiel, das ich mit André Schulz gerade besprochen habe, nämlich Datenweitergabe zwischen Sicherheitsbehörden. Das war zu überdehnt. Sagen Sie uns konkret, wie das jetzt verändert werden kann, um den Vorgaben aus Karlsruhe gerecht zu werden.
    Högl: Ja! Da helfen uns die Vorgaben aus Karlsruhe ganz wunderbar, weil sie nämlich sehr konkret sind. Bei der Datenweitergabe gibt es zwei Vorgaben aus Karlsruhe. Das ist einmal, dass die Datenweitergabe an ausländische Sicherheitsbehörden den grundsätzlichen Voraussetzungen folgen muss, die wir auch in Deutschland für die Erhebung der Daten haben, und insbesondere hat das Verfassungsgericht gesagt, ausländische Behörden müssen sich auch an Rechtsstaat und Demokratie halten und insbesondere Menschenrechte berücksichtigen.
    Ein zweites Beispiel: Das Bundesverfassungsgericht hat auch gesagt, wenn die Daten an andere Behörden weitergegeben werden, dann muss es den Voraussetzungen folgen, die auch für die Erhebung der Daten gegolten haben. Sprich: Wenn das Bundeskriminalamt die Daten erhoben hat nach bestimmten Voraussetzungen, dann müssen die Daten nach diesen Voraussetzungen auch von den anderen Behörden, die die Daten erhalten, erfüllt sein. Das sind zwei ganz konkrete Vorgaben, die wir, glaube ich, sehr gut in einer Überarbeitung des Gesetzes auch umsetzen können.
    Klein: Abschließend, Frau Högl, gibt es noch Gesprächsbedarf zwischen Ihnen und Ihrem Koalitionspartner, oder sind die Grenzen aus Karlsruhe jetzt so eng, dass da gar kein Raum mehr für Diskussionen bleibt?
    Högl: Nein, da bleibt noch genügend Raum für Diskussion in der Koalition. Wir sind hier gerade zusammen in Rust in Baden-Württemberg mit den Spitzen der Fraktionen und unterhalten uns gleich auch über Sicherheitspolitik. Da werde ich das Thema natürlich auch schon mal ansprechen, mit den Kollegen diskutieren. Und am Montag treffen wir uns mit Bundesinnenminister de Maizière. Der muss ja einen überarbeiteten Vorschlag vom Bundeskriminalamtsgesetz vorlegen. Und das werden wir in der Koalition sicherlich auch konzentriert und trotzdem mit der nötigen Geschwindigkeit auch auf den Weg bringen, damit wir noch in dieser Legislaturperiode ein neues BKA-Gesetz verabschieden können.
    Klein: Eva Högl, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag und dort für Innenpolitik zuständig. Danke Ihnen, Frau Högl, für das Interview heute Morgen.
    Högl: Ich danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.