Es geht mal wieder um die kleinen Bausteine, die dafür sorgen, dass der Mensch fünf Finger an seiner Hand hat und die Giraffe einen langen Hals. Gene lassen die Arten im Tierreich eben unterschiedlich aussehen - soviel ist Genforschern schon seit langem bekannt. Eines nur bereitete ihnen bislang Kopfzerbrechen: Denn meisten Gene kommen in allen Lebewesen gleichermaßen vor:
"Dass Organismen sich genetisch unterscheiden, ist seit langem bekannt. Wie sie sich genetisch unterscheiden, ist vollkommen unbekannt und wir wussten, dass Organismen einen großen Teil an gemeinsamen molekularen Schaltern haben, deren unterschiedliches An- oder Abschalten mit dafür verantwortlich ist, dass Organismen unterschiedlich ausschauen."
So Professor Thomas Bosch vom Zoologischen Institut der Kieler Christian-Albrechts-Universität:
"Stellen Sie sich den Satz an Genen eines Organismus wirklich wie einen Lego-Kasten vor. Dort gibt es Ziegelsteine, aus denen wird das Haus gemacht, und jetzt müssen Sie aber noch eine Komplikation zulassen, nämlich Jemanden, der weiß, wie die Steine in welcher Reihenfolge hingesetzt werden."
Doch wer ist dieser Jemand, der die Gene so oder anders anordnet - fragten sich die Biologen bisher. Seit 30 Jahren forschen die Kieler Zoologen an der Hydra - zu Deutsch: Süßwasserpolyp. Das ist ein meist grünlich-transparent aussehendes Kleinstlebewesen mit unterschiedlich vielen Fangarmen, auch Tentakeln genannt. Die Hydra gehört zu den Nesseltieren, einem der ältesten Tierstämme der Welt. In diesen Tierchen fanden die Forscher bestimmte Gene - auch "verwaiste Gene" genannt. So nennt man Gene, die nur in dieser Tiergruppe vorkommen. Auf den ersten Blick scheinen diese keinerlei Funktion zu haben:
"Nun weiß der heutige Molekularbiologe von allen Organismen praktisch alle Steine - alle Lego-Steine. Und er hat gefunden, dass ein gewisser Teil - fünf bis zehn Prozent - der Steine gibt es nur in diesem Organismus und in keinem anderen. Und die lässt man erst mal weg, weil es sind ja nur fünf bis zehn Prozent und die ignoriert man erst mal."
Doch diesmal schauten die Experten genauer hin, denn schließlich gilt in der Natur die eiserne Regel: Nichts ist umsonst! Also müssen auch diese genetischen Bausteine einen Sinn haben. Doch wie bringt man Gene, die nichts tun, dazu, etwas zu tun? Wissenschaftlicher Mitarbeiter Konstantin Khalturin verpflanzte ein solches "verwaistes" Gen von einem Tierchen in ein anderes. Die Überraschung war perfekt:
"Wir haben gemerkt, dass in einer Spezies ein Protein in den Tentakeln produziert wird und in der anderen nicht, sondern zum Beispiel im Kopf, wo es keine Funktion hat. Wir nehmen ein Gen und dann kann man diese DNA-Säure ins Ei bringen und in die Tentakel integrieren und es wird dort wirken. Und dann sehen wir plötzlich: Statt fünf Tentakeln gleichzeitig bekommen wir nur zwei Tentakeln gleichzeitig."
Die verwaisten Gene steuern also bei allen Tieren die Entwicklung der Körperform. Dies könnte sogar die Erklärung für die Entstehung unterschiedlicher Arten im Tierreich sein - da sind sich die Forscher ziemlich sicher. Die neuen Erkenntnisse legen nahe, dass die Anpassung an bestimmte Lebensräume, die zur Entwicklung der Arten geführt hat, auch von diesen "verwaisten" Genen abhängt. Sollte diese Annahme zutreffen, so wäre das ein wesentlicher Fortschritt im Verständnis der Evolution. Doch neben den Evolutionsmechanismen entdeckten die Biologen noch etwas anderes:
"Dann haben wir diese "verwaisten" neuen Eiweißmoleküle herausgenommen, in großer Menge hergestellt und gefragt: Können die
auch gegen Bakterien des Menschen wirksam sein? Und haben mit großem Erstaunen festgestellt, dass Bakterien des Menschen besonders anfällig sind gegen diese, aus der Hydra isolierten antimikrobiellen Peptide."
Peptide sind Eiweißketten, die von den verwaisten Genen kodiert werden. Daraus ergeben sich Chancen für die Entwicklung neuer Therapien wie zum Beispiel neuer Antibiotika gegen besonders resistente Bakterien. Dies sei jedoch eine der fernen Zukunftsvisionen, so die Experten. In erster Linie bedeute die Entdeckung für die Genetiker, dass das Buch namens Evolutionsbiologie nun um ein entscheidendes Kapitel reicher geworden ist.
"Dass Organismen sich genetisch unterscheiden, ist seit langem bekannt. Wie sie sich genetisch unterscheiden, ist vollkommen unbekannt und wir wussten, dass Organismen einen großen Teil an gemeinsamen molekularen Schaltern haben, deren unterschiedliches An- oder Abschalten mit dafür verantwortlich ist, dass Organismen unterschiedlich ausschauen."
So Professor Thomas Bosch vom Zoologischen Institut der Kieler Christian-Albrechts-Universität:
"Stellen Sie sich den Satz an Genen eines Organismus wirklich wie einen Lego-Kasten vor. Dort gibt es Ziegelsteine, aus denen wird das Haus gemacht, und jetzt müssen Sie aber noch eine Komplikation zulassen, nämlich Jemanden, der weiß, wie die Steine in welcher Reihenfolge hingesetzt werden."
Doch wer ist dieser Jemand, der die Gene so oder anders anordnet - fragten sich die Biologen bisher. Seit 30 Jahren forschen die Kieler Zoologen an der Hydra - zu Deutsch: Süßwasserpolyp. Das ist ein meist grünlich-transparent aussehendes Kleinstlebewesen mit unterschiedlich vielen Fangarmen, auch Tentakeln genannt. Die Hydra gehört zu den Nesseltieren, einem der ältesten Tierstämme der Welt. In diesen Tierchen fanden die Forscher bestimmte Gene - auch "verwaiste Gene" genannt. So nennt man Gene, die nur in dieser Tiergruppe vorkommen. Auf den ersten Blick scheinen diese keinerlei Funktion zu haben:
"Nun weiß der heutige Molekularbiologe von allen Organismen praktisch alle Steine - alle Lego-Steine. Und er hat gefunden, dass ein gewisser Teil - fünf bis zehn Prozent - der Steine gibt es nur in diesem Organismus und in keinem anderen. Und die lässt man erst mal weg, weil es sind ja nur fünf bis zehn Prozent und die ignoriert man erst mal."
Doch diesmal schauten die Experten genauer hin, denn schließlich gilt in der Natur die eiserne Regel: Nichts ist umsonst! Also müssen auch diese genetischen Bausteine einen Sinn haben. Doch wie bringt man Gene, die nichts tun, dazu, etwas zu tun? Wissenschaftlicher Mitarbeiter Konstantin Khalturin verpflanzte ein solches "verwaistes" Gen von einem Tierchen in ein anderes. Die Überraschung war perfekt:
"Wir haben gemerkt, dass in einer Spezies ein Protein in den Tentakeln produziert wird und in der anderen nicht, sondern zum Beispiel im Kopf, wo es keine Funktion hat. Wir nehmen ein Gen und dann kann man diese DNA-Säure ins Ei bringen und in die Tentakel integrieren und es wird dort wirken. Und dann sehen wir plötzlich: Statt fünf Tentakeln gleichzeitig bekommen wir nur zwei Tentakeln gleichzeitig."
Die verwaisten Gene steuern also bei allen Tieren die Entwicklung der Körperform. Dies könnte sogar die Erklärung für die Entstehung unterschiedlicher Arten im Tierreich sein - da sind sich die Forscher ziemlich sicher. Die neuen Erkenntnisse legen nahe, dass die Anpassung an bestimmte Lebensräume, die zur Entwicklung der Arten geführt hat, auch von diesen "verwaisten" Genen abhängt. Sollte diese Annahme zutreffen, so wäre das ein wesentlicher Fortschritt im Verständnis der Evolution. Doch neben den Evolutionsmechanismen entdeckten die Biologen noch etwas anderes:
"Dann haben wir diese "verwaisten" neuen Eiweißmoleküle herausgenommen, in großer Menge hergestellt und gefragt: Können die
auch gegen Bakterien des Menschen wirksam sein? Und haben mit großem Erstaunen festgestellt, dass Bakterien des Menschen besonders anfällig sind gegen diese, aus der Hydra isolierten antimikrobiellen Peptide."
Peptide sind Eiweißketten, die von den verwaisten Genen kodiert werden. Daraus ergeben sich Chancen für die Entwicklung neuer Therapien wie zum Beispiel neuer Antibiotika gegen besonders resistente Bakterien. Dies sei jedoch eine der fernen Zukunftsvisionen, so die Experten. In erster Linie bedeute die Entdeckung für die Genetiker, dass das Buch namens Evolutionsbiologie nun um ein entscheidendes Kapitel reicher geworden ist.