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Black Metal in Ostdeutschland
"Die Leute waren ganz schön verstört"

Im Jahr 1990 kam der Black Metal zum ersten Mal in die ehemalige DDR - und zwar in Form der norwegischen Band Mayhem. Organisiert hat die Konzerte Abo Alsleben, der über diese Zeit ein Buch geschrieben hat: "Mayhem live in Leipzig – Wie ich den Black Metal nach Ostdeutschland brachte".

Abo Alsleben im Corsogespräch mit Raphael Smarzoch |
Auf dem Bild ist die Black Metal Band Mayhem zu sehen. Auf dem Foto sind nur ihre Köpfe zu sehen
Noch immer aktiv: Die Black Metal Band Mayhem (Stefan Raduta)
"Sowas gab es bis dahin nicht – die Leute waren schon ganz schön verstört", beschreibt Abo Alsleben in seinem Buch "Mayhem live in Leipzig – Wie ich den Black Metal nach Ostdeutschland brachte" die ersten drei Konzerte der norwegischen Metalband 1990 in der ehemaligen DDR. Alsleben hat diese Konzerte von Mayhem organisiert und war auch in die Veranstaltung der Konzerte eingebunden – unter anderem besorgte er Utensilien für die provokante Live-Performance der Band.
Schockierende Live-Performance
"Wir haben die Schweinsköpfe gekauft, haben die auf die Bühne gestellt und das sorgte schon für ein paar schräge Blicke", erzählt der Buchautor Alsleben im Deutschlandfunk. "Aber als dann Sänger Dead anfing, sich den Unterarm mit einem Messer aufzuschlitzen, da haben die Leute dann schon gedacht: 'Oh, hier findet gerade etwas statt, das ich nicht verstehe. Muss das denn sein?'"
Die Band pflegte ihr provokantes Image als "böseste Band der Welt", habe sich aber privat ganz anders gegeben, so Alsleben.
"Der Kopf der Band, Euronymous, hat es gemocht, mit der Musik zu provozieren. Ansonsten war er ein ganz lieber Typ, ein netter und nachdenklicher Mensch. Das düstere Image war eher aufgesetzt."
Überraschende Erfahrungen im Nachwende-Leipzig
Das zeigte sich schon bei der Ankunft der Band 1990 in Leipzig. Die jungen Musiker aus dem wohlhabenden Norwegen seien einigermaßen verstört gewesen, als sie von Alsleben im Nachwende-Leipzig in einem besetzten Haus untergebracht wurden. Drei Tage vor dem Mayhem-Konzert hatte ein Neonazi-Angriff auf das Haus stattgefunden, den die Bewohnerinnen und Bewohner zwar abgewehrt hatten, rund um das Haus habe aber bei Ankunft der Band nach wie vor Alarmbereitschaft geherrscht. "Die Leute von Mayhem waren richtig ängstlich", beschreibt Alsleben die Stimmung in den Tagen vor dem Konzert.
Im Lauf der 90er-Jahre, nach dem Selbstmord von Mayhem-Sänger Dead, radikalisierte sich ein Teil der norwegischen Black-Metal-Szene um Mayhem-Mitglied Euronymous – der Musiker "drehte ab", so Alsleben. Seine Gefolgschaft versuchte sich mit schockierenden Aktionen zu überbieten: 1992 kam es zu mehreren Kirchenbrandstiftungen durch Black-Metal-Fans, dem Mord an einem Homosexuellen und schließlich zum Mord an Euronymous im Jahr 1993.
Gleichzeitig nahm Abo Alsleben auch eine rechte Radikalisierung in seiner Heimat, Leizig, wahr: "Die Montagsdemonstrationen, die damals noch stattfanden, waren nicht mehr die Demonstrationen, wo für das Ende der DDR-Diktatur demonstriert wurde, sondern für die Einheit Deutschlands. Es gab viele Faschisten in den ersten Reihen der Montagsdemonstrationen."
Abo Alsleben jedenfalls brachte zwei Welten zusammen: Norwegischer Black-Metal und das Ostdeutschland nach dem Mauerfall. In beiden dieser Sphären kam es Anfang der 90er – unabhängig voneinander – zu bedenklichen Radikalisierungen hin zum Rechtsextremismus. Im Rückblick resümmiert Alsleben in seinem Buch, Blackmetal sei ein wunderbares Ventil, um den ganzen Hass, die Enttäuschungen, die Verrate loszuwerden. Vielleicht aber ja auch eines, das den Frust in eine falsche Richtung lenkte, nämlich in eine, die, so Alsleben, "ich und auch Mayhem so nie vorausgesehen haben."
Äußerungen unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Abo Alsleben: "MAYHEM live in Leipzig: Wie ich den Black Metal nach Ostdeutschland brachte"
bookra Verlag Leipzig, 2020. 155 Seiten, 20 Euro.