Archiv

Black Movement Project
Bibliothek für Tänze

Das "Black Movement Project" digitalisiert die Bewegungen von schwarzen Tänzern und speichert die Daten in einem Archiv. Künstlerin LaJuné McMillian will damit der afro-amerikanischen Kultur mehr Sichtbarkeit geben und den Diebstahl von Tänzen in Videospielen unterbinden.

Von Dennis Kastrup |
Die ivorische Tanzgruppe "Les pieds dans la mare" mit ihrem Stück "Ma vie en rose" zu Gast in Berlin-Spandau.
Tänzerinnen der ivorischen Gruppe "Les pieds dans la mare" (Patryk Sebastian Witt )
"Ich habe mich auf die digitale Darstellung von Bewegungen schwarzer Menschen fokussiert. In dem Zusammenhang spreche ich aber nicht über Themen wie Ausbeutung, Aneignung und Ausradierung ihrer Kultur. Ich habe mich dazu entschlossen, die Tänze in einer Bibliothek zu archivieren. Damit werden die Leute und Gemeinschaften gewürdigt, die zu dieser Kultur beitragen."
Eine umgebaute Fabrikhalle in Brooklyn. "Pioneer Works" nennt sich das alte Gebäude, in dem LaJuné McMillian für mehrere Wochen eine Künstlerresidenz hat. Die US-Amerikanerin sitzt vor ihrem Laptop. Eine Art Strichmännchen bewegt sich über den Bildschirm. Es bildet die Bewegungen einer echten schwarzen Person ab, die für das "Black Movement Project" digitalisiert wurden. Ein bekanntes Videospiel hat McMillian auf die Idee gebracht.
Geklaute Tänze
"Bei Fortnite haben die Entwickler viele kulturell wichtige Tänze geklaut und die Namen der Tänzer geändert. Danach haben sie die Tänze an die Spieler verkauft. Die Tänze tragen jetzt also nicht mehr den eigenen Namen. Sie werden an Kinder verkauft, die glauben, dass es "Fortnite"-Tänze sind."
Das Aneignen schwarzer Musik und Tänze existiert seit Beginn der Popkultur. Elvis Presley ist nur ein Beispiel. Meistens profitierten weiße Musikerinnen und Musiker von dem Diebstahl schwarzer Kultur. McMillian will das ändern, indem sie die Tänze archiviert, sichtbar macht und so seinen Urhebern zuordnet. So hat sie zwei Tänzer gebeten, ihre eigens kreierten Tänze für sie aufzuführen: Nala Duma ist selber Musiker und hat zu seinem Soundtrack getanzt. Renaldo Maurice hat sich die Musik von einem Produzenten schreiben lassen.
"Bei dem Projekt benutze ich den so genannten "Perception Neuron" Anzug, der die Bewegungen des Trägers einfängt. Es gibt kleine Chips, die sich Neuronen nennen. Die werden an verschiedenen Stellen des Körpers angebracht. Sie kommunizieren miteinander, zeichnen so ein tanzendes Skelett und senden es per WIFI an den Computer."
Verkaufte Tänze
Dort wird es dann noch bearbeitet und mit einem virtuellen Körper besetzt. Das lässt den Avatar realer erscheinen. Als Inspiration für ihr Projekt nennt McMillian immer wieder Katherine Dunham. Die Anthropologin war selber auch Tänzerin, Choreografin, Autorin und Aktivistin. Sie bereiste in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Karibik, um Bewegungen verschiedener Kulturen zu archivieren. Seitdem haben sich die technologischen Möglichkeiten stark verbessert. Man kann sich mittlerweile online durch Archive von digitalen Avataren wühlen und diese sogar für eigene Computeranwendungen käuflich erwerben. McMillian findet die gebotene Auswahl aber eher einseitig.
"Es gibt zwar bereits Bewegungsbibliotheken, aber die dort gesammelten Bewegungen reflektieren nicht die Diversität der Menschen, wie unterschiedlich Menschen sich bewegen. Also entschloß ich mich, diesen Bereich auszubauen."
Um die Tänze und ihre Entstehung besser zu verstehen, hat sie sich dazu entschlossen, die beiden Tänzer über einen Zeitraum von sechs Monaten kennen zu lernen. Während sie die Bewegungen digitalisierte, stellte sie ihnen Fragen: Wie sehen sie ihren Weg als Tänzer, was bedeutet es, sich im Alltag zu bewegen und welche Rolle spielen ihre Tänze für ihre Identität? Die Antworten hat sie aufgenommen und in einer Musikcollage verarbeitet, die als Soundtrack einer Tanz-Performance diente.
"Ich will, dass sich die Leute bewusst machen, wie ihre Bewegungen die Welt um sie herum beeinflussen. Das gilt auch anders herum. Außerdem will ich, dass die Menschen sich mit dem Projekt selber beschützen können: also wer sie sind und was ihre Identitäten sind."
Tänze unter Verschluss
Ein Aspekt davon ist, dass McMillian ihre digitalisierten Tänze derzeit noch nicht zum Verkauf anbietet.
"Ich will sicherstellen, dass die Tänzer voll entschädigt werden. Ich kann nämlich schon vorhersehen, dass es da große Firmen geben wird, die versuchen werden, die Daten der Bewegungen kommerziell zu nutzen. Wenn sie das aber machen wollen, dann müssen sie schon mehr zahlen wie bei einem gewöhnlichen Künstler."
Bis dahin bleibt das "Black Movement Project" aber erst einmal unter Verschluss für den Markt. Es dient einzig und allein als Dokumentation afroamerikanischer Tänze. McMillian erhofft sich durch ein wachsendes Archiv außerdem mehr Sichtbarkeit und Respekt für die Tänzer und ihre Kultur. Die Bewegungen der Körper sollen also eine gesellschaftliche Bewegung im Sinne eines Umdenkens auslösen.