Seit der Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof in Islamabad im Revisionsprozess gegen Asia Bibi wächst bei der Familie der 49 Jahre alten Frau die Hoffnung auf einen Freispruch oder wenigstens auf eine Abmilderung des Urteils. Asia Bibi gehört der christlichen Minderheit in Pakistan an und war vor acht Jahren wegen angeblicher Blasphemie zum Tode verurteilt worden. Muslimische Nachbarn hatten die Mutter von vier Kindern beschuldigt, sie habe sich abschätzig über den Islam geäußert. Für solche Vergehen sieht das pakistanische Blasphemie-Gesetz die Todesstrafe vor. Allein der Vorwurf schürt in Pakistan heftige Emotionen. In zahlreichen Fällen wurden Beschuldigte von aufgebrachten Mobs zu Tode geprügelt.
Anzeige nach Streit mit den Nachbarn
Joseph Francis, ein pakistanischer Menschenrechtsaktivist und Direktor des Zentrums für Rechtshilfe in Islamabad, hofft auf ein baldiges Ende des Verfahrens:
"Der Fall Asia Bibi hat im Jahr 2009 begonnen. Jetzt haben wir das Jahr 2018. Das heißt, seit neun Jahren leiden ihre Kinder, leidet ihre Familie und auch Asia Bibi leidet, denn sie sitzt seit neun Jahren im Gefängnis."
Was damals zu den Vorwürfen geführt hat, ist nach wie vor unklar. Pakistanischen Medienberichten zufolge, hatten sich die muslimischen Nachbarn der Katholikin geweigert, Wasser aus einem Glas zu trinken, das von Asia Bibi berührt worden war. Daraufhin habe sie sich abschätzig geäußert. Anderen Medienberichten zufolge hatte es einen Nachbarschaftsstreit über etwas ganz anderes gegeben und die Vorwürfe gegen Asia Bibi seien aus der Luft gegriffen.
Wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem Bericht über Pakistan feststellte, werden Blasphemie-Vorwürfe häufig genutzt, um persönliche oder politische Streitigkeiten zu regeln. Durch das Blasphemie-Gesetz werde die Rechtsstaatlichkeit des Landes ausgehebelt, sagt die pakistanische Menschenrechtsaktivistin, Tahira Abdullah:
Drohungen der islamistischen Partei
"Der Fall Asia Bibi ist extrem wichtig, denn es gibt sehr viele Fälle, die bei den Gerichten anhängig sind, gegen muslimische und nicht-muslimische Staatsbürger. Wir stellen fest, dass, wenn Vorwürfe erhoben werden, ob falsche oder richtige, dann entsteht ein Chaos, aufgebrachte Mobs nehmen das Recht in die eigene Hand und versuchen ihre Vorstellung von Recht durchzusetzen, manchmal brennen sie ganze Dörfer nieder."
Noch steht die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Islamabad aus, doch hat die radikal-islamische Partei, Tehreek-e-Labbaik Pakistan (TLP), bereits vor - so wörtlich - schwerwiegenden Konsequenzen gewarnt. Die Islamistengruppe verlangt die sofortige Exekution Asia Bibis und warnte die Obersten Richter vor einem Einlenken unter dem Druck sogenannter "anti-pakistanischer" Nichtregierungsorganisationen in Europa. Sollte das Gericht Zugeständnisse machen oder versuchen, Asia Bibi ins Ausland zu schicken, werde das Konsequenzen nach sich ziehen, hieß es.
"Nicht einfach das Recht in die eigene Hand nehmen"
Die Islamistengruppe hat bereits in der Vergangenheit bei Gerichtsentscheidungen oder politischen Initiativen zur Abschwächung des umstrittenen Blasphemie-Gesetzes, Proteste und Straßenblockaden organisiert. Im November vergangenen Jahres waren im Zuge solcher gewalttätigen Proteste sieben Menschen getötet und über 200 verletzt worden.
Im Vorfeld hatte der Fall eines jungen Mädchens mit geistiger Behinderung in Pakistan Aufsehen erregt. Sie soll ein Koran-Buch geschändet haben, so lautete der Vorwurf, nachdem im Müll, den das Mädchen vor die Tür gebracht hatte, angeblich verbrannte Seiten des Korans gefunden wurden. Ein großer Teil der christlichen Bevölkerung des Dorfes war daraufhin geflohen, obwohl ein Sprecher der Allianz der Minderheiten Pakistans versucht hatte, zu schlichten:
"Kein Christ würde doch einen Koran schänden oder den Propheten beleidigen. Sollte das doch passieren, Gott bewahre, dann gibt es Gesetze dafür. Wenn aber jemand geistig behindert ist, muss es auch dafür Gesetze geben. Menschen können doch nicht einfach das Recht in die eigene Hand nehmen."
Dies kommt in Pakistan immer wieder vor. Auch während des langwierigen Prozesses gegen Asia Bibi. So waren zwei Politiker, die sich für sie eingesetzt hatten, ermordet worden, darunter der Gouverneur der Provinz Punjab.