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Dubiose Millionenzahlung
Blatter und Platini in der Schweiz vor Gericht

Ex-FIFA-Boss Sepp Blatter und Ex-UEFA-Chef Michel Platini müssen sich in Bellinzona vor dem Schweizer Bundesstrafgericht verantworten. Es geht um eine fragwürdige Millionenzahlung der FIFA an Platini. Worum geht es genau? Welche Rolle spielt FIFA-Präsident Gianni Infantino? Fragen und Antworten.

Von Maximilian Rieger und Lukas Thiele | 08.06.2022
FIFA-Präsident Joseph Blatter (l) und UEFA-Präsident Michel Platini beim 65. FIFA-Kongress am 29.5.2015 im Schweizerischen Zürich
FIFA-Präsident Joseph Blatter (l) und UEFA-Präsident Michel Platini beim 65. FIFA-Kongress in Zürich (picture-alliance / dpa / Walter Bieri)
Joseph Blatter und Michel Platini waren die zwei wichtigsten Fußball-Funktionäre der Welt. Blatter war Präsident des Weltverbandes FIFA. Platini war der Chef des europäischen Verbandes UEFA. Dann stürzten sie über eine fragwürdige Millionenzahlung. Seit Mittwoch (8.6.) müssen sich die beiden deshalb vor dem Schweizer Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Prozess.

Warum sind Blatter und Platini vor Gericht?

Es geht um eine Zahlung von zwei Millionen Schweizer Franken, die von einem Konto der FIFA im Jahr 2011 auf das Konto von Michel Platini überwiesen wurden. Blatter und Platini behaupten, das Geld sei der Rest eines Beraterhonorars. Zwischen 1998 und 2002 war Platini nämlich als Berater für die FIFA tätig. Der Weltverband war damals jedoch knapp bei Kasse und deswegen sei das Geld erst so viel später ausgezahlt worden.
Das sieht die Schweizer Bundesanwaltschaft jedoch anders. Sie wirft Platini und Blatter unter anderem Betrug und Urkundenfälschung vor. Laut Bundesanwaltschaft war die Rechnung über das Beraterhonorar fiktiv.
Sollten Platini und Blatter verurteilt werden, drohen bis zu fünf Jahre Haft. Wahrscheinlicher wäre aber eine Geldstrafe.

Wie hat die Schweizer Bundesanwaltschaft von der Zahlung erfahren?

Das ist noch unklar und auch eine Frage, die im Prozess zu klären ist. 2015 wurden rund um den FIFA-Congress in Zürich mehrere FIFA-Funktionäre wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen. Dazu gab es eine Razzia bei der FIFA, bei der neun Terabyte Daten sichergestellt. Diese Daten wurden allerdings erst einmal versiegelt.
Daraufhin wurden die Ermittlungen offenbar aber nur in einem Fall schnell vorangetrieben, nämlich in Fall der Zahlung der FIFA an Platini. Und zwar so schnell, dass die Bundesanwaltschaft schon im Herbst 2015 bekanntgeben konnte, dass sie gegen Blatter ermittelt und Platini eine Auskunftsperson sei. Damit waren beide in ihren Ämtern nicht mehr tragbar. Die FIFA-Ethikkommission sperrte Blatter und Platini 2015 für acht Jahre.
Der damalige Chefermittler der Bundesanwaltschaft hat im Prozess ausgesagt, dass der damalig FIFA-Finanzchef Markus Kattner ihn auf die Zahlung an Platini hingewiesen habe. Diese Geschichte "rumple" aber sehr, meint Thomas Kistner von der Süddeutschen Zeitung, der die FIFA seit Jahren journalistisch beobachtet. Nun soll Kattner selbst aussagen.

Welche Rolle spielt die FIFA und ihr Präsident Gianni Infantino?

Gianni Infantino war der große Profiteur vom Aus Michel Platinis. Denn Platini galt als sicherer Nachfolger Blatters als FIFA-Präsident. Das ist nun jedoch Infantino. Der 52-Jährige bestreite jedoch, seine guten Drähte zur Bundesanwaltschaft genutzt zu haben, sagte Kistner im Deutschlandfunk.
Diese Drähte sind allerdings belegt: Es gab, nachdem Infantino FIFA-Präsident wurde, mehrere geheime Treffen von Infantino mit dem damaligen Bundesanwalt Michael Lauber. Lauber ist deshalb im vergangenen Jahr zurückgetreten. Und vor den Ermittlungen gegen Platini hatte es ein Treffen eines Freundes Infantinos mit Vertretern der Bundesanwaltschaft gegeben, bei der die Vorgehensweise besprochen worden sein könnte.

Was sagen Blatter und Platini?

Das Verfahren sei das "Ergebnis eines Komplotts", so die Verteidigung Platinis. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte Rechtsanwalt Dominic Nellen, man könne "detailliert darlegen, dass das Verfahren gegen Herrn Platini politisch motiviert war mit dem Ziel, ihn daran zu hindern, FIFA-Präsident zu werden". Es gebe "einen direkten Zusammenhang" zwischen dem Betrugsverdacht gegen seinen Mandanten und den geheimen Treffen zwischen Infantino und Lauber, so Nellen.
Platini sei auch der einzige, der ein sinnvolles Motiv für die Zahlung habe darlegen können. Das sei der Bundesanwaltschaft nicht gelungen, meint Thomas Kistner von der Süddeutschen Zeitung. Platini habe sehr optimistische gewirkt und sei im Gerichtsgebäude "über den Gang getänzelt". Seine Version der Ereignisse wurde von anderen Zeugen und einem Protokoll gestützt.
Auch Blatter hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Dem Prozess blicke er optimistisch entgegen und ließ mitteilen: "Ich hoffe, dass damit diese Geschichte ein Ende findet und alle Fakten sauber aufgearbeitet werden."

Wie läuft der Prozess ab?

Bis zum 22. Juni sind elf Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil soll am 8. Juli verkündet werden. Gleich am 8. Juli sollte eigentlich Blatter vernommen werden, doch der 86-Jährige sah sich aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht in der Lage, auszusagen. Blatter lag Anfang 2021 nach einer Operation im künstlichen Koma.
Die Sitzungstage sind von 9 Uhr bis 13.30 Uhr angesetzt. Thomas Kistner meint allerdings, dass Blatter und Platini anschließend an diesen Prozess zum juristischen Gegenschlag ausholen werden und dies teilweise schon eingeleitet haben.