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"Blaupause ist das amerikanische Abkommen"

Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber fordert ein einheitliches EU-Steuerabkommen. Als Vorbild diene das US-amerikanische Steuergesetz FACTA. Damit wollen die amerikanischen Finanzbehörden international Banken zwingen, Schwarzgeldkonten von US-Bürgern offenzulegen.

Markus Ferber im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Wir schauen auf die politische Debatte rund um das Thema Steuerflucht. – Am Telefon ist jetzt Markus Ferber, für die CSU Mitglied im Europaparlament und dort im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Guten Morgen, Herr Ferber.

    Markus Ferber: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Ulrich Hoeneß hat nach eigenem Bekunden auf das ursprünglich geplante Steuerabkommen mit der Schweiz gehofft. Das hätte ihm Anonymität in jedem Fall zugesichert und keine rückwirkenden Ermittlungen. Die Öffentlichkeit hätte dann wohl ganz gewiss niemals von dem Gebaren der moralischen Vorbildfigur erfahren und viele sind nun froh, dass es so nicht gekommen ist. Sie auch?

    Ferber: Es geht nicht darum, ist man froh oder ist man nicht froh. Aber ich denke, seit dem Fall Zumwinkel sollte jedem klar sein, der Vermögen im Ausland hat und die Erträge daraus nicht versteuert hat, dass die Luft sehr dünn geworden ist. Darum halte ich es schon für ein bisschen interessant, dass es da durchaus bei höheren Beträgen immer noch Menschen gibt, die der Meinung waren, da irgendwie rauszukommen. Insofern bin ich negativ überrascht gewesen, als die ganzen Entwicklungen der letzten Jahre keine Reaktionen ausgelöst haben.

    Klein: Vielleicht können wir noch mal kurz bei dem Punkt bleiben und der Frage: Spricht das, was jetzt aufgedeckt worden ist im Fall Ulrich Hoeneß, für oder gegen das Steuerabkommen mit der Schweiz, das ja im Bundesrat gescheitert ist?

    Ferber: Das ist jetzt eine Frage, die Sie am Einzelfall nicht festmachen können. Das Steuerabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit der Schweiz hätte Rechtssicherheit gegeben und hätte sprudelnde Einnahmen gegeben. Auf der anderen Seite darf man nicht verkennen, dass die Amerikaner mittlerweile Steuerabkommen verhandeln, die der bench mark sind, wenn es um internationale Steuerabkommen geht. Und deswegen ist jetzt unser Bestreben, auch auf europäischer Ebene nach dem amerikanischen Vorbild ein Steuerabkommen mit einer Vielzahl von Ländern für alle EU-Staaten abzuschließen. Ich denke, das ist der richtige Ansatz, dazu müssen wir jetzt nach innen die Regeln harmonisieren, die Luxemburger, die Österreicher ins Boot bringen, und dann, denke ich, ist das ein erfolgreicher Ansatz, der Steuergerechtigkeit und Steuerehrlichkeit für die gesamte Europäische Union schafft.

    Klein: Das ist in der Tat ein sehr interessanter Punkt, Herr Ferber. Ich habe darüber vor wenigen Wochen mit dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gesprochen, als es um Zypern und Luxemburg etwa ging, und er hat genau auch auf das Vorangehen der USA verwiesen und gleichzeitig gesagt, die USA sind in einer völlig anderen Position, sie haben ein viel stärkeres Druckmittel als größter Finanzplatz. Weshalb sind Sie jetzt doch zuversichtlich, dass es ein Abkommen auf europäischer Ebene in dieser Art und Weise geben könnte?

    Ferber: Weil wir Bewegung nach innen haben. Luxemburg hat angekündigt, das Bankgeheimnis zu lüften beim Informationsaustausch.

    Klein: … auch auf Druck der USA übrigens!

    Ferber: Auch auf Druck der USA, aber das schadet ja nicht, wenn das nach innen auch positive Ergebnisse hat. Jetzt ist noch Österreich das letzte Land, das sich dieser europäischen Regel entzieht. Ich gehe davon aus, dass spätestens nach der Bundestagswahl in Österreich, also der Nationalratswahl, auch Österreich sich bewegen wird. Damit haben wir in Europa das Haus sauber und dann können wir auf der gleichen Grundlage Abkommen schließen. Aber ich kann nur jedem empfehlen, er sollte Steuerehrlichkeit zur Anwendung bringen. Jeder, der irgendwo im Ausland Vermögen hat, sollte spätestens jetzt die Kurve kriegen. Die Luft ist sehr, sehr dünn geworden.

    Klein: Aber was heißt "das Haus sauber bekommen", Herr Ferber? Besteht nicht auch auf europäischer Ebene das Problem, das eben Staaten wie Großbritannien zum Beispiel oder Irland selbst von diesen Privilegien und der Zusammenarbeit mit Steueroasen profitieren und sich quer stellen?

    Ferber: Die Briten versuchen zurzeit, weil sie eine marode Haushaltslage haben, auch im Bereich der Besteuerung von Zinseinkünften außerhalb des Vereinigten Königreichs zu strengen Abkommen zu kommen. Das heißt, hier hat sich die Situation komplett verändert und auch der Finanzplatz London hat ja ein Interesse, in seinen internationalen Beziehungen ähnlich wie die Amerikaner zu klaren Regelungen zu kommen. Das stärkt den Finanzplatz, das schwächt ihn nicht.
    Und von daher sind die Briten heute nicht mehr das Problem. Bei den Iren ist es ähnlich, sie sind unter massivem Druck, sie sind ja unterm Rettungsschirm, und von daher sind wir auf wirklich einem guten Weg. Die Zyprioten mussten jetzt auch lernen, dass ihr Modell nicht mehr funktioniert. Also ich kann wirklich sagen, auf europäischer Ebene stimmt die Richtung, und das gilt es, jetzt zu forcieren und zum Abschluss zu bringen.

    Klein: Die Richtung stimmt, aber wie lange wird das brauchen, bis es dann ein Abkommen gibt, Herr Ferber?

    Ferber: Wenn alle sich anstrengen, kann das ziemlich schnell gehen, weil die Blaupause ist das amerikanische Abkommen und da muss man sich nicht mehr neue Spielregeln überlegen. Wer auf dieser Blaupause verhandelt – erstens ist die Schweiz da in der Defensive; warum soll sie etwas den Europäern verweigern, was sie den Amerikanern angeboten hat. Und zum Zweiten: Warum sollten wir innerhalb Europas nicht das hinbekommen, was innerhalb der 50 Bundesstaaten in den USA auch möglich ist.

    Klein: Herr Ferber, heute wird die EU-Kommission ein Gremium einsetzen, das sich mit dem Thema Steuerflucht und der Bekämpfung derselben beschäftigen wird. Was genau ist da geplant?

    Ferber: Ja es ist geplant, hier mit Sachverständigen, mit Experten zusammen das Regelwerk der Europäischen Union genau unter die Lupe zu nehmen, ob wir nicht selber durch eigene Spielregeln Schlupflöcher geschaffen haben, und zum anderen natürlich dieses Momentum zu nutzen, die Mitgliedsstaaten zu verpflichten, dort wo noch Regelanpassungen notwendig sind, die ja im Steuerrecht nur einstimmig auf europäischer Ebene vorgenommen werden können, dieses Momentum auch entsprechend umzusetzen.

    Klein: Ich würde gern noch mal auf einen weiteren Aspekt bei der Debatte kommen. Bisher sind die Regierungen ja darauf angewiesen gewesen, diese illegal oder legal erworbenen Daten-CDs zu erwerben. Bayern etwa hat sich eigentlich dagegen ausgesprochen, profitiert aber dann in dem Falle, wenn bayerische Steuerflüchtlinge auch darauf vertreten sind und dann Nachzahlungen zu erwarten sind. Muss sich da Ihre Partei in Bayern auch bewegen an der Stelle?

    Ferber: Der Staat muss ja grundsätzlich die Frage beantworten, ob er im Bereich der Datenhehlerei tätig sein will. Das ist ja kein Zukunftsmodell, dass der, der auf einer CD steht, gegen den wird ermittelt, der, der nicht auf der CD steht, der kann weiterhin sein Auslandsvermögen behalten. Auch der Fall Hoeneß ist ja nicht unbedingt über eine CD ans Licht der Welt gekommen. Insofern ist das dauerhaft kein tragfähiges Modell, dass Menschen aus der Schweiz Bankdaten über CDs verkaufen, daraus noch einen Profit ziehen, damit dann gegen einzelne, die zufälligerweise auf dieser CD stehen, ermittelt werden kann. Ein Staat, der dauerhaft so einen Steuertatbestand rechtfertigt, ist dauerhaft nicht glaubwürdig und deswegen brauchen wir eine klare gemeinsame Regelung.

    Klein: Auf der anderen Seite, Herr Ferber, Ihre Partei steht auch in Bayern zunächst mal im Wahlkampf und der SPD-Spitzenkandidat Christian Ude hat gerade vor einigen Tagen noch mal darauf hingewiesen, dass der Freistaat Bayern und die CSU das zwar kritisiert, diese Praxis, aber davon profitiert, und das ist natürlich dann auch nicht ganz nachzuvollziehen, weshalb man von etwas profitiert, was man eigentlich als gesetzwidrig und moralisch verwerflich anprangert.

    Ferber: Sie müssen aber auch sehen, wenn Sie den letzten Datenkauf des Landes Rheinland-Pfalz nehmen: Hier hat sich Bayern mit beteiligt, weil es auch eine Reihe von Einwohnern des Freistaats Bayern betroffen hat oder betrifft. Insofern hat Bayern immer mitgemacht, aber Bayern ist nie aktiv in diesen Hehlerhandel eingestiegen und ich glaube, das sind dann schon zwei Paar Stiefel.

    Klein: Und sollte sich auch in Zukunft nicht an der Mitfinanzierung solcher CDs beteiligen?

    Ferber: Wir haben uns bisher an der Mitfinanzierung beteiligt, wir haben nur nicht aktiv mögliche Datenlieferanten angegangen, da sind andere Bundesländer aktiver gewesen, Nordrhein-Westfalen an der Spitze mit einer sehr engagierten Staatsanwaltschaft. Aber noch mal: Das ist kein dauerhaft tragfähiges Modell und insofern geht es nicht darum, welches Bundesland kauft am meisten Daten-CDs, sondern wie können wir gemeinsam dafür sorgen, dass alle Arten von Erträgen gleich besteuert werden.

    Klein: Herr Ferber, abschließend noch mal zum Ausgangspunkt unseres Gespräches zurück, zur weitverbreiteten Enttäuschung offensichtlich über Ulrich Hoeneß. Noch kurz ein Wort von Ihnen als Politiker, der aus dem Freistaat Bayern kommt: Wie groß ist der Schaden, der auch für Ihr Bundesland, nicht nur für den Sport eingetreten ist?

    Ferber: Natürlich ist Uli Hoeneß eine der ganz großen Figuren Bayerns und hat natürlich für viele Menschen Vorbildfunktion gehabt. Da ist sicherlich ein großer Schaden entstanden. Trotzdem sollte man sich ja nie an anderen nur messen und insofern hoffe ich, dass alle anderen Menschen in Bayern sagen, jawohl, so was will ich vermeiden, falls ich Vermögen im Ausland habe, und ich werde steuerehrlich.

    Klein: Und die CSU tut gut daran, jetzt auf Distanz zu Hoeneß zu gehen?

    Ferber: Verstehen Sie, da wird uns immer unterstellt, weil wir ihn einmal in den Parteivorstand eingeladen haben. Wir haben viele Menschen schon in den Parteivorstand eingeladen. Das heißt aber nicht, dass wir alles, was dann ein Individuum tut, rechtfertigen und wir können auch nicht für alles, was ein Individuum tut, das mal in den Parteivorstand eingeladen worden war, zur Verantwortung gezogen werden.
    Uli Hoeneß ist eine große Persönlichkeit und er hat viel für Bayern getan, er hat viel für das Ansehen auch des Sports getan, und das bleibt auch bestehen. Das hat ja auch der Regierungssprecher gesagt. Aber es ist natürlich jetzt eine große Enttäuschung vorhanden, weil man davon ausgehen konnte, dass jemand, der immer Klartext gesprochen hat, auch seinen eigenen Laden im Griff hat und auch sich selber im Griff hat.

    Klein: Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke Ihnen, Herr Ferber, für das Gespräch.

    Ferber: Gerne, Frau Klein.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.