Der ehemalige Mainzer Trainer Thomas Tuchel, der dort auf Jürgen Klopp gefolgt war, sei in den Medien "hochgeschrieben worden". Dabei sei er noch "kein Welttrainer", sagte Breuckmann mit Blick auf die Vita des Fußballlehrers. Tuchel werde sich erst beweisen müssen. Eine andere Spielphilosophie für Borussia Dortmund erwarte er unter Tuchel nicht, so Breuckmann. Allerdings rechnet der frühere Sportreporter mit neuem Personal: "Es wird an einigen Personalschrauben gedreht werden müssen."
Abstiegskampf und Verletzungspech
Unter Klopp seien viele Neueinkäufe nicht eingeschlagen, zudem habe sich Dortmund schwer getan mit Abstiegskampf und Verletzungspech. All dies hat laut Breuckmann zur laufenden "schlechten Saison" des Vereins beigetragen. In den Jahren davor habe der BVB unter Klopp "ein modernes Fußballmärchen" erlebt. Und nun gehe er nicht im Unfrieden, sondern "weil nach sieben Jahren ein Wechsel stattfinden muss". Klopp habe sich nur selber entlassen können. "Das ist schon eine ehrliche Haut."
Dass Klopp nun einen Klub aus Bundesliga übernimmt, erwartet Breuckmann nicht. Dort warte aktuell kein "angemessener Verein" auf ihn. Vielmehr sei mit einem Wechsel nach Großbritannien zu Manchester City, Arsenal London oder dem FC Liverpool zu rechnen.
Das vollständige Interview:
Dirk-Oliver Heckmann: Das hat es wohl selten in der Geschichte der Bundesliga gegeben: Innerhalb von nur wenigen Minuten drehte sich das Trainer-Karussell bei der Fußball-Bundesliga, und zwar heftig. Zunächst wurde bekannt, Bruno Labbadia kehrt zum HSV zurück, um den ersten Abstieg des Hamburger Traditionsvereins zu verhindern. Kurze Zeit später meldeten die Agenturen dann, BVB-Trainer Jürgen Klopp wirft das Handtuch und bittet um Auflösung seines Vertrags. Es folgte eine hoch emotionale Pressekonferenz. Manfred Breuckmann, Fußball-Kommentator im Ruhestand, schönen guten Morgen, Herr Breuckmann.
Manfred Breuckmann: Hallo! Guten Morgen.
Heckmann: Jürgen Klopp geht mit Aplomb. Hat er damit seinem Verein einen Dienst erwiesen?
Breuckmann: Ich glaube schon, dass er das getan hat, denn er hat es ja richtig gesagt: Wenn ich der Meinung bin, dass ich nicht mehr der perfekte Trainer bin, dann sage ich es. Und er hat es gesagt. Dummerweise hat er es nicht näher ausgeführt, warum er denn jetzt nicht mehr der perfekte Trainer ist. Ganz klar: Die Tabellensituation spricht schon dafür. Aber wo jetzt die einzelnen Gründe liegen, ob die viel beschworene Chemie mit der Mannschaft nicht mehr stimmt oder Ähnliches, das ist auf dieser hoch emotionalen Pressekonferenz dann doch nicht so deutlich gesagt worden.
"Schon eine ehrliche Haut"
Heckmann: Hans-Joachim Watzke, der Geschäftsführer, der hatte ihm ja eine Jobgarantie gegeben über die Saison hinaus. Wie sehr passt das aus Ihrer Sicht zu Jürgen Klopp, dass er jetzt von sich aus geht?
Breuckmann: Das ist schon eine ehrliche Haut und jeder hat immer gesagt, auch als Borussia Dortmund zwischenzeitlich auf dem 18. Platz war, der kann sich eigentlich nur selber entlassen. Und Watzke hat das ja gesagt, Du kannst so lange bleiben wie Du willst. Er stand ja kurz vor dem Weinen und hat den Trainer dann hinterher noch umarmt. Klopp hat das etwas souveräner gelöst und hat ja auch vor allen Dingen gesagt, ich bin überhaupt nicht müde, auch wenn ich manchmal so aussehe. Das bedeutet, man wird ihn bald bei einem anderen Verein sehen.
"Das letzte Jahr ist eine Katastrophe"
Heckmann: Seit 2008 war Jürgen Klopp ja beim BVB. Da lag der Verein sportlich und finanziell am Boden. Klopp hat den Verein dann wieder aufgebaut: zweimal Meister, Pokalsieger, dann das Champions League Finale gegen Bayern. Jetzt aber nur sechs Punkte Vorsprung vor einem Abstiegsplatz. Was für eine Bilanz würden Sie ziehen?
Breuckmann: Das letzte Jahr ist eine Katastrophe, ganz klar. Aber in manchen Sportarten darf man ja ein Ereignis streichen. Dann streichen wir das einfach mal. Es war wirklich ein modernes Fußballmärchen, wie der Michael Zorc, der Manager von Borussia Dortmund, das formuliert hat. Das werden die Dortmunder Fans ihm auch nicht vergessen. Er geht da auch nicht im Unfrieden. Er geht nur, weil nach sieben Jahren mal irgendwann ein Wechsel stattfinden muss. Ich erinnere da an die Toten Hosen. Die haben gesagt, nichts bleibt für die Ewigkeit. Das gilt natürlich auch für den Fußball und deswegen ist das eine gute Aktion gewesen, jetzt zu sagen, lass mal einen neuen kommen. Möglicherweise ist es ja Thomas Tuchel. Der schwebt ja seit Wochen oder Monaten schon so wie ein jenseitiges Phänomen, eine Art Erlöser über jedem Stadion, wo ein neuer Trainer gebraucht wird. Er ist ja in Verhandlungen mit dem HSV gewesen. Das scheiterte. Ich möchte mal gerne wissen, ob es da einen Kommunikationszusammenhang gibt zwischen diesen abgebrochenen Verhandlungen von Tuchel in Hamburg und dem Handtuch werfen von Jürgen Klopp in Dortmund. Aber das werden wir wahrscheinlich nie erfahren.
"Jürgen Klopp ist es dann nicht gelungen, diese Abwärtsspirale aufzuhalten"
Heckmann: Bleiben wir noch ein bisschen bei Jürgen Klopp. Die Saison lief ja extrem schief, ganz klar. Klopp wollte den Neustart dann nach der Winterpause. Weshalb hat das nicht funktioniert?
Breuckmann: Die Basis für diese schlechte Saison war schon eine ganz schlimme Verletzungsserie. Das muss man ganz klar sagen. Aber Jürgen Klopp ist es dann nicht gelungen, diese Abwärtsspirale aufzuhalten. Spieler, die verunsichert waren, die auch in der Abwehr ungekannte Bolzen sich geleistet haben. Hinzu kam, dass die Neueinkäufe nicht richtig eingeschlagen haben. Immobile aus der italienischen Liga hat als Stürmer überhaupt nicht eingeschlagen. Ramos ist zu nennen, die Rückholaktion bei dem Japaner Kagawa. All das zusammengenommen führte dazu, außerdem die Tatsache, dass Borussia Dortmund offensichtlich nicht Abstiegskampf kann. Eine Mannschaft, die ständig in der Champions League zuhause ist und auch dort oben spielt, die muss es erst mühsam lernen, sich dort in den unteren Regionen zu behaupten. Das hat nicht geklappt. Das muss Jürgen Klopp sich schon zurechnen lassen.
Heckmann: Jürgen Klopp geht erst zum Ende der Saison. Das wurde gestern bekannt. Ist er nach dieser Nachricht eigentlich noch der richtige, um den Verein noch bis zum Ende der Saison zu trainieren und wirklich noch erfolgreich zu trainieren, oder hat er sich selbst im Prinzip mit dieser Ankündigung abgeschossen?
Breuckmann: Ich glaube nicht. Das ist ja dieses Lame-Duck-Syndrom. Das wird es wahrscheinlich nicht geben, denn der entscheidende Punkt aus meiner Sicht ist, er geht nicht im Unfrieden. Es gab andere Beispiele, Magath in Schalke oder van Gaal bei Bayern München. Da gab es riesen Theater und dann sind die auch noch vorzeitig aus dem Rennen genommen worden. Das wird bei Jürgen Klopp nicht der Fall sein. Ich kann mir das nicht vorstellen, dass die Spieler das jetzt als Alibi nehmen, um schlechter zu spielen.
"Es wird da an einigen Personalschrauben gedreht werden müssen"
Heckmann: Jürgen Klopp hat gestern auch gesagt, neben seinem Rücktritt muss sich sowieso einiges ändern im Verein. Was muss sich aus Ihrer Sicht vor allem ändern?
Breuckmann: Man muss sehen, dass man das richtige Personal zusammenbekommt. Es hat sich ja im Verlauf dieser Saison herausgestellt, dass einige offensichtlich doch nicht dafür geeignet sind, unter den Top vier zu spielen in der Bundesliga und in der Champions League eine gute Rolle zu spielen. Es wird da an einigen Personalschrauben gedreht werden müssen. Was das fußballerische System angeht, sollte da der Thomas Tuchel kommen, der Mainz fünf Jahre lang in der Bundesliga trainiert hat, wird sich da nichts Wesentliches ändern.
Heckmann: Denken Sie, dass es dann zu einer Lösung Thomas Tuchel kommt?
Breuckmann: Das glaube ich schon. Darüber wird spekuliert und ich denke, das wird sich in wenigen Tagen aus dem Bereich der Spekulation lösen und zur Realität werden. Ich muss allerdings darauf hinweisen: Der ist so hochgeschrieben worden, kommt mir schon fast so vor wie zu Guttenberg in der Politik. Der hat Mainz 05 trainiert und ist mal mit der A-Jugend von Mainz deutscher Meister geworden. Das ist jetzt nicht irgendein Welttrainer; der muss sich erst beweisen bei Borussia Dortmund. Eine absolute Erfolgsgarantie gibt es mit Thomas Tuchel natürlich nicht.
"Klopp möchte gerne in die Premier League"
Heckmann: Bleibt die Frage, was wird aus Jürgen Klopp. Ich nehme mal an, man muss sich keine Sorgen machen um seine berufliche Zukunft?
Breuckmann: Er sagt ja schon seit ewigen Zeiten, er möchte gerne in die Premier League. Die englische Presse ist in helle Aufregung geraten gestern. Auch die Wettbüros. Man kann schon zocken auf den Verein, zu dem er eventuell geht. Die schlechteste Quote gibt es für Manchester City, die Engländer halten das für die höchste Wahrscheinlichkeit, knapp gefolgt von Arsenal London und Liverpool. Also die Premier League könnte es sein. Die deutsche Bundesliga kommt wohl kaum in Frage, kann ich mir nicht vorstellen.
Heckmann: Weshalb nicht?
Breuckmann: Weil da kein angemessener Verein gerade auf einen Trainer wartet. Bayern München ist besetzt. Pep Guardiola, der geht jetzt nun gerade nicht. Und wo soll er sonst hingehen? Zum HSV kann er ja jetzt auch nicht mehr, würde er wahrscheinlich auch nicht tun, weil es ein schlaues Köpfchen ist, der Jürgen Klopp, und dann geht er nicht zu einem solchen Verein wie zum Hamburger Sportverein.
Heckmann: Das wäre dann möglicherweise ein Himmelfahrtskommando. Jürgen Klopp verlässt den BVB. Das wurde gestern bekannt, war die große Nachricht und wir haben darüber gesprochen mit Manfred Breuckmann. Herr Breuckmann, schönen Dank!
Breuckmann: Bitte! Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.