Irgendwann in der nahen Zukunft in Kalifornien. Dort stellen die Hispano-Amerikaner inzwischen die Bevölkerungsmehrheit. Auf Großdemonstrationen fordern sie die Unabhängigkeit ihres Bundeslandes, die Abspaltung von den USA.
"Der Präsident und seine Berater ringen um eine Antwort: Soll das demokratische Grundrecht Vorrang haben, dass Bürger selbst über ihr Schicksal entscheiden können? Oder dominiert das nationale Interesse, das den Zusammenhalt der USA gebietet und vor allem den Verbleib der kalifornischen Hightech-Schmiede?"
…spekulieren Andreas Rinke und Christian Schwägerl in einem der elf Szenarien, die sie entworfen haben, zu möglichen Konflikten rund um den Globus - und die zu "Elf drohenden Kriegen" führen könnten, so der Titel ihres Buches. Was wäre wenn, fragen sie. Was wäre, wenn die Einwanderer aus Mittel- und Südamerika es irgendwann satt haben, in den USA nur geduldete Zuschauer der politischen Bühne zu sein? Wenn die hoch verschuldete US-Regierung unter dem Druck der Tea-Party-Bewegung Schulen und Krankenhäuser nicht mehr finanzieren will, wenn die kaputt gesparte Justiz der Gewalt der Straße nicht mehr Herr wird – und wenn die frustrierten Hispano-Amerikaner daraufhin ihr Glück lieber in die eigenen Hände nehmen möchten? Ein neuer Sezessionskrieg in den USA: eines der spektakulären Szenarien dieses Buches - überraschend indes nur für die Leser, die beim Starren auf die Presseschlagzeilen den politischen Weitblick eingebüßt hätten, kritisieren die Autoren.
"Zuerst lenkte der Tunnelblick auf den Islamismus von anderen Gefahren wie der drohenden Finanzkrise ab, dann verschlangen die folgenden Kriege und die Finanzkrise Billionensummen, die dringend für die Zukunftsvorsorge auf anderen Gebieten hätten ausgegeben werden sollen, etwa für Bildung und Klimaschutz."
Könnte der Klimawandel China womöglich dazu verleiten, die Wasserströme aus den Gletschern des Himalaya ins eigene vertrocknende Hinterland abzuleiten? Indien würde buchstäblich das Wasser abgegraben. Könnten in Zeiten knapper Ressourcen die Rohstoffvorkommen Australiens zur Beute raffgieriger Nachbarn werden? Oder: Falls auf dem Meeresgrund riesige Erntemaschinen Manganknollen pflücken werden, wie bereits geplant, wird es dann Kämpfe darum geben, wem das Niemandsland der Tiefseeböden völkerrechtlich gehört? Wird der Antibiotika-Missbrauch in der Massentierhaltung ein Virus erzeugen, das millionenfach auf den Menschen überspringt und zur Pandemie mutiert? Bei den Antworten legen Rinke und Schwägerl großen Wert darauf, keine Science-Fiction-Geschichten zu erzählen. Bei aller Fantasie hätten sie doch letztlich nur die Daten der Gegenwart in die Zukunft extrapoliert, argumentieren sie. Mit der German Angst - der irrationalen Weltuntergangslust, die den Deutschen nachgesagt wird - hätten ihre Szenarien nichts zu tun, sagt Mitautor Andreas Rinke:
"Auffallend ist, dass diese Szenarien in anderen westlichen Ländern sehr viel verbreiteter sind als in Deutschland. Wir haben eine ganze Reihe von Studien ausgewertet, die sich alle mit möglichen Kriegen in der Zukunft beschäftigen. Und das führt zu einem sehr viel rationalerem Umgehen mit diesen Bedrohungen."
Kern des Buches sind elf Szenarien. Kursiv gesetzte Passagen erzählen Ereignisse dieser möglichen Zukunft, einmal im Duktus einer fiktiven Pressereportage, dann in dem eines Politthrillers. Stilistisch ist das nicht homogen und wirkt bisweilen unentschlossen, aber inhaltlich dennoch stets hoch spannend. Diese erzählerischen Blöcke sind mit nüchternen Faktentexten durchsetzt, die detailliert die Glaubwürdigkeit der Geschichten belegen sollen und können. Ergänzt werden diese elf exemplarischen Studien mit verallgemeinernden Überlegungen, die szenarienübergreifende Entwicklungen beschreiben, dabei aber leider auch einige Inhalte schlicht wiederholen. In der Gesamtschau erscheint hier manches redundant: Hätten die Autoren die erzählerischen Passagen ausgedehnt und ihre Phantasie etwas knapper mit Fakten unterfüttert, wären die Szenarien nicht minder glaubwürdig gewesen, aber noch dichter, noch beeindruckender. Auch für politische Entscheidungsträger, die die Abwehr langfristiger Gefahren häufig ignorieren.
Andreas Rinke: "Die Politiker sehen die durchaus, aber sie müssen natürlich zunächst einmal auf sehr viel kurzfristigeren Gefahren reagieren. Und das wird die große Kunst sein der Politik der Regierungen in allen Ländern, dass sie eine Mischung hinbekommen zwischen der Abwehr kurzfristigeren Gefahren und der Vorbereitung auf künftige Gefahren."
Bei der es helfen könne, auf sogenannte Stressfaktoren zu achten, empfehlen die Autoren: beispielsweise auf den ökonomischen Aufstieg der Schwellenländer und deren wachsenden Hunger nach Rohstoffen und Energie. Oder darauf, dass die pränatale Diagnostik in vielen Ländern missbraucht wird, um gezielt weibliche Föten abzutreiben, wie die Autoren ausführen: Ein Potenzial sexuell frustrierter junger Männer wächst heran, anfällig für Gewaltparolen. Eine Entwicklung, die absehbar ist – aber damit auch verhinderbar.
"Weltweit werden in Debattenforen, Bürgerbewegungen und Sicherheitszirkeln Ideen für eine friedlichere Zukunft entwickelt. Im 21. Jahrhundert stehen der Menschheit ausreichend Wissen, Technologien und gemeinschaftliche Strukturen zur Verfügung, um ihre Krisen und Konflikte friedlich und nachhaltig zu meistern. Im besten Fall entsteht eine Art 'positives Wettrüsten' um die intelligentesten Lösungen."
Die Autoren trotzen ihrer düsteren Fantasie und beteuern: Keine der elf Geschichten des Buches müsse eintreten - aber jede könne.
"Sie können allesamt vermieden werden. Die Zukunft im 21. Jahrhundert ist gestaltbar."
Viele der Ideen für eine mögliche Zukunft kommen einem bekannt vor, sind schon anderenorts präsentiert worden. Was in der Natur der Sache liegt, denn die Missstände und Risiken der Gegenwart sind allgemein bekannt - und Rinke und Schwägerl nicht die einzigen hellen Köpfe, die erkennen können, wohin uns der eingeschlagene Kurs führen könnte. Verdienstvoll ist die Arbeit dennoch: Sie haben die Trends weit in die Zukunft verlängert, die Einzelentwicklungen vernetzt und die Fallbeispiele mit so vielen Details gespickt, dass sie in ihrer Plastizität und Glaubwürdigkeit nachdrücklich erschrecken.
Andreas Rinke und Christian Schwägerl: 11 drohende Kriege: Die künftigen Konflikte um Technologien, Rohstoffe, Territorien und Nahrung.
C. Bertelsmann Verlag, 432 Seiten, 21,99 Euro
"Der Präsident und seine Berater ringen um eine Antwort: Soll das demokratische Grundrecht Vorrang haben, dass Bürger selbst über ihr Schicksal entscheiden können? Oder dominiert das nationale Interesse, das den Zusammenhalt der USA gebietet und vor allem den Verbleib der kalifornischen Hightech-Schmiede?"
…spekulieren Andreas Rinke und Christian Schwägerl in einem der elf Szenarien, die sie entworfen haben, zu möglichen Konflikten rund um den Globus - und die zu "Elf drohenden Kriegen" führen könnten, so der Titel ihres Buches. Was wäre wenn, fragen sie. Was wäre, wenn die Einwanderer aus Mittel- und Südamerika es irgendwann satt haben, in den USA nur geduldete Zuschauer der politischen Bühne zu sein? Wenn die hoch verschuldete US-Regierung unter dem Druck der Tea-Party-Bewegung Schulen und Krankenhäuser nicht mehr finanzieren will, wenn die kaputt gesparte Justiz der Gewalt der Straße nicht mehr Herr wird – und wenn die frustrierten Hispano-Amerikaner daraufhin ihr Glück lieber in die eigenen Hände nehmen möchten? Ein neuer Sezessionskrieg in den USA: eines der spektakulären Szenarien dieses Buches - überraschend indes nur für die Leser, die beim Starren auf die Presseschlagzeilen den politischen Weitblick eingebüßt hätten, kritisieren die Autoren.
"Zuerst lenkte der Tunnelblick auf den Islamismus von anderen Gefahren wie der drohenden Finanzkrise ab, dann verschlangen die folgenden Kriege und die Finanzkrise Billionensummen, die dringend für die Zukunftsvorsorge auf anderen Gebieten hätten ausgegeben werden sollen, etwa für Bildung und Klimaschutz."
Könnte der Klimawandel China womöglich dazu verleiten, die Wasserströme aus den Gletschern des Himalaya ins eigene vertrocknende Hinterland abzuleiten? Indien würde buchstäblich das Wasser abgegraben. Könnten in Zeiten knapper Ressourcen die Rohstoffvorkommen Australiens zur Beute raffgieriger Nachbarn werden? Oder: Falls auf dem Meeresgrund riesige Erntemaschinen Manganknollen pflücken werden, wie bereits geplant, wird es dann Kämpfe darum geben, wem das Niemandsland der Tiefseeböden völkerrechtlich gehört? Wird der Antibiotika-Missbrauch in der Massentierhaltung ein Virus erzeugen, das millionenfach auf den Menschen überspringt und zur Pandemie mutiert? Bei den Antworten legen Rinke und Schwägerl großen Wert darauf, keine Science-Fiction-Geschichten zu erzählen. Bei aller Fantasie hätten sie doch letztlich nur die Daten der Gegenwart in die Zukunft extrapoliert, argumentieren sie. Mit der German Angst - der irrationalen Weltuntergangslust, die den Deutschen nachgesagt wird - hätten ihre Szenarien nichts zu tun, sagt Mitautor Andreas Rinke:
"Auffallend ist, dass diese Szenarien in anderen westlichen Ländern sehr viel verbreiteter sind als in Deutschland. Wir haben eine ganze Reihe von Studien ausgewertet, die sich alle mit möglichen Kriegen in der Zukunft beschäftigen. Und das führt zu einem sehr viel rationalerem Umgehen mit diesen Bedrohungen."
Kern des Buches sind elf Szenarien. Kursiv gesetzte Passagen erzählen Ereignisse dieser möglichen Zukunft, einmal im Duktus einer fiktiven Pressereportage, dann in dem eines Politthrillers. Stilistisch ist das nicht homogen und wirkt bisweilen unentschlossen, aber inhaltlich dennoch stets hoch spannend. Diese erzählerischen Blöcke sind mit nüchternen Faktentexten durchsetzt, die detailliert die Glaubwürdigkeit der Geschichten belegen sollen und können. Ergänzt werden diese elf exemplarischen Studien mit verallgemeinernden Überlegungen, die szenarienübergreifende Entwicklungen beschreiben, dabei aber leider auch einige Inhalte schlicht wiederholen. In der Gesamtschau erscheint hier manches redundant: Hätten die Autoren die erzählerischen Passagen ausgedehnt und ihre Phantasie etwas knapper mit Fakten unterfüttert, wären die Szenarien nicht minder glaubwürdig gewesen, aber noch dichter, noch beeindruckender. Auch für politische Entscheidungsträger, die die Abwehr langfristiger Gefahren häufig ignorieren.
Andreas Rinke: "Die Politiker sehen die durchaus, aber sie müssen natürlich zunächst einmal auf sehr viel kurzfristigeren Gefahren reagieren. Und das wird die große Kunst sein der Politik der Regierungen in allen Ländern, dass sie eine Mischung hinbekommen zwischen der Abwehr kurzfristigeren Gefahren und der Vorbereitung auf künftige Gefahren."
Bei der es helfen könne, auf sogenannte Stressfaktoren zu achten, empfehlen die Autoren: beispielsweise auf den ökonomischen Aufstieg der Schwellenländer und deren wachsenden Hunger nach Rohstoffen und Energie. Oder darauf, dass die pränatale Diagnostik in vielen Ländern missbraucht wird, um gezielt weibliche Föten abzutreiben, wie die Autoren ausführen: Ein Potenzial sexuell frustrierter junger Männer wächst heran, anfällig für Gewaltparolen. Eine Entwicklung, die absehbar ist – aber damit auch verhinderbar.
"Weltweit werden in Debattenforen, Bürgerbewegungen und Sicherheitszirkeln Ideen für eine friedlichere Zukunft entwickelt. Im 21. Jahrhundert stehen der Menschheit ausreichend Wissen, Technologien und gemeinschaftliche Strukturen zur Verfügung, um ihre Krisen und Konflikte friedlich und nachhaltig zu meistern. Im besten Fall entsteht eine Art 'positives Wettrüsten' um die intelligentesten Lösungen."
Die Autoren trotzen ihrer düsteren Fantasie und beteuern: Keine der elf Geschichten des Buches müsse eintreten - aber jede könne.
"Sie können allesamt vermieden werden. Die Zukunft im 21. Jahrhundert ist gestaltbar."
Viele der Ideen für eine mögliche Zukunft kommen einem bekannt vor, sind schon anderenorts präsentiert worden. Was in der Natur der Sache liegt, denn die Missstände und Risiken der Gegenwart sind allgemein bekannt - und Rinke und Schwägerl nicht die einzigen hellen Köpfe, die erkennen können, wohin uns der eingeschlagene Kurs führen könnte. Verdienstvoll ist die Arbeit dennoch: Sie haben die Trends weit in die Zukunft verlängert, die Einzelentwicklungen vernetzt und die Fallbeispiele mit so vielen Details gespickt, dass sie in ihrer Plastizität und Glaubwürdigkeit nachdrücklich erschrecken.
Andreas Rinke und Christian Schwägerl: 11 drohende Kriege: Die künftigen Konflikte um Technologien, Rohstoffe, Territorien und Nahrung.
C. Bertelsmann Verlag, 432 Seiten, 21,99 Euro