Jürgen Liminski: "Staatsfeind WikiLeaks", so sieht man in den USA die Internetplattform WikiLeaks, die mit Massenpublikationen geheimer oder vertraulicher Diplomatendepeschen und militärischer Berichte Sand in das Getriebe der Weltpolitik gestreut hat. Geholfen haben dabei auflagenstarke Printmedien, die die Berichte monatelang gesichtet haben und jetzt tröpfchenweise veröffentlichen. Zu ihnen gehört auch "Der Spiegel", und zwei Redakteure des Nachrichtenmagazins haben zusammen ein Buch über dieses neue Phänomen geschrieben. Es heißt eben "Staatsfeind WikiLeaks", es kommt morgen auf den Markt, und einer der beiden Autoren ist nun am Telefon zugeschaltet. Es ist Holger Stark. Guten Morgen, Herr Stark.
Holger Stark: Guten Morgen! Ich grüße Sie.
Liminski: Herr Stark, die Auflage des ersten "WikiLeaks-Spiegel" am 29. November war grandios, aber das war wohl ein Einzelfall. Die weiteren Versuche mit WikiLeaks konnten den Erfolg nicht wiederholen. Wie erklären Sie sich das?
Stark: Na ja, wir haben ja in Wahrheit schon im Sommer, im Juli, einen großen "WikiLeaks-Spiegel" gehabt, als wir über die geheimen Afghanistan-Kriegsberichte geschrieben haben, der sich auch sehr gut verkauft hat. Dann gibt es, glaube ich, auf der einen Seite ein sehr großes Interesse an diesen Themen, ein großes Interesse der Menschen daran, einen Blick hinter die Kulissen der Macht zu erhaschen. Auf der anderen Seite werden diese Informationen dann ab einem bestimmten Zeitpunkt, wenn man so möchte, demokratisiert. Das heißt, sie finden sich an vielen Stellen im Internet wieder. Wir waren ja nicht die einzigen beim Spiegel, die damit gearbeitet haben. Auch der "'Guardian", die "New York Times" und andere haben darüber berichtet. Und dann in dieser Demokratisierungsphase finden sich einfach so viele Informationen im Internet wieder, dass die Leute ganz viele Möglichkeiten haben, sich zu informieren, und das ist auch in Ordnung so.
Liminski: Das Vertrauen in Politiker und auch in unsere Zunft ist in den letzten Jahren erheblich gesunken. Nun kommt WikiLeaks mit authentischem Material. Zieht WikiLeaks da eine publizistische Show ab, nur authentischer, oder ist das Medium für die Regierung tatsächlich gefährlich? Sie nennen Ihr Buch immerhin "Staatsfeind WikiLeaks".
Stark: Der große Wert der Dinge, die WikiLeaks jetzt sichtbar gemacht hat, ist die Authentizität des Materials, wo letztlich jeder sich ein eigenständiges Urteil bilden kann. Wir beim Spiegel, oder auch beim "Guardian", bei der "New York Times" haben, wenn man so möchte, eine Art Übermittlungsarbeit geleistet, indem wir uns hingesetzt haben und 250.000 Geheimdepeschen ausgewertet haben, 400.000 Berichte aus dem Irakkrieg. Aber am Ende ist es jedem möglich, dieses Material zu überprüfen, sich die Dokumente selber im Internet anzuschauen und zu gucken, was sagt mir das, und das macht natürlich den Scham und den Reiz dieses Materials aus und es macht auf der anderen Seite auch aus Sicht der Regierung die Gefahr aus. Wer allerdings 2,5 Millionen Menschen Zugang zu solch geheimem Material ermöglicht, wie es die Amerikaner getan haben, der muss natürlich auch damit rechnen, dass solche Geheimnisse durchsickern.
Liminski: Das ist ja doch unheimlich viel Material. Wie viele Leute haben eigentlich daran gesessen, um das zu sichten und nachher zu verdichten?
Stark: Wir haben beim Spiegel insgesamt 50 Kollegen gehabt, Redakteure, Dokumentare, die über mehrere Monate die diplomatischen Depeschen angeschaut haben. Das ist ein solches reichhaltiges Material, dass das nicht von ein, zwei, drei Leuten innerhalb von ein paar Wochen zu tun wäre.
Liminski: Wie sehen Sie die Entwicklung des Internets im Vergleich zu den Printmedien? Vielleicht ist WikiLeaks ja ein Feind der Printmedien?
Stark: WikiLeaks profitiert von einer technischen Revolution, und das sind die Möglichkeiten, die das Internet heutzutage bietet, Informationen mit ein, zwei, drei Mausklicks zu transformieren. Wenn es stimmt, dass Bradley Manning, der junge amerikanische Gefreite, verantwortlich dafür war, diese Informationen zu transformieren, dann hat es ein paar Mausklicks gedauert, bis sie aus dem Irak zu einem Server von WikiLeaks gekommen sind und von da aus weiterverbreitet wurden zum "Spiegel" und dann auf den WikiLeaks-Server. Ich glaube, diese technische Revolution, die dort erlebbar ist, die ist der erste entscheidende Punkt für den Erfolg von WikiLeaks.
Am Ende kommt es aus meiner Sicht trotz allem auf einen guten Journalismus an, nämlich auf die Frage, was sagt uns dieses Material. Allein eine halbe Million Berichte sagen noch nicht viel, man muss sie lesen können, man muss sie verstehen und man muss sie den Leuten auch vernünftig transportieren. Insofern habe ich keine Sorge um den Journalismus.
Liminski: WikiLeaks ist eng verbunden mit dem Gründer Assange. Der steckt derzeit in der Bredouille. Haben Sie Kontakt mit ihm?
Stark: Ja. Wir haben am Wochenende zweimal miteinander telefoniert, weil er ganz erkennbar auch neugierig war, was denn in unserem Buch stehen würde, was morgen erscheinen wird beziehungsweise heute in Teilen schon erhältlich ist. Ich habe ihn vor zwei Wochen besucht in Ellingham Hall, auf seinem Landsitz in England, wo er auf sein Auslieferungsverfahren wartet. Er ist ein in jeder Hinsicht außergewöhnlicher Mensch, der mal zu einem Treffen im Cafe auf Socken kommt, der, als er nach London eingereist ist und die Grenzkontrollen unbeschadet überstanden hat, schon mal ein Rad auf der Straße geschlagen hat, der sehr scharf sein kann, auch sehr verletzend gegenüber seinen Mitarbeitern, der ganz erkennbar einen hohen Intelligenzquotienten hat, einen interessanten Humor hat und wirklich ein außergewöhnlicher Mensch ist.
Liminski: Holger Stark war das, Mitautor des Buches "Staatsfeind WikiLeaks", das morgen auf den Markt kommt. Besten Dank für das Gespräch, Herr Stark.
Stark: Ich danke!
Holger Stark: Guten Morgen! Ich grüße Sie.
Liminski: Herr Stark, die Auflage des ersten "WikiLeaks-Spiegel" am 29. November war grandios, aber das war wohl ein Einzelfall. Die weiteren Versuche mit WikiLeaks konnten den Erfolg nicht wiederholen. Wie erklären Sie sich das?
Stark: Na ja, wir haben ja in Wahrheit schon im Sommer, im Juli, einen großen "WikiLeaks-Spiegel" gehabt, als wir über die geheimen Afghanistan-Kriegsberichte geschrieben haben, der sich auch sehr gut verkauft hat. Dann gibt es, glaube ich, auf der einen Seite ein sehr großes Interesse an diesen Themen, ein großes Interesse der Menschen daran, einen Blick hinter die Kulissen der Macht zu erhaschen. Auf der anderen Seite werden diese Informationen dann ab einem bestimmten Zeitpunkt, wenn man so möchte, demokratisiert. Das heißt, sie finden sich an vielen Stellen im Internet wieder. Wir waren ja nicht die einzigen beim Spiegel, die damit gearbeitet haben. Auch der "'Guardian", die "New York Times" und andere haben darüber berichtet. Und dann in dieser Demokratisierungsphase finden sich einfach so viele Informationen im Internet wieder, dass die Leute ganz viele Möglichkeiten haben, sich zu informieren, und das ist auch in Ordnung so.
Liminski: Das Vertrauen in Politiker und auch in unsere Zunft ist in den letzten Jahren erheblich gesunken. Nun kommt WikiLeaks mit authentischem Material. Zieht WikiLeaks da eine publizistische Show ab, nur authentischer, oder ist das Medium für die Regierung tatsächlich gefährlich? Sie nennen Ihr Buch immerhin "Staatsfeind WikiLeaks".
Stark: Der große Wert der Dinge, die WikiLeaks jetzt sichtbar gemacht hat, ist die Authentizität des Materials, wo letztlich jeder sich ein eigenständiges Urteil bilden kann. Wir beim Spiegel, oder auch beim "Guardian", bei der "New York Times" haben, wenn man so möchte, eine Art Übermittlungsarbeit geleistet, indem wir uns hingesetzt haben und 250.000 Geheimdepeschen ausgewertet haben, 400.000 Berichte aus dem Irakkrieg. Aber am Ende ist es jedem möglich, dieses Material zu überprüfen, sich die Dokumente selber im Internet anzuschauen und zu gucken, was sagt mir das, und das macht natürlich den Scham und den Reiz dieses Materials aus und es macht auf der anderen Seite auch aus Sicht der Regierung die Gefahr aus. Wer allerdings 2,5 Millionen Menschen Zugang zu solch geheimem Material ermöglicht, wie es die Amerikaner getan haben, der muss natürlich auch damit rechnen, dass solche Geheimnisse durchsickern.
Liminski: Das ist ja doch unheimlich viel Material. Wie viele Leute haben eigentlich daran gesessen, um das zu sichten und nachher zu verdichten?
Stark: Wir haben beim Spiegel insgesamt 50 Kollegen gehabt, Redakteure, Dokumentare, die über mehrere Monate die diplomatischen Depeschen angeschaut haben. Das ist ein solches reichhaltiges Material, dass das nicht von ein, zwei, drei Leuten innerhalb von ein paar Wochen zu tun wäre.
Liminski: Wie sehen Sie die Entwicklung des Internets im Vergleich zu den Printmedien? Vielleicht ist WikiLeaks ja ein Feind der Printmedien?
Stark: WikiLeaks profitiert von einer technischen Revolution, und das sind die Möglichkeiten, die das Internet heutzutage bietet, Informationen mit ein, zwei, drei Mausklicks zu transformieren. Wenn es stimmt, dass Bradley Manning, der junge amerikanische Gefreite, verantwortlich dafür war, diese Informationen zu transformieren, dann hat es ein paar Mausklicks gedauert, bis sie aus dem Irak zu einem Server von WikiLeaks gekommen sind und von da aus weiterverbreitet wurden zum "Spiegel" und dann auf den WikiLeaks-Server. Ich glaube, diese technische Revolution, die dort erlebbar ist, die ist der erste entscheidende Punkt für den Erfolg von WikiLeaks.
Am Ende kommt es aus meiner Sicht trotz allem auf einen guten Journalismus an, nämlich auf die Frage, was sagt uns dieses Material. Allein eine halbe Million Berichte sagen noch nicht viel, man muss sie lesen können, man muss sie verstehen und man muss sie den Leuten auch vernünftig transportieren. Insofern habe ich keine Sorge um den Journalismus.
Liminski: WikiLeaks ist eng verbunden mit dem Gründer Assange. Der steckt derzeit in der Bredouille. Haben Sie Kontakt mit ihm?
Stark: Ja. Wir haben am Wochenende zweimal miteinander telefoniert, weil er ganz erkennbar auch neugierig war, was denn in unserem Buch stehen würde, was morgen erscheinen wird beziehungsweise heute in Teilen schon erhältlich ist. Ich habe ihn vor zwei Wochen besucht in Ellingham Hall, auf seinem Landsitz in England, wo er auf sein Auslieferungsverfahren wartet. Er ist ein in jeder Hinsicht außergewöhnlicher Mensch, der mal zu einem Treffen im Cafe auf Socken kommt, der, als er nach London eingereist ist und die Grenzkontrollen unbeschadet überstanden hat, schon mal ein Rad auf der Straße geschlagen hat, der sehr scharf sein kann, auch sehr verletzend gegenüber seinen Mitarbeitern, der ganz erkennbar einen hohen Intelligenzquotienten hat, einen interessanten Humor hat und wirklich ein außergewöhnlicher Mensch ist.
Liminski: Holger Stark war das, Mitautor des Buches "Staatsfeind WikiLeaks", das morgen auf den Markt kommt. Besten Dank für das Gespräch, Herr Stark.
Stark: Ich danke!