Karin Fischer: Die Briten herrschten 1912 am Nil, die Franzosen verwalteten die Altertümer, die Deutschen gruben. Der Wüstensand südlich von Kairo war auch machtpolitisch vermintes Gelände. Zum Fund der Nofretete der Historiker Olaf Matthes:
O-Ton Olaf Matthes: "James Simon, der Finanzier der Ausgrabungen, hätte sogar bis zu 36.000 Mark extra dafür ausgegeben, nur um diese eine Büste zu erwerben. 36.000 Mark war mehr als eine ganze Grabungskampagne in Amarna kostete. Das musste man nicht, weil die Büste nach damaligem Recht legal nach Berlin gekommen ist."
Fischer: Die "Fundteilung" war gesetzlich geregelt, ein Mitarbeiter der Ägyptischen Altertümerverwaltung an der Aufteilung Hunderter von Kisten beteiligt. Doch von der Büste der Nofretete konnte er nichts wissen. Auch wenn die Aktion damals also rechtens war - nach heutigen Maßstäben wurde die berühmte Königin wohl doch irgendwie "verschleppt".
Nofretete ist das weltberühmte Aushängeschild des Ägyptischen Museums in Berlin, auch wenn dort jetzt zum ersten Mal auch der Ort ihrer Entstehung und die kurze, aber wichtige Epoche beleuchtet werden. "Im Licht von Amarna" heißt die Schau - Carsten Probst, was erscheint nun denn zum ersten Mal in diesem Licht?
Carsten Probst: Das Schöne ist, dass sich eigentlich anhand dieser Geschichte von Echnaton und Nofretete so viel spekulieren lässt und dass man eigentlich relativ wenig weiß. Im Zentrum dieser ganzen Erzählung steht nur dieses Faktum. Es gibt eine Reihe exorbitant schöner Skulpturen, die für diese Zeit, in der sie entstanden sind, absolut ungewöhnlich sind und die offensichtlich geschaffen wurden für ein Königspaar, das seinerseits auch wieder einer sehr ungewöhnlichen Familie entstammte, nämlich in der beispielsweise Frauen- und Männerfiguren in der Herrscherfamilie nahezu gleichberechtigt in den Bildern auftauchen und darüber hinaus möglicherweise ein Programm illustrieren, ein politisch-religiöses Programm, das auf eine schwerwiegende Änderung der religiösen Verhältnisse der damaligen Zeit hindeutet. Fest steht außerdem: Echnaton hat als Herrscher offenkundig eine Art monotheistische Religion eingeführt, mit dem Sonnengott Aton als alleinigen Gott und einer Art Naturreligion, die sich dann in diesen außergewöhnlich schönen Körpern, schönen Gesichtern, die von Thutmosis für diese Regierungszeit Echnatons geschaffen wurden, widerspiegelt, und insofern kann man fast von einer Art politischem Programm vielleicht sprechen, von einer politischen Ikonografie, die genau nur für diese Zeit geschaffen worden ist.
Fischer: Damals, Anfang des vergangenen Jahrhunderts, sind ja Zehntausende von Objekten nach Berlin gebracht worden, und die meisten von ihnen waren bis vor Kurzem weder aufgearbeitet, noch irgendwann je gezeigt worden. Gibt es außer der Nofretete denn noch Dinge, die eine ähnliche kunsthistorische Relevanz haben?
Probst: Es ist schon spannend an sich, in diese Werkstatt des Thutmosis Einblick zu erhalten. Man erhält sozusagen einen ganz veritablen lebensnahen Einblick in das Schaffen eines Images, einer bestimmten Figurengruppe von Prinzessinnen, Königinnen, Königen, Pharaonen, von hoch stehenden Gottheiten oder von bestimmten hohen Regierungsbeamten. Man kann erleben, wie Thutmosis als Künstler an diesen Images in verschiedensten Proben, in verschiedensten Formen der Gesichterausprägung, der psychologischen Durchdringung der Figuren gearbeitet hat.
Fischer: Wie wird das gemacht, wie ist diese Werkstatt nachgeahmt worden?
Probst: Man sieht zunächst natürlich erst einmal Entwürfe, teilweise halb fertig, teilweise sehr schön durchgearbeitet. Man sieht Köpfe, die aufgestellt wurden, aber andererseits in einem Nebenraum kombiniert mit Grundrissen der Werkstatt, wie man sie ausgegraben hat, auch Aberhunderte von kleinsten Studien für Körperdetails, Hände, Füße, Gesichtszüge, Nasen, Ohren. Man hat quasi den Eindruck, alles, was sich finden ließ, deutet darauf hin, wie ein Image gestaltet wurde von Figuren, um diese neue Religion auch sozusagen über beeindruckende Gesichter, über beeindruckende Figuren dem Volk nahezubringen.
Fischer: Diese neue Sonnentheologie des Echnaton, die Sie jetzt schon zweimal erwähnt haben, wurde ja nur für eine kurze Zeit eingeführt, dann starb der König und es gab heftige Verschwörungstheorien eigentlich zu jeder Zeit zur Rolle seiner Frau dabei beziehungsweise danach. Wenn ich das recht verstehe, dann sind diese Verschwörungstheorien eigentlich als hinfällig zu betrachten im Lichte neuerer Erkenntnisse?
Probst: Man hat auf verschiedenen Schriftstücken aus dieser Zeit, auf Steinen Hinweise gefunden, dass Nofretete nun auch nach dem 16. Regierungsjahr von Echnaton mit ihm gemeinsam erwähnt wird, und das ist insofern bemerkenswert, weil es dort bisher eigentlich einen klaren Abbruch ihrer Geschichte gab. Sie war einfach verschwunden und man konnte sich nicht erklären, woran das lag: War sie einem Unglück zum Opfer gefallen, hatte sie sich vom Acker gemacht gewissermaßen? Nun aber tauchen die beiden auch im 17. Jahr noch einmal gemeinsam auf, und das begründet natürlich eine sehr feste Erbfolge für die nachfolgende Zeit. Der Bruch, der mit der Sonnengottzeit, mit der Aton-Zeit stattfand, kam von außen und lag sicherlich dann am Tode Echnatons, als dann auch die Büsten Echnatons zerschlagen wurden, und was auch deutlich macht, es ist ein absoluter Glücksfall, dass sich die Büste der Nofretete, so wie wir sie kennen, in dieser Form überhaupt erhalten hat.
Fischer: Vielen Dank an Carsten Probst für diese Einführung; die Ausstellung "Im Licht von Amarna" im Ägyptischen Museum in Berlin ist ab morgen offen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
O-Ton Olaf Matthes: "James Simon, der Finanzier der Ausgrabungen, hätte sogar bis zu 36.000 Mark extra dafür ausgegeben, nur um diese eine Büste zu erwerben. 36.000 Mark war mehr als eine ganze Grabungskampagne in Amarna kostete. Das musste man nicht, weil die Büste nach damaligem Recht legal nach Berlin gekommen ist."
Fischer: Die "Fundteilung" war gesetzlich geregelt, ein Mitarbeiter der Ägyptischen Altertümerverwaltung an der Aufteilung Hunderter von Kisten beteiligt. Doch von der Büste der Nofretete konnte er nichts wissen. Auch wenn die Aktion damals also rechtens war - nach heutigen Maßstäben wurde die berühmte Königin wohl doch irgendwie "verschleppt".
Nofretete ist das weltberühmte Aushängeschild des Ägyptischen Museums in Berlin, auch wenn dort jetzt zum ersten Mal auch der Ort ihrer Entstehung und die kurze, aber wichtige Epoche beleuchtet werden. "Im Licht von Amarna" heißt die Schau - Carsten Probst, was erscheint nun denn zum ersten Mal in diesem Licht?
Carsten Probst: Das Schöne ist, dass sich eigentlich anhand dieser Geschichte von Echnaton und Nofretete so viel spekulieren lässt und dass man eigentlich relativ wenig weiß. Im Zentrum dieser ganzen Erzählung steht nur dieses Faktum. Es gibt eine Reihe exorbitant schöner Skulpturen, die für diese Zeit, in der sie entstanden sind, absolut ungewöhnlich sind und die offensichtlich geschaffen wurden für ein Königspaar, das seinerseits auch wieder einer sehr ungewöhnlichen Familie entstammte, nämlich in der beispielsweise Frauen- und Männerfiguren in der Herrscherfamilie nahezu gleichberechtigt in den Bildern auftauchen und darüber hinaus möglicherweise ein Programm illustrieren, ein politisch-religiöses Programm, das auf eine schwerwiegende Änderung der religiösen Verhältnisse der damaligen Zeit hindeutet. Fest steht außerdem: Echnaton hat als Herrscher offenkundig eine Art monotheistische Religion eingeführt, mit dem Sonnengott Aton als alleinigen Gott und einer Art Naturreligion, die sich dann in diesen außergewöhnlich schönen Körpern, schönen Gesichtern, die von Thutmosis für diese Regierungszeit Echnatons geschaffen wurden, widerspiegelt, und insofern kann man fast von einer Art politischem Programm vielleicht sprechen, von einer politischen Ikonografie, die genau nur für diese Zeit geschaffen worden ist.
Fischer: Damals, Anfang des vergangenen Jahrhunderts, sind ja Zehntausende von Objekten nach Berlin gebracht worden, und die meisten von ihnen waren bis vor Kurzem weder aufgearbeitet, noch irgendwann je gezeigt worden. Gibt es außer der Nofretete denn noch Dinge, die eine ähnliche kunsthistorische Relevanz haben?
Probst: Es ist schon spannend an sich, in diese Werkstatt des Thutmosis Einblick zu erhalten. Man erhält sozusagen einen ganz veritablen lebensnahen Einblick in das Schaffen eines Images, einer bestimmten Figurengruppe von Prinzessinnen, Königinnen, Königen, Pharaonen, von hoch stehenden Gottheiten oder von bestimmten hohen Regierungsbeamten. Man kann erleben, wie Thutmosis als Künstler an diesen Images in verschiedensten Proben, in verschiedensten Formen der Gesichterausprägung, der psychologischen Durchdringung der Figuren gearbeitet hat.
Fischer: Wie wird das gemacht, wie ist diese Werkstatt nachgeahmt worden?
Probst: Man sieht zunächst natürlich erst einmal Entwürfe, teilweise halb fertig, teilweise sehr schön durchgearbeitet. Man sieht Köpfe, die aufgestellt wurden, aber andererseits in einem Nebenraum kombiniert mit Grundrissen der Werkstatt, wie man sie ausgegraben hat, auch Aberhunderte von kleinsten Studien für Körperdetails, Hände, Füße, Gesichtszüge, Nasen, Ohren. Man hat quasi den Eindruck, alles, was sich finden ließ, deutet darauf hin, wie ein Image gestaltet wurde von Figuren, um diese neue Religion auch sozusagen über beeindruckende Gesichter, über beeindruckende Figuren dem Volk nahezubringen.
Fischer: Diese neue Sonnentheologie des Echnaton, die Sie jetzt schon zweimal erwähnt haben, wurde ja nur für eine kurze Zeit eingeführt, dann starb der König und es gab heftige Verschwörungstheorien eigentlich zu jeder Zeit zur Rolle seiner Frau dabei beziehungsweise danach. Wenn ich das recht verstehe, dann sind diese Verschwörungstheorien eigentlich als hinfällig zu betrachten im Lichte neuerer Erkenntnisse?
Probst: Man hat auf verschiedenen Schriftstücken aus dieser Zeit, auf Steinen Hinweise gefunden, dass Nofretete nun auch nach dem 16. Regierungsjahr von Echnaton mit ihm gemeinsam erwähnt wird, und das ist insofern bemerkenswert, weil es dort bisher eigentlich einen klaren Abbruch ihrer Geschichte gab. Sie war einfach verschwunden und man konnte sich nicht erklären, woran das lag: War sie einem Unglück zum Opfer gefallen, hatte sie sich vom Acker gemacht gewissermaßen? Nun aber tauchen die beiden auch im 17. Jahr noch einmal gemeinsam auf, und das begründet natürlich eine sehr feste Erbfolge für die nachfolgende Zeit. Der Bruch, der mit der Sonnengottzeit, mit der Aton-Zeit stattfand, kam von außen und lag sicherlich dann am Tode Echnatons, als dann auch die Büsten Echnatons zerschlagen wurden, und was auch deutlich macht, es ist ein absoluter Glücksfall, dass sich die Büste der Nofretete, so wie wir sie kennen, in dieser Form überhaupt erhalten hat.
Fischer: Vielen Dank an Carsten Probst für diese Einführung; die Ausstellung "Im Licht von Amarna" im Ägyptischen Museum in Berlin ist ab morgen offen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.