"I think they're arriving. Here they are."
Gerade eben noch saß Mandy Douglas in einem leeren, stillen Café im Herzen Londons. Nun füllen sich die Tische mit Jugendlichen und einigen Helfern in roten T-Shirts. Mit der Ruhe ist es jetzt vorbei.
"Life without limits for blind children" steht auf den roten T-Shirts. Und "RSBC". Die Royal Society for Blind Children, für die Mandy Douglas arbeitet, hat zum monatlichen Supper Club geladen. Alle Teilnehmer hier sind blind oder sehbehindert.
"Die Sache ist: Sehbehinderung ist eher selten. Es ist unwahrscheinlich, dass du in der nächsten Straße noch jemandem mit so einer Behinderung findest. Hier hingegen bauen die Jugendlichen schnell Beziehungen zu einander auf. Die Behinderung verbindet sie. Das hilft ihnen über die Dinge zu sprechen, die sie beschäftigen."
Apps, Politik, Musik sind die Gesprächsthemen
Charlotte ist fast jeden Monat dabei. Die Mittzwanzigerin ist unabhängig, berufstätig und hat viele Freunde, die nicht blind sind. Aber das sei nicht das Gleiche.
"Ich kann denen erklären, was mich bewegt. Die sind für mich da. Die unterstützen mich. Aber die verstehen es nicht. Hier hingegen spreche ich mit jemandem und weiß, dass ich verstanden werde. Das macht den Unterschied."
Das heißt aber nicht, dass hier an den Tischen des Thenga Café über Sehbehinderung gesprochen wird. Es geht um Technologie und Apps, um Politik und Musik. "I make music. And do a lot of recording."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Allein auf der Insel - Großbritannien und die Einsamkeit".
Einige der Jugendlichen machen selbst Musik. So wie Yash. Vor kurzem hat der 18-Jährige seinen ersten Song veröffentlicht: "Benevolence". Auch Yash kommt regelmäßig zum Supper Club. Heute gibt es indisches Essen. Hinter der Theke dampfen Roti und Linsencurry.
"The main thing I find good about the supper club is, apart from the free food, you just get to talk to your friends, just have a chill time."
Alle hier freuen sich über das kostenlose Essen. Aber auch Yash ist vor allem wegen der Leute hier.
"In meiner Freizeit bin ich meistens nur Zuhause. Ich mache entweder Musik oder spiele am Computer oder langweile mich. Eine der drei Sachen. Jeden Tag das Gleiche. Jetzt, da die Prüfungen vorbei sind, habe ich sonst kaum was zu tun."
Treffen mit Freunden fällt schwer
Rund 45.000 Kinder und Jugendliche in Großbritannien sind sehbehindert. Einfach aus dem Haus gehen, durch die halbe Stadt fahren und Freunde treffen ist für viele der betroffenen Teenager nur schwer möglich.
"Mir persönlich fallen vor allem Zugwechsel schwer. Wenn du noch nie da warst und die Schilder nicht lesen kannst, ist es unmöglich, von A nach B zu kommen, ohne vorauszuplanen oder zu wissen, was auf dich zukommt. Aber das geht nicht nur mir so."
Charlotte, die aufgrund einer Krankheit mit 18 fast vollständig erblindete, bewegt sich heute selbstbewusst durch London. Das war aber nicht immer so.
"Früher bekam ich Panik: Was, wenn ich stolpere. Was, wenn irgendwas Doofes passiert. Was, wenn mir ein Freund begegnet, ich ihn nicht erkenne und ignoriere. Solche kleinen Sachen haben mir wirklich Angst gemacht."
Und wer sich nicht aus dem Haus traut, vereinsamt schnell.
"Viele Menschen erkennen nicht, dass sehbehinderte Jugendliche einsam sind. Die sehen nur die Behinderung, aber nicht deren seelische Gesundheit."
Man müsse nur den Alltag eines blinden und eines sehenden 14-Jährigen vergleichen, sagt Mandy Douglas. Da merke man schnell: Die Jugendlichen teilen selten dieselben Erfahrungen.
"So that creates loneliness on its own."
Mit öffentlichen Geldern finanziert
Der Supper Club soll das ändern. Die Jugendlichen können hier ohne Eltern oder Lehrer zusammen Zeit verbringen. So wie all die anderen Teenager da draußen. Teilnehmer wie Yash sollen so Selbstbewusstsein sammeln, um sich irgendwann selbstständig mit Freunden in Restaurants zu treffen.
"Es ist eine Art Übung, die wir normalerweise durchlaufen, wenn wir mit Gleichaltrigen zur Schule gehen. Aber wenn man in der Schule von den meisten seiner Altersgenossen getrennt wird, kann man das nicht üben."
Derzeit wird das Pilotprojekt mit öffentlichen Geldern finanziert. Die Royal Society for blind children profitiert von einer nationalen Kampagne gegen Einsamkeit. Aber was passiert mit dem Projekt, wenn die Finanzierung ausläuft? Mandy Douglas ist zuversichtlich. Sie glaubt, dass sie dann private Geldgeber auftreiben kann.
"Wenn es erfolgreich ist, finden wir einen Weg, es weiterzuführen. Schließlich gibt es uns genau deswegen: Kein sehbehindertes Kind sollte arm oder einsam sein, nur weil es blind ist."