Vergangenen Herbst gewinnt die deutsche Blindenfußballnationalmannschaft der Frauen die Europameisterschaften in Pescara. Es ist die erste offizielle Europameisterschaft der Blindenfußballerinnen.
Strukturen gibt es im Frauenbereich kaum, teilgenommen haben deshalb auch nur zwei Nationen: Deutschland und England: Deutschland gewinnt beide Spiele mit 4:0, alle acht Tore erzielt die erst 16-Jährige Thoya Küster.
Thoya Küster beschreibt den Weg zur EM so: "Ich habe auch erst gar nicht daran gedacht, dass wir überhaupt Europameister werden könnten. Weil dieses Ziel, dass wir überhaupt zur EM gefahren sind, das war erst einmal so, als ob wir schon etwas erreicht haben. Also die meisten Spielerinnen außer ich, eigentlich alle außer ich, haben vielleicht sechs Monate nur gespielt. Höchstens. Und sind schon mit zur EM gefahren, das ist unglaublich."
FC St. Pauli ebnet den Weg
Maßgeblich verantwortlich für die Gründung einer Nationalmannschaft im Frauenbereich war der FC St. Pauli, der als einziger Verein in Deutschland auch eine Frauenmannschaft hat. Um an der letztjährigen Europameisterschaft teilnehmen zu können, ist das Team auf Crowdfunding-Aktionen und private Sponsoren angewiesen.
Anders als die Blindenfußball-Herren, die vom Deutschen Behindertensportverband und der Sepp-Herberger-Stiftung des DFB unterstützt werden, erhalten die Frauen von den Sportverbänden in Deutschland keine finanzielle Hilfe.
Lediglich die Anmeldung erfolgt über den Deutschen Behindertensportverband. "Wir leben im Jahr 2023, also, warum ist das jetzt immer noch so? Ich versteh's nicht", sagt Thoya Küster.
Auf Deutschlandfunk-Anfrage gibt der Deutsche Fußball-Bund an:
„Fragen zur Förderung der Nationalmannschaft der Blindenfußballerinnen sollten in unserem Verständnis an den Deutschen Behindertensportverband gerichtet werden."
"Zu einer 'Interessengemeinschaft' zusammen gefunden"
Der Direktor für Leistungssport des Behindertensportverbandes, Frank-Thomas Hartleb erklärt:
"Es gibt einige Frauen, die Fußball spielen, die sehbehindert sind, die blind sind. Meistenteils aus dem Verein St. Pauli in Hamburg und die sich, ich will es mal nennen, zu einer 'Interessengemeinschaft' zusammen gefunden haben und dort ein bisschen Fußball spielen, wo grundsätzlich auch gar nichts gegen ein zu wenden ist. Allerdings daraus den Schluss zu ziehen, es wäre eine Nationalmannschaft, das wäre sicherlich viel zu weit gegriffen. Der DBS fördert paralympische Sportarten in den Nationalmannschaften, die er auch anerkannt hat."
Im Blindenfußball sind bisher nur die Männer Teil des Paralympischen Programms. Der Status als Paralympische Sportart sei aber eine Grundvoraussetzung für die Förderung durch den DBS, so DBS-Sportdirektor Hartleb.
"Wir haben die EM gewonnen. Natürlich sind wir eine Nationalmannschaft. Und ich verstehe das nicht, da bin ich ganz ehrlich. Für mich ist das eher eine Ausrede, warum man uns nicht unterstützen möchte. Und unverständlich", agt Nationalspielerin Thoya Küster im Deutschlandfunk Players Podcast.
Kein Geld für Reisen, für Verpflegung oder Unterkunft
Die Anmeldung zur EM erfolgt in diesem, wie auch im letzten Jahr über den Deutschen Behindertensportverband. Von deren Seite gibt es weiterhin keine finanzielle Unterstützung.
Die Mannschaft selbst trifft sich vor der WM regelmäßig zum Training. Verantwortlich dafür ist Wolf Schmidt, der auch die Herren Bundesliga-Mannschaft des FC St. Pauli trainiert. "Trainingslager machen wir immer in Hamburg. Weil, wir kriegen kein Geld dafür, dass die untergebracht werden. Wir kriegen kein Geld dafür, für irgendwie Reise. Wir kriegen kein Geld für Verpflegung. Und was machen wir dann: Picknick. Jeder macht ein paar Portionen mehr. Spielerinnen lassen andere Spielerinne bei sich übernachten, um das zu machen."
„Es fühlt sich sehr ungerecht an, weil ich sehe, was die Männer-Nationalmannschaft so alles hat und bekommt", sagt Nationalspielerin Thoya Küster.
"Als, wir haben letztes Jahr Trikots bekommen, von denen, aber das keine Ahnung, die Trikots haben alle nicht gepasst oder hatten nicht unsere Nummern. Sondern das war einfach ein Set von Nummern. Und wir mussten dann entscheiden: Das ist die Größe, du bekommst die Nummer. Ich hatte davor die 10, das ist meine Nummer, und habe dann plötzlich die 6 bekommen. Also das fand ich alles – ging gar nicht, muss ich ehrlich sagen."
Von öffentlicher Anerkennung keine Spur
Wolf Schmitt, Trainer der Blindenfußballerinnen, schätzt, dass die Teilnahme an der Weltmeisterschaft im englischen Birmingham dieses Jahr insgesamt 65.000 Euro kosten wird.
"Also das sind Dimensionen und das macht auch so ein bisschen diese, sagt man dann vielleicht auch Enttäuschung oder auch irgendwie so, dieses nicht verstehen deutlich, weil Verbände, die haben Geld geben, hier und da und hin und her und eine Teilnahme für so ein Turnier, was ja eigentlich auch dann eigentlich auch mit einer öffentlichen Anerkennung verbunden sein sollte, bleibt einem einzelnen Vereinen überlassen beziehungsweise den Athletinnen in Eigenverantwortung."
Wie bei der Europameisterschaft hat sich das Team auch dieses Mal durch Crowdfunding und Unterstützung von privaten Stiftungen und Sponsoren die Teilnahme finanziert.“
Ab dem 12. August geht es dann für die Frauen bei den Weltmeisterschaften in Birmingham gegen die Gegnerinnen aus Marokko, Großbritannien, Japan, Argentinien und Mali. Der Erfolg bei dem Turnier wird sicherlich auch für die zukünftige Unterstützung der Mannschaft eine wichtige rolle spielen.