Damit Menschen mit Sehbehinderung Fußball erleben können, brauchen sie ein besondere Spielbeschreibung - die sogenannte Blindenreportage. Im Stadion können Sie sich in der Regel einen Funkempfänger mit Kopfhörern ausleihen und bekommen darüber diese spezielle Spielbeschreibung.
"Verkappte Fernsehreporter sind bei der Blindenreportage komplett falsch, weil wir versuchen jeden Pass, jede Bewegung, alles was da unten mit dem Spiel an sich zu tun hat zu übersetzen in Wörter. Und das so wertfrei wie möglich: selbst ‚schöner Pass‘ ist schon eigentlich zu viel Wertung", sagt Björn Naß. Er ist einer der verantwortlichen Redakteure des Handbuches zur Blindenreportage im Fußball und bildet auch selbst Reporter aus.
"Wenn ich ein gutes Sprechsehen habe, sprich alles was ich sehe sofort in Wörter zu übersetzen und auch am besten genau in der Sekunde, wo es passiert. Das ist eine Riesengabe, die ist nicht jedem gegeben."
90 Minuten auf Ballhöhe
Blindenreporter müssen 90 Minuten auf Ballhöhe sein und dabei ist Schweigen verboten. Die Nutzenden sollen sich jederzeit selbst eine Meinung zum Spiel bilden können. Ursprünglich kommt die Idee aus England. In Deutschland ging es am 15. Oktober 1999 beim Bundesligaspiel zwischen Bayer Leverkusen und dem SSV Ulm los.
Als Reporter wählte der Verein den damaligen Jugendtrainer Burak Yildirim aus. Der kann nur mutmaßen, warum: "Wahrscheinlich hat man sich gedacht: Der ist jung, verfügt über ein bisschen Zeit und vielleicht kann er auch ein bisschen quatschen. Vom Fußball muss man ein bisschen was verstehen, ich war selber aktiver Fußballer. Allerdings muss man fairerweise sagen: ich hatte ja im Bereich Fußballreportage keinerlei Erfahrung, so dass ich das mehr oder weniger autodidaktisch versucht habe umzusetzen."
Sechs Zuhörende beim ersten Spiel
Yildirim hatte nur ein paar Wochen Zeit zur Vorbereitung. Ein Handbuch gab es damals noch nicht. Am Anfang bekam er Unterstützung von der WDR-Reporterlegende Karl-Heinz Vest. Beim ersten Spiel hatte er sechs Zuhörende und profitierte davon, dass er direkt neben ihnen sitzen konnte: "Weil ich vor dem Spiel mit den Gästen sprechen konnte. Auch ganz klar gesagt habe: da sitzt ein absoluter Grünschnabel. Das heißt ich werde alles mögliche tun, das einigermaßen greifbar, spürbar, erlebbar zu machen. Ihr müsst mir aber zwischendrin, spätestens in der Halbzeitpause, eine Rückmeldung geben, wie sich das für euch anhört."
Über die Jahre kamen neben Leverkusen immer mehr Vereine dazu. Zwischenzeitlich hatten alle Erst- und Zweitligisten eigene Sitzplätze im Stadion mit einer speziellen Spielbeschreibung für sehbehinderte Fans. Aktuell fehlt dieser Service in Elversberg, Ulm und Münster. Über den Fußball hinaus hat die Blindenreportage auch in anderen Sportarten vereinzelt ihren Platz. Zum Beispiel bei den Heimspielen der Kölner Haie in der Deutschen Eishockey-Liga.
Qualität der Spielbeschreibung unterschiedlich
Wer Blindenreporter werden möchte, bekommt ein bis zwei Jahre eine Ausbildung. Auch danach gibt es immer wieder die Möglichkeit für weitere Schulungen. Das Publikum hört ganz genau hin: Immer wieder gibt es Kritik, weil die Qualität der Spielbeschreibung doch sehr unterschiedlich ist. In manchen Stadien sei gerade die Schilderung einer Torchance oft nicht auf den Punkt, so dass gut und gerne 15 Sekunden vergehen können, bis klar wird, wo genau der Ball eigentlich gelandet ist.
Mit den Nutzenden direkt ins Gespräch kommen und dadurch besser werden ist oft aber nicht mehr so einfach. Viele Reporter sitzen inzwischen auf der Pressetribüne. Und auch finanziell gibt es von Verein zu Verein große Unterschiede. "Mittlerweile sind einige Vereine so weit, dass sie es vergüten, auch aus versicherungstechnischen Gründen", erzählt Björn Naß. "In anderen Vereinen wird es auch wie eine journalistische Tätigkeit vergütet, was ich auch als sinnvoll und richtig empfinde, weil es ist wirklich Hochleistungsjournalismus. Aber es gibt auch immer noch viele Vereine, die auf diesem Ehrenamt sich ausruhen und sagen: naja gut, die sind halt da und dann machen wir das halt ehrenamtlich weiter, das haben wir noch nie anders gemacht. Das merkt man auch bei den Netzwerktreffen, dass das auch zu Unfrieden in der Gruppe führen kann."
DFL regelt Bedingungen für Blindenreporter nicht
Die Deutsche Fußball Liga könnte den Vereinen über die Lizenzierungsauflagen vorgeben, dass sie ihre Reporter bezahlen müssen. Das tut sie aber bewusst nicht. Ein Sprecher schreibt dazu in einer Stellungnahme: "Ob sich eine vergütete Festanstellung positiv auf die Qualität einer Reportage auswirkt, lässt sich nicht abschließend verifizieren. Das Ehrenamt ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. In manchen Clubs sind zum Beispiel Studierende aktiv, die diese Aufgabe sehr ernst nehmen und durch ihre Tätigkeit spannende Einblicke in das Berufsfeld Profifußball erhalten."
Auch bei der Frage, wie viele Sitzplätze jeder Verein für eine Blindenreportage zur Verfügung stellt, spricht die DFL lediglich Empfehlungen aus. Fünf Plätze pro 10.000 Zuschauern sollten es sein. Das führt zum Beispiel dazu, dass Borussia Dortmund im größten deutschen Stadion nur 20 Plätze anbietet. In Stuttgart gibt es trotz kleinerem Stadion die doppelte Kapazität.