Morgens um fünf in Kikuyu, rund 20 Kilometer von Kenias Hauptstadt Nairobi entfernt: Zwei Männer in neon-grünen atmungsaktiven Oberteilen und engen schwarzen Laufhosen, rennen im Gleichschritt die holprigen Lehmpisten entlang. Das Gespann ist an den Handgelenken durch eine 30 Zentimeter lange Leine miteinander verbunden.
"Damit führe ich Henry","
erklärt Joseph Kibunja (38).
Kibunja ist der Führer von Kenias blindem Laufwunder, Henry Wanyoike (38).
""Joseph ist mein Auge, mein Ein und Alles. Wir sind immer zusammen. Er ist ein sehr, sehr guter Freund von mir und jemand dem ich voll vertraue","
schnauft Wanyoike während er neben Kibunja die rutschigen Hügel rund um seinen Heimatort Kikuyu rauf und runter trabt.
Jeder hier kennt "Henry und Joseph". Während des allmorgendlichen Trainings müssen sie ständig grüßen: Freunde, Bekannte und Bewunderer. Bei einem kurzen Zwischenstopp an einem Kiosk erzählt eine 40-jährige Kundin begeistert.
""Wanyoike ist ein Held. Er lebt vor, dass eine Behinderung einen an nichts hindert. Er unterstützt die Armen und geht mit gutem Beispiel voran."
Neben ihr steht Leonard Mbito, ein Pastor von Kikuyu:
"Henry ist Ansporn für jung und alt. Er ist ein guter Mensch, ein Vorbild. Obwohl er blind ist, tut er mehr für das Gemeinwohl, als andere, die nicht behindert sind."
Nach gut einer Stunde Trainingslauf machen Henry und Joseph Dehnungsübungen auf dem "Sportplatz" des Dorfes in dem Henry aufgewachsen ist: Ein matschiges braun-grünes Feld. Doch der immer gut gelaunte Wanyoike sieht es stets positiv:
"Der Boden ist nicht ideal fürs Training, uneben und bei Regen glitschig. Es ist schwierig. Andererseits – wenn wir außerhalb von Kenia, an Laufwettbewerben teilnehmen, laufen wir auf Teerstraßen – das ist dann umso leichter. Einen Trainer haben wir nur, wenn wir bei internationalen Wettkämpfen Kenia vertreten. Selbst können wir uns keinen leisten. Also trainieren wir uns selber."
Und das sehr erfolgreich: Mehrfach Gold und Silber, drei Weltrekorde über 5000 und 10 000 Meter, Siege auf der Marathonstrecke. Kaum ein Lauf bei dem der blinde Athlet seinen Konkurrenten nicht davon spurtet. Den Ruf als "Laufwunder" holte er sich 2000 in Sydney, bei den Paralympics, gleich bei seinem ersten Start außerhalb von Kenia. Mitten auf der 5000 Meter Strecke klappte sein damaliger Führer John mit Malaria zusammen, kurzerhand schulterte Wanyoike ihn und zerrte ihn – angeleitet durch Zurufe vom Publikum - über die Ziellinie. Das war seine erste Goldmedaille.
"Ich bin sehr stolz auf meinen Sohn. Er kann so ziemlich alles erreichen, wenn er will. Wenn wir ihn hier Zuhause alleine lassen, melkt er die Kühe, schneidet das Gras mit einer Machete und füttert die Tiere","
erzählt seine Mutter. Wanyoike lebt mit seiner Frau und vier Kindern in einer kleinen Holzhütte. Schräg gegenüber wohnt seine Mutter, Gladis, die sich nur ungern an den Tag an dem Wanyoike erblindete erinnert.
""Ich dachte es sei der Weltuntergang","
seufzt die alte Dame.
""Ich verlor über Nacht 95 % meines Augenlichts. An diesem Tag im April 1995 stand die Welt plötzlich Kopf, es fühlte sich an wie das Ende. Ich fragte mich die ganze Zeit "warum ich?" Ich hatte offenbar einen leichten Schlaganfall gehabt und das hat meinen Sehnerv beeinflusst."
Wanyoike fiel in eine tiefe Depression. Sein Schultraum einmal ein erfolgreicher Läufer zu werden, schien für immer beerdigt. Hoffnung schöpfte er erst wieder in der Reha - in Machakos, Ostafrikas einzigem Reha-Zentrum für Erwachsene mit Sehschwäche. Eine Mitarbeiterin der Christoffel Blindenmission, die Wanyoike in der Augenklinik von Kikuyu betreute, hatte ihn dorthin vermittelt.
Wanyoike lernte weitgehend unabhängig zu sein.
"Ich lernte mit dem Blindenstock zu gehen, die Blindenschrift Braille zu entziffern und machte eine Ausbildung","
erzählt der untersetzte Mann. Mit Ende 20 wurde er Kenias erster Strickmeister, begann wieder zu laufen und gründete schließlich die Henry Wanyoike Stiftung, die Kinder und Jugendliche mit Behinderungen sowie Aidswaisen unterstützt.
Auch wenn er gute Chancen hat, erneut eine Goldemedaille bei den Paralympics in London zu gewinnen, sagt der immer lächelnde Athlet zufrieden:
""Ich habe alle Medaillen gewonnen, die ich gewinnen konnte. Meine Träume liegen nicht mehr im Laufen, sondern in den gemeinnützigen Projekten meiner Stiftung. Mein Motto und meine Botschaft an den Rest der Welt: Ich habe zwar mein Augenlicht verloren, aber nicht meinen Weitblick und die Hoffnung noch etwas zu erreichen."
"Damit führe ich Henry","
erklärt Joseph Kibunja (38).
Kibunja ist der Führer von Kenias blindem Laufwunder, Henry Wanyoike (38).
""Joseph ist mein Auge, mein Ein und Alles. Wir sind immer zusammen. Er ist ein sehr, sehr guter Freund von mir und jemand dem ich voll vertraue","
schnauft Wanyoike während er neben Kibunja die rutschigen Hügel rund um seinen Heimatort Kikuyu rauf und runter trabt.
Jeder hier kennt "Henry und Joseph". Während des allmorgendlichen Trainings müssen sie ständig grüßen: Freunde, Bekannte und Bewunderer. Bei einem kurzen Zwischenstopp an einem Kiosk erzählt eine 40-jährige Kundin begeistert.
""Wanyoike ist ein Held. Er lebt vor, dass eine Behinderung einen an nichts hindert. Er unterstützt die Armen und geht mit gutem Beispiel voran."
Neben ihr steht Leonard Mbito, ein Pastor von Kikuyu:
"Henry ist Ansporn für jung und alt. Er ist ein guter Mensch, ein Vorbild. Obwohl er blind ist, tut er mehr für das Gemeinwohl, als andere, die nicht behindert sind."
Nach gut einer Stunde Trainingslauf machen Henry und Joseph Dehnungsübungen auf dem "Sportplatz" des Dorfes in dem Henry aufgewachsen ist: Ein matschiges braun-grünes Feld. Doch der immer gut gelaunte Wanyoike sieht es stets positiv:
"Der Boden ist nicht ideal fürs Training, uneben und bei Regen glitschig. Es ist schwierig. Andererseits – wenn wir außerhalb von Kenia, an Laufwettbewerben teilnehmen, laufen wir auf Teerstraßen – das ist dann umso leichter. Einen Trainer haben wir nur, wenn wir bei internationalen Wettkämpfen Kenia vertreten. Selbst können wir uns keinen leisten. Also trainieren wir uns selber."
Und das sehr erfolgreich: Mehrfach Gold und Silber, drei Weltrekorde über 5000 und 10 000 Meter, Siege auf der Marathonstrecke. Kaum ein Lauf bei dem der blinde Athlet seinen Konkurrenten nicht davon spurtet. Den Ruf als "Laufwunder" holte er sich 2000 in Sydney, bei den Paralympics, gleich bei seinem ersten Start außerhalb von Kenia. Mitten auf der 5000 Meter Strecke klappte sein damaliger Führer John mit Malaria zusammen, kurzerhand schulterte Wanyoike ihn und zerrte ihn – angeleitet durch Zurufe vom Publikum - über die Ziellinie. Das war seine erste Goldmedaille.
"Ich bin sehr stolz auf meinen Sohn. Er kann so ziemlich alles erreichen, wenn er will. Wenn wir ihn hier Zuhause alleine lassen, melkt er die Kühe, schneidet das Gras mit einer Machete und füttert die Tiere","
erzählt seine Mutter. Wanyoike lebt mit seiner Frau und vier Kindern in einer kleinen Holzhütte. Schräg gegenüber wohnt seine Mutter, Gladis, die sich nur ungern an den Tag an dem Wanyoike erblindete erinnert.
""Ich dachte es sei der Weltuntergang","
seufzt die alte Dame.
""Ich verlor über Nacht 95 % meines Augenlichts. An diesem Tag im April 1995 stand die Welt plötzlich Kopf, es fühlte sich an wie das Ende. Ich fragte mich die ganze Zeit "warum ich?" Ich hatte offenbar einen leichten Schlaganfall gehabt und das hat meinen Sehnerv beeinflusst."
Wanyoike fiel in eine tiefe Depression. Sein Schultraum einmal ein erfolgreicher Läufer zu werden, schien für immer beerdigt. Hoffnung schöpfte er erst wieder in der Reha - in Machakos, Ostafrikas einzigem Reha-Zentrum für Erwachsene mit Sehschwäche. Eine Mitarbeiterin der Christoffel Blindenmission, die Wanyoike in der Augenklinik von Kikuyu betreute, hatte ihn dorthin vermittelt.
Wanyoike lernte weitgehend unabhängig zu sein.
"Ich lernte mit dem Blindenstock zu gehen, die Blindenschrift Braille zu entziffern und machte eine Ausbildung","
erzählt der untersetzte Mann. Mit Ende 20 wurde er Kenias erster Strickmeister, begann wieder zu laufen und gründete schließlich die Henry Wanyoike Stiftung, die Kinder und Jugendliche mit Behinderungen sowie Aidswaisen unterstützt.
Auch wenn er gute Chancen hat, erneut eine Goldemedaille bei den Paralympics in London zu gewinnen, sagt der immer lächelnde Athlet zufrieden:
""Ich habe alle Medaillen gewonnen, die ich gewinnen konnte. Meine Träume liegen nicht mehr im Laufen, sondern in den gemeinnützigen Projekten meiner Stiftung. Mein Motto und meine Botschaft an den Rest der Welt: Ich habe zwar mein Augenlicht verloren, aber nicht meinen Weitblick und die Hoffnung noch etwas zu erreichen."