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Blockade im Gehirn

Neurowissenschaft.- Spanische Wissenschaftler von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona haben herausgefunden, warum notorische Kiffer häufig extrem vergesslich sind und unter Lernschwächen leiden.

Von Kristin Raabe | 04.08.2009
    Überraschend schlechte Schulnoten sind nicht selten ein erstes Signal, das bei Teenagern auf einen erhöhten Cannabiskonsum hinweist. Der in jedem Joint enthaltende Wirkstoff THC verursacht Gedächtnisstörungen. Wenn Jugendliche viel kiffen, können sie also nicht behalten, was ihnen der Lehrer erzählt. Warum THC Gedächtnisverluste auslöst, war bislang allerdings nicht bekannt.

    Spanische Forscher von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona konnten das Rätsel nun lösen. Sie haben in Mäusen untersucht, was passiert, wenn THC im Gehirn an die sogenannten Cannabinoid-Rezeptoren bindet. An diese Bindungsstellen von Nervenzellen docken normalerweise körpereigene Botenstoffe an. Die Bindung von THC an diese Rezeptoren ist allerdings viel stärker. Emma Puighirmanal hat sich genau angeschaut, welche Reaktionen THC in den Hirnzellen auslöst.

    "Wenn THC an diese Rezeptoren bindet, dann aktiviert es dadurch einen bestimmten Signalweg in der Zelle. Dessen wichtigstes Protein heißt mTOR. Es löst eine ganze Kaskade von Reaktionen aus, die dazu führen, dass zahlreiche Eiweiße in der Zelle gebildet werden. Wenn wir mTOR blockieren, können wir damit bei Mäusen auch den durch THC verursachten Gedächtnisverlust verhindern."

    Der mTor Signalweg ist an einer ganzen Vielzahl von Reaktionen in Zellen beteiligt. Er beeinflusst das Wachstum, die Sauerstoffkonzentration und den Energiehaushalt. Außerdem sorgt er dafür, dass viele andere Proteine in der Zelle synthetisiert werden. Weil mTor so viele Funktionen hat, kann die spanische Wissenschaftlerin bislang nur spekulieren, auf welche Weise die Aktivierung des mTor-Signalwegs durch THC nun den Gedächtnisverlust auslöst.

    "Dieser Signalweg ist für so viele verschiedene Sachen in der Zelle verantwortlich. Vielleicht sorgt er dafür, dass ein bestimmtes Protein synthetisiert wird, das den Gedächtnisverlust verursacht. Oder THC führt zu einer Überaktivierung des mTor-Signalweges. Das könnte dann die Mechanismen unterbrechen, die für die Gedächtnisbildung verantwortlich sind und so zum Gedächtnisverlust beitragen."

    Glücklicherweise gibt es schon jetzt Substanzen, die den mTor-Signalweg unterbrechen können. An Mäusen hat Emma Puigharmanal bereits untersucht, ob sich damit auch die durch THC ausgelöste Vergesslichkeit verhindern lässt.

    "Diese Studie ist wichtig, weil sie uns neue Türen öffnet, um die negative Wirkung von THC zu vermeiden. Wenn Patienten THC aus medizinischen Gründen konsumieren, können wir ihnen in Zukunft vielleicht zusätzliche Medikamente geben, die den mTor Signalweg blockieren. Damit ließe sich dann auch die unerfreuliche Nebenwirkung des Gedächtnisverlustes verhindern."

    Alle verfügbaren Medikamente, die den mTor-Signalweg ausschalten, haben selbst viel zu viele Nebenwirkungen, um sie Cannabiskonsumenten einfach so zu verabreichen. Sie unterdrücken beispielsweise das Immunsystem. Die spanischen Forscher wollen nun gezielt nach Wirkstoffen suchen, die ausschließlich den mTor-Signalweg im Gedächtniszentrum des Gehirns blockieren. Bis sie erfolgreich sind, gilt weiterhin: Wer regelmäßig kifft, riskiert vergesslich zu werden.