Bei Filmfestivals können "bad hair"-Vorführungen zu echten Nacken- und Gemütsverspannungen führen. Gestern Abend zum Beispiel, da musste ich knapp drei Stunden lang die englische Übersetzung des rumänischen Wettbewerbsfilms "Sieranevada" durch die Fönfrisur eines Mannes lesen. Durch eine Fönfrisur lesen? Im Deutschaufsatz würde diese Formulierung mit Punktabzug geahndet; im Festivalalltag ist sie gnadenlose Wirklichkeit. Es reichte wohl nicht, dass die Haarpracht des Herrn in der Reihe vor mir selbst am Abend noch über beneidenswerte Fülle verfügte und mir damit den Blick auf die sinngebende Schrift versperrte. Nein - ob Tick, juckende Kopfhaut oder bloße Eitelkeit? – er fuhr sich wieder und wieder mit seinen Händen durch die Haare. Mal mit rechts, mal mit links. Dann war noch nicht mal mehr die französischsprachige Verständnishilfe zu erkennen. Dass er zudem noch eines der seltenen Kinogängerexemplare war, das nicht im Laufe einer Filmvorführung langsam aber sicher tiefer und tiefer im Polstersessel versinkt…?
Na, das machte weder den Kohl fetter, noch die Aussicht besser. Etwa bei Filmminute 35 fasste ich den Entschluss, mir den Übeltäter nach der Vorstellung genau anzuschauen. Zum Glück habe ich dieses Vorhaben aber im Laufe des Filmes vergessen. Die ganze Sache fiel mir erst wieder ein, als ich heute Vormittag im Abspann des Filmes "Rester Vertical" den Namen der Schauspielerin "India Hair" lese.
Zum Glück aber hatte ich dieses Mal – vielleicht schon intuitiv? – einen Platz mit freier Sicht gewählt.