Mühsam ernährt sich bekanntlich das Eichhörnchen. Oder darf man sich am "Toni Erdmann"-Premierentag in Cannes womöglich den Kalauer erlauben und behaupten, dass sich mühsam wohl auch das Erdmännchen ernährt…?
Wie auch immer. Nahrungsaufnahme ist auf alle Fälle kein Zuckerschlecken im Festivalalltag. An allen Eingängen des als "Bunker" verschrienen Festspielpalastes wird man gefilzt: zuerst Taschen auf, dann Arme hoch. Wie eine Vogelscheuche stehe ich da, während auf Hüfthöhe ein Detektor um mich herumgeführt wird.
In der einen Hand die Tasche mit dem Laptop, in der anderen die mit all dem Papierkram, der sich hier im Laufe eines Tages so ansammelt. "Das gibt Muckis", denke ich, wenn bei der dritten oder vierten Kontrolle innerhalb weniger Stunden so langsam die Oberarme anfangen zu zittern.
Ausschau halten die Sicherheitskräfte natürlich nach verdächtigen Utensilien – dazu gehört leider auch alles Ess- und Trinkbare. Bis ich das in seinem ganzen Ausmaß begriffen hatte, landeten an meinem ersten Cannes-Tag ein Müsliriegel, eine Wasserflasche und ein mit meinen eingerosteten Französischkenntnissen mühsam beim Bäcker erstandenes Puddingteilchen in der Tonne. Zut alors!
Wie soll ich hinter den Palastmauern nur überleben, wenn ich den ganzen Tag über so gar nichts in den Magen bekomme? Wasser und Kaffee gibt es für alle kostenlos, aber nichts, was krümeln, schmieren oder kleben und entsprechende Spuren auf Kinosesselpolstern hinterlassen könnte.
Diebisch freue ich mich am zweiten Tag, als ich auf der Suche nach einem Kugelschreiber am Boden meiner Tasche eine zerdrückte und längst abgelaufene Fruchtschnitte entdeckte. Die beginne ich genüsslich zu kauen, sobald das Saallicht erloschen ist. Schmuggelmanöver scheitern kläglich, also versuche ich mich in Zweckoptimismus: Dann wird der Körper halt mal auf Diät gesetzt, währen die Sinne sich vor lauter Input hier gelegentlich zu verschlucken drohen. So machen’s die anderen ja wohl auch ...
Ha! Heute mittag möchte ich mir mal rasch einen Eindruck vom Filmmarkt im Kellergeschoss verschaffen. Und während ich nichts ahnend zwischen den Messeständen hindurchlaufe, gelange ich auf einmal in eine Oase: Quiche und Salate, frisches Obst und Suppen sind angerichtet und können sogar gegen Geld käuflich erworben werden. Das Bistro ist – das man muss man den Verantwortlichen lassen - gut versteckt. Da mussten Eichhörnchen, Erdmännchen und das blinde Huhn wirklich ein bisschen suchen.