"Wir sind so etwas wie der Eurovision Song Contest in Cannes, aber mit viel mehr Gefühl!"
Toby Rose weiß, wie man für seine Sache die Werbetrommel rührt. Dabei ist der Palm Dog an der Côte d'Azur längst bekannt wie ein bunter Hund: Seit 2001 wird die Auszeichnung für den besten Auftritt eines Vierbeiners im Festivalprogramm verliehen. Entsprechend schnell sind am Freitagmittag die Sitzreihen im britischen Pavillon an der Croisette besetzt. Selbst gekrönte Häupter wollen sich die erste wichtige und wohl trashigste Preisverleihung des diesjährigen Festivals nicht entgehen lassen: Miss Provence ist eigens angereist. Feuchter Hundeatem liegt in der Luft, die Spannung steigt.
Zeremonienmeister Toby Rose stellt die namhafte Jury vor und präsentiert voller Stolz das neue Logo der Hundeauszeichnung. Das Cannes-Jahr 2016 sei in animalischer Hinsicht ein ergiebiges gewesen, erklärt er. Bevor die Nominierungen bekanntgegeben werden, gilt es aber, einen Ehrengast auf der Bühne zu begrüßen: Stratus heißt der Spürhund, der als Angestellter der Police Nationale im Festivalpalast seinen Dienst tut.
Ein sensibles Wesen, das mit seiner feinen Nase Sprengstoff erschnüffeln kann, aber nicht für das Scheinwerferlicht geboren wurde. Erst als Stratus und seine beiden menschlichen Begleiter den Saal verlassen haben, darf im Saal tosender Applaus aufbrausen.
Nun tritt Jurymitglied Peter Bradshaw, Filmkritiker des "Guardian", ans Mikrofon: Er stellt die Palm Dog-Kandidaten vor: Marvin, die Bulldogge aus Jim Jarmuschs "Paterson", die jede Intimität ihrer Herrchen mit einem missbilligenden Grunzen kommentiert.
Willi, der altersschwache Pudel aus Maren Ades "Toni Erdmann", der nachts unter einem Busch im Garten das Zeitliche segnet. Ein kleiner Heldenhund in Andrea Arnolds "American Honey", gekleidet in ein Superman-Kostüm. Und ein namenloser, dreibeiniger Mischlingsköter in "I, Daniel Blake" von Ken Loach - 75 Prozent Bein, aber 100 Prozent Herz, so Peter Bradshaw.
Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Zuerst geht ein "Dogmanitarian"-Award für besondere Großherzigkeit an das Team von Ken Loach, dann ein Spezialpreis der Jury an einen Dalmatiner mit detektivischem Gespür aus dem Film "Victoria", der in der "Semaine de la Critique" gezeigt wurde, dem Festivalprogramm der französischen Kritiker.
Und zu guter Letzt: der Hauptpreis der Jury für Publikumsliebling Marvin, den blitzgescheiten und zerstörungswütigen Hund aus "Paterson". Dargestellt wurde Marvin allerdings von einer Hündin namens Nellie. "Transgender playing" hatte Regisseur Jim Jarmusch in der Pressekonferenz erläutert. Nellie konnte leider nicht auf dem roten Teppich Gassi geführt werden, sie ist vor einigen Monaten gestorben.
Doch Moderator und Palm Dog-Schöpfer Toby Rose kann auch dieser traurigen Nachricht etwas Positives abgewinnen: Zum ersten Mal wird die Auszeichnung also posthum verliehen! Als Double für Nellie wird James, ein einheimisches Bulldogmännchen, auf die Bühne gebeten und darf mit "Paterson"-Produzent Carter Logan vor den Kameras posieren. Und damit ist amtlich, dass auch die US-Independent-Szene auf den Hund gekommen ist.