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"Bloß weiß ich nicht, wo ich noch sparen soll"

In der Familie Davi wird jeder Cent drei Mal umgedreht: Massimo hat seinen Job verloren, seine Frau sorgt für ein Auskommen. Sogar der Espresso in der Bar am Eck ist zu teuer geworden - und die Staatsanleihen sind verkauft, um das Haus weiter abzahlen zu können.

Von Kirstin Hausen |
    Ein ganz normaler Morgen in einem Einfamilienhaus in Como. Massimo Davi macht Kaffee, während seine Frau Anna unter der Dusche steht.

    "Unser Hauptproblem ist: Ich habe dank der Krise meinen Arbeitsplatz verloren und in der jetzigen Situation ist es unmöglich, eine neue Stelle zu finden. Italien ist vollkommen unvorbereitet in diese Krise geschlittert. Unser Arbeitsrecht ist veraltet und wird den neuen Arbeitsmarktverhältnissen nicht gerecht."

    Denn Arbeit gibt es immer noch, so Massimos Erfahrung, aber nur zeitlich befristet oder schwarz bezahlt. Fest einstellen will den früheren Verkaufsmitarbeiter eines Motorradherstellers bei der jetzigen unsicheren Wirtschaftslage niemand.

    "Ein Jahr lang habe ich Arbeitslosengeld bekommen, doch das ist jetzt vorbei. Zum Glück hat Anna ein regelmäßiges Einkommen. Ich hatte meine Ersparnisse in Staatsanleihen angelegt, die habe ich aber längst verkauft, um die Raten fürs Haus weiterzahlen zu können."
    Massimo lächelt. Eine Sorge weniger, meint er sarkastisch.

    "Wir Italiener werden Opfer bringen müssen und viele sind dazu auch bereit. Ich selbst auch, bloß weiß ich nicht, wo ich noch sparen soll. Wir gehen nicht mehr auswärts essen, auch nicht in die Pizzeria, wir gehen nicht mehr ins Kino und ich vermeide es sogar, unterwegs einen Kaffee zu trinken."

    Der kostet in Como je nach Bar zwischen 80 Cent und einem Euro. Aber auch das sind Kosten, die am Monatsende ins Gewicht fallen. Massimo ist froh, wenn genug Geld für die Stromrechnung übrig bleibt. Der Kaffee ist fertig und verbreitet seinen Duft. Massimo füllt zwei Tässchen und stellt den Rest aus der Espressokanne für den Nachmittag beiseite. Wegschütten kommt nicht infrage.

    Seine Frau Anna kommt in die Küche. Sie trägt einen Hosenanzug, ist dezent geschminkt und derzeit die Alleinverdienerin im Haus.

    "Ich versuche, ihm das nicht unter die Nase zu reiben und positiv in die Zukunft zu blicken. Und jetzt, wo sich in unserem Land endlich etwas bewegt, habe ich auch wieder mehr Vertrauen. Du musst kämpfen, Tag für Tag, Selbstmitleid und Resignation ändern die Situation ja auch nicht."

    Anna greift nach einem kleinen Geschenk auf dem Küchentisch. Es ist für eine Arbeitskollegin, die vor Kurzem Mutter geworden ist. Anna wird sie in der Mittagspause kurz besuchen.

    "Die meisten Firmen, auch die großen, finden es gar nicht gut, wenn eine Frau ein Jahr, oder auch nur ein halbes Jahr zuhause bleibt, um sich um ihr Kind zu kümmern. Und wenn du dann wiederkommst, wirst du bestraft, indem sie dich versetzen oder dir eine weniger qualifizierte Arbeit übertragen."

    Deshalb hat Anna ihren Kinderwunsch immer wieder verschoben.

    "Ich weiß nicht, ob das noch etwas wird. Ich habe lange in unsicheren Arbeitsverhältnissen gearbeitet und gewartet. Jetzt bin ich bald 40 und stelle mir vor, wie schön es wäre, meine Lebenserfahrung an jemanden weiterzugeben, an ein Kind."

    Aber ohne die Hilfe der Eltern von Massimo, die in derselben Straße wohnen, wäre das unvorstellbar. Denn Elterngeld gibt es in Italien nicht, staatliche Krippenplätze sind rar und private teuer.

    "Finanzielle Hilfe will ich nicht von meinen Eltern annehmen. Sie tun so schon viel für uns, und solange es sich um praktische Dinge handelt, ist das auch ok. Aber Geld will ich von ihnen nicht."

    Massimo und Anna kommen über die Runden. So gerade. Und nur solange sich die Krise nicht weiter verschärft.

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