Susanne Kuhlmann: Nach dem erfolgreichen Volksbegehren zur Rettung der Bienen in Bayern wird jetzt für eine europäische Initiative mit demselben Ziel geworben. Ab dem 27. Mai können alle EU-Bürger die Initiative ein Jahr lang mit ihrer Unterschrift unterstützen. Und eine Woche zuvor, nächsten Montag, ist Weltbienentag.
Artenvielfalt, Unkrautvernichtungsmittel, Dünger - viele der Probleme, die Bienen zu schaffen machen, sind bekannt. Die gute Nachricht: Wer einen Balkon, eine Terrasse oder einen Garten hat, kann umsteuern, und zwar sofort und auf eigene Faust. Aus der Perspektive der Bienen betrachtet, gibt es allerdings gute und schlechte Blüten. Der Agrarökologe Doktor Andrée Hamm von der Universität Bonn kennt sie und ist jetzt am Telefon. Hallo, Herr Hamm!
Andrée Hamm: Ja! - Schönen guten Tag!
Kuhlmann: Wie sind Pflanzen beschaffen, auf die Bienen fliegen?
Hamm: Pflanzen, auf die Bienen fliegen, beziehungsweise deren Blüten, sollten grundsätzlich lohnenswerte sogenannte Trachten haben, heißt, Pollen und Nektar in ausreichender Menge zur Verfügung stellen. Denn das sind die Nahrungsressourcen, die unsere vegetarischen Bienen brauchen. Darüber hinaus muss natürlich je nach Größe der Biene auch die Blüte händelbar sein. Das heißt, wir brauchen eine Art Landebahn, auf der die Biene zunächst einmal landen kann, um sich dann zu den Nektarien oder den Antheren, den Staubbeuteln zu bewegen, um Pollen und Nektar zu sammeln.
Des Weiteren sollten die Blüten natürlich auffindbar sein. Das heißt, sie müssen eine Art Kommunikation tätigen mit den Blütenbesuchern, in dem Fall den Bienen. Das machen sie über Duftstoffe, die dann Fernorientierung ermöglichen, die angenehmen Düfte, die wir in der Regel kennen. Wenn sie dann in die Nähe der Blüte kommen, dann sollen sie sichtbar sein. Das heißt, sie sollten gelb, weiß oder blau sein, weil das sind die Farben, die für Bienen hoch attraktiv sind.
30 Prozent der Arten sind Spezialisten
Kuhlmann: Manche Bienen, die Honigbienen zum Beispiel, die mögen ja ziemlich alles. Es gibt aber auch Nahrungsspezialisten unter den Bienen. Wenn wir nun im Gartencenter stehen und was Passendes aussuchen wollen, worauf ist zu achten, wenn es um diese Spezialisten geht?
Hamm: Da müsste man zunächst einmal gucken, welche Arten in der jeweiligen Region vorkommen. Wir haben über 560 Wildbienen-Arten in Deutschland. Wir kennen die Honigbiene, wir kennen die Hummeln, und dann ist meistens schon Ende. Sehr viele von diesen Arten sind relativ klein, und wie Sie sagten, auch nicht alle sind sogenannte Polilekten, sammeln auf verschiedensten Pflanzen unterschiedlicher Gattungen und Familien, sondern 30 Prozent unserer heimischen Arten sind spezialisiert und sammeln nur auf einer Pflanzenfamilie oder auf einer Gattung und haben da eine koevolutive Einheit mit der Pflanze gebildet über lange Entwicklungszeiträume, von der beide profitieren: die Pflanze durch ihren Pollentransfer und die Biene, indem sie ein Stück weit die Konkurrenz ausschließt.
Da muss man in die Literatur gucken, welche Arten für diese Spezialisten passend sind. Zum Beispiel gibt es Arten, die nur auf Glockenblumen fliegen, andere, die auf Korbblütler fliegen und so weiter. Wichtig ist es immer, dass die Aspekte, die ich zuvor genannt habe, realisiert sind in den Blüten, dass die Tiere an den Pollen, an den Nektar herankommen, und dass wir keine gefüllten Blüten oder vielleicht Züchtungen haben, die keine von beiden Nahrungsressourcen bereitstellen.
"Wimbledon-Rasen nahezu wertlos"
Kuhlmann: Schotterflächen und Golfrasen verlocken ja keine Biene zum Landen. Wer aber im Garten, auf der Terrasse oder auf dem Balkon ein bisschen Unordnung toleriert, vielleicht auch das, was gemeinhin als Unkraut bezeichnet wird, der kann womöglich vom Liegestuhl aus ins Bienenparadies blicken. Wie könnte das denn aussehen?
Hamm: Ja! Der berühmte Golfrasen oder Wimbledon-Rasen ist natürlich für viele aus ästhetischen Gesichtspunkten hoch attraktiv, aber ökologisch gesehen völlig wertlos oder nahezu wertlos. Denn da, wo keine Blüte ist, ist natürlich auch nichts für Blütenbesucher.
Wenn man aber sich bereit erklärt, einen Teil mal einfach aufwachsen zu lassen - man muss noch nicht mal was einsäen -, einfach mal ein paar Wochen nicht zu mähen, so wird man sehen, dass sich da sehr bald eine relativ artenreiche Blütenpflanzen-Gemeinschaft einstellt, auf der es dann summt und brummt. Und auch das kann, wenn Sie den Liegestuhl ansprechen, sehr beruhigend sein, ähnlich wie Lagerfeuer oder Wasser, dass man sich solche Dinge anguckt und einfach mal die Bedürfnisse der Tiere und das, was sie tun, und wie hoch diffizil diese Dinge sind sich ein Stück weit zu Gemüte führt.
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