Viele Kinder messen ihren Blutdruck – manchmal, aus reiner Neugierde, um zu sehen, wie das Gerät vom Großvater funktioniert. Schließlich ist Bluthochdruck ein Thema für Senioren, nicht für Kinder. So die weitverbreitete Meinung. Dr. Martin Hulpke-Wette, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin aus Göttingen, ist da anderer Ansicht: "Wir haben keine genauen Zahlen, weil es entsprechende Kohortenstudien nicht gibt, wir können nur abschätzen aus Blutdruckmessdaten, die im Rahmen der sogenannten KIGGS Studie vom Robert Koch Institut zwischen 2003-2006 erhoben worden sind, das möglicherweise bis zu 700.000 Kinder in Deutschland grenzwertig hohe oder eindeutig zu hohe Blutdruckwerte haben."
Diese Daten passen zu dem, was Hulpke-Wette täglich in seiner Präventionspraxis für Herz-Kreislauferkrankungen für Kinder und Jugendliche feststellt: Auch Kinder und Jugendliche können einen erhöhten Blutdruck haben. Und nicht immer sieht man es ihnen an. "Der größte Anteil der an Bluthochdruck erkrankten Kinder haben ein Übergewicht und die restlichen Kinder sind ganz schlanke, ganz Normalgewichtige, die aber trotzdem Bluthochdruck haben können."
Familienumfeld kann wichtig sein
Nur in seltenen Fällen entsteht Bluthochdruck durch eine Nieren- oder Schilddrüsenerkrankung. Viel häufiger ist Übergewicht eine Ursache. Manchmal erhöhen Medikamente den Blutdruck und gerade bei schlanken Kindern spielt meist die Familie eine Rolle, erklärt Kinderarzt Hulpke-Wette: "Das hat in vielerlei Hinsicht etwas mit der Familiengeschichte zu tun, wenn Vater und Großvater schon Bluthochdruck hatten, das hat zum Teil etwas mit frühen Gefäßveränderungen zu tun: Wir wissen, dass Kinder im Alter von zwölf nachweisbare Veränderungen an der Halsschlagader haben können, wenn sie zum Beispiel in einer Familie leben wo geraucht wird, wo sie Passivrauchen."
Die gute Nachricht: Selbst wenn durch den Bluthochdruck schon Schäden an den Blutgefäßen oder am Herzen aufgetreten sind, können diese wieder rückgängig gemacht werden: "Es ist tatsächlich etwas, wo wir sagen können: Durch eine entsprechend gezielte Behandlung kann man den Patienten wieder gesund machen."
So eine Behandlung kann bedeuten, dass der Patient zum Beispiel sein Übergewicht verringert oder Medikamente nimmt. Besonders wichtig ist aber auch die körperliche Fitness. Denn wenn Hänschen fit ist, dann sinkt das Risiko, dass Hans später an Bluthochdruck oder einem Herzinfarkt erkrankt. Professor Burkhard Weisser, Direktor des Instituts für Sportwissenschaft an der Kieler Universität, verweist auf eine aktuelle Studie, die an schwedischen Rekruten durchgeführt wurde: "Dann haben wir in einer Studie aus Schweden jetzt gelernt, dass mit 18 Jahren unfitte Menschen, 30, 40 Jahre später wesentlich häufiger einen Herzinfarkt bekommen, aber auch häufiger Bluthochdruck entwickeln."
Fitness wichtiger als Gewicht
Möglicherweise liegt das daran, dass Menschen, die mit 18 Jahren fit sind, auch später sportlich aktiv sind, meint der Sportmediziner. Jedoch nur zum Teil: "Aber es ist wahrscheinlich auch so, dass die Menschen, die da eine schlechte Fitness haben, möglicherweise die Saat gesät haben, dass später irgendwelche Krankheiten auftreten."
Wie früh diese Saat gesät wird, das zeigte eine andere Studie, aus Berlin, bei der Kleinkinder untersucht wurden, erzählt Weisser: "Es gibt schon Untersuchungen im Kindergarten, dass regelmäßige Bewegungsprogramme dort Einfluss auf Gefäße und das Herz haben, bei Drei- bis Sechsjährigen."
Auch andere Studien unterstreichen die Tatsache, dass körperliche Leistungsfähigkeit noch wichtiger ist, als das Körpergewicht. Und da es für übergewichtige Kinder genauso schwierig ist, abzunehmen, wie für übergewichtige Erwachsene, rät Weisser, durch den Kampf gegen die Pfunde nicht die Motivation zu verlieren, sondern weiter etwas für seine Gesundheit zu tun: "Wenn man ein bisschen Übergewicht hat, ist das Wichtigste: 'Verbesser deine Fitness' und nicht, 'nimm Gewicht ab'."