Es ist nicht leicht zu sprechen, dieses Wort: "Interdisziplinarität." In der Deutschen Diabetes Gesellschaft wird dieses Wort trotzdem ganz groß geschrieben, erläutert ihr Präsident Prof. Baptist Gallwitz:
"Diabetes kommt häufig mit anderen Erkrankungen vor. Und zum anderen kann Diabetes auch zu Folge- und Begleiterkrankungen führen. Deswegen ist Interdisziplinarität wichtig."
Ein Drittel der Herzinfarktpatienten haben Diabetes
Erstes Beispiel: Das Herz: Diabetes Patienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Herzkrankheiten. Deswegen haben Kardiologen wie Prof. Nikolaus Marx recht häufig mit Diabetes-Patienten zu tun. Manchmal ist es sogar der Kardiologe, der die Diabetes-Erkrankung entdeckt, berichtet der Direktor der medizinischen Klinik Kardiologie am Uni Klinikum Aachen:
"In erster Linie wird der Patient mit Diabetes vom Diabetologen behandelt, aber häufig sehen wir Patienten mit Herzinfarkt und wir entdecken den Diabetes. Dass heißt: ungefähr ein Drittel aller Patienten mit Herzinfarkt, bei denen der Diabetes nicht bekannt ist, die haben einen Diabetes. Und von daher landen die bei uns und dann müssen sie von beiden betreut werden."
Zusammenarbeit ist dann angesagt, zwischen dem Diabetologen und dem Kardiologen. Das klappt oft gut, aber nicht immer, bedauert Nikolaus Marx:
"Ich glaube, da ist immer noch Verbesserungspotenzial, ich glaube wir haben uns die letzten zehn Jahre gut bewegt, zum Beispiel machen Kardiologen und Diabetologen zusammen eine gemeinsame Leitlinie, aber in der Praxis ist sicher noch Luft, das ein bisschen zu verbessern."
Diabetes kann Fußsyndrom mit sich bringen
Zweites Beispiel: Der Fuß. Diabetes Patienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Entzündungen am Fuß. Da bei ihnen mit der Zeit die Nerven geschädigt sind, spüren sie die Entzündung oft erst, wenn es zu spät ist. Im schlimmsten Fall muss dann der Fuß amputiert werden. Ob es aber wirklich keine andere Lösung gibt, darüber sollte kein Arzt alleine entscheiden, betont Prof. Ralf Lobmann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß in der deutschen Diabetes Gesellschaft:
"Bei Patienten mit einem diabetischen Fußsyndrom sollte man das als Teamwork sehen. Es ist gut, wenn der Diabetologe und der Chirurg gemeinsam am Bett stehen und abwägen was jetzt hier das ideale Vorgehen ist. Hier muss man kooperieren und die Kommunikation ist immer besser, als eine Amputation."
Aber nicht nur die Ärzte verschiedener Fachrichtungen müssen miteinander kommunizieren, sagt Ralf Lobmann:
"Egal, wer sich mit dem diabetischen Fuß beschäftigt, sei es Chirurg oder Internist und meint er könnte dieses Problem alleine lösen, liegt absolut falsch. Es geht nur Hand in Hand zwischen den ärztlichen Professionen, aber auch den medizinischen Assistenzberufen."
Idealerweise sind in die Pflege eines diabetischen Fußes zum Beispiel auch Podologen eingebunden, in deren Ausbildung speziell dieses Problem behandelt wird. Ralf Lobmann nennt einen weiteren wichtigen Assistenzberuf:
"Was sehr nützlich ist – da gibt es auch Zusatzqualifikationen– sind die Wundschwestern oder Wundmentoren, die hier entscheidend sind, um auch wirklich hochwertige Tätigkeit der Wundversorgung zu delegieren. Ohne die würde es auch in der Masse der Patienten, die mit chronischen Wunden zu versorgen sind, gar nicht gehen."
Auch hier greift der Begriff Interdisziplinarität, erklärt Baptist Gallwitz:
"Es sind verschiedenen Berufsgruppen, die sich um den Diabetes Patienten kümmern, neben Ärzten die Diabetes-Beraterin und Diabetes-Assistentin, die den Patienten schulen und kompetent und motiviert für seine Erkrankung machen. Und dann auch Psychologen, Fuß-Spezialisten, Pflegedienste und so weiter."
Aber wann muss der Patient zu welchem Spezialisten? Das koordiniert der Hausarzt, sagt Gallwitz:
"Der Hausarzt hat eine ganz wichtige Funktion: Die Patientenbehandlung zu steuern und auch den Patienten bei Begleit- und anderen Problemen dann zum richtigen, weiteren Behandler zu schicken. Und in der Interdisziplinarität eine ganz wichtige koordinierende Funktion auszuüben."