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BND-Affäre
"SPD versucht, sich auf dem Rücken der Union zu profilieren"

Im Streit um die Freigabe der geheimen NSA-Spähliste hat der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer, das Verhalten des Kanzleramts verteidigt. Der CSU-Politiker sagte im DLF, man müsse sich an rechtliche Verfahren halten, die mit den USA geschlossen worden seien.

Stephan Mayer im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer verteidigt das Kanzleramt in der BND-Affäre.
    Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer verteidigt das Kanzleramt in der BND-Affäre. (imago/Heinrich)
    Man müsse die amerikanische Reaktion auf die Freigabe der NSA-Spähliste abwarten, erklärte Mayer im DLF. Erst dann könne man die Spähaffäre um NSA und BND umfassend bewerten. Meyer wies auf den rechtlichen Rahmen hin, der die geheimdienstliche Zusammenarbeit zwischen den USA und Deutschland regelt.
    Demnach müsse man erst mal abwarten, ob die USA die umstrittene NSA-Selektorenliste freigeben, so Mayer. Die Einsicht in die Liste sei von großer Bedeutung. Er hoffe, dass die amerikanische Seite die Brisanz in dieser Angelegenheit wahrnimmt. Es ginge um die Glaubwürdigkeit der US-Regierung und ihrer Nachrichtendienste.
    Weiter forderte der CSU-Politiker, dass die Spähliste den entsprechenden Gremien im Parlament vorgelegt wird. Er sprach sich dagegen aus, die Liste der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
    Kritik der SPD "plump und durchsichtig"
    Die Vorwürfe von SPD-Politikern gegenüber der Bundeskanzlerin kritisierte Mayer als "völlig verfehlt". Es ginge jetzt nicht darum, antiamerikanische Ressentiments zu bedienen. Teile der SPD würden auf sehr "plumpe und durchsichtige Weise versuchen, sich auf Kosten der Union zu profilieren".
    SPD-Chef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Yasmin Fahimi hatten die Offenlegung der Liste auch gegen den Willen der USA gefordert. Fahimi hatte die Bundeskanzlerin in diesem Zusammenhang vor "Unterwürfigkeit" gegenüber Washington gewarnt. Gabriel sprach von fehlendem Rückgrat der Bundesregierung.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Die Affäre um den Bundesnachrichtendienst und die enge Zusammenarbeit mit der amerikanischen NSA, diese Affäre sorgt zurzeit jeden Tag für neue Schlagzeilen. Einer der größten Streitpunkte dabei ist die Liste von sogenannten Selektoren, also Suchbegriffe oder Suchkriterien, nach denen der BND für die NSA spioniert haben soll. Seit Wochen gibt es nun Forderungen, vor allem aus der Opposition, dass das Kanzleramt diese Selektorenliste für die Abgeordneten im Bundestag zugänglich machen soll. Am Wochenende haben sich nun auch führende SPD-Politiker dafür eingesetzt.
    Am Telefon ist jetzt Stephan Mayer, der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Schönen guten Tag, Herr Mayer!
    Stephan Mayer: Guten Morgen, Herr Armbrüster. Grüß Gott.
    Armbrüster: Herr Mayer, zeigt die Bundeskanzlerin in dieser Affäre genügend Rückgrat?
    Mayer: Dieser Vorwurf von Gabriel, dass mehr Rückgrat gezeigt werden müsste, ist wirklich eine bodenlose Frechheit. Es geht nicht darum, jetzt antiamerikanische Ressentiments zu bedienen, sondern es geht einfach darum, ein vorgeschriebenes Verfahren zu durchlaufen. Dieses Konsultationsverfahren, das derzeit läuft zwischen der Bundesregierung und der US-Regierung, sieht nun mal vor, dass zunächst die Zustimmung der US-Regierung einzuholen ist, bevor diese Selektorenliste weitergegeben wird, und das hat nichts mit Unterwürfigkeit und nichts mit Vasallentreue zu tun, sondern das sind einfach nun mal vorgegebene rechtliche Verfahren, die gemeinsam mit den Amerikanern vereinbart wurden.
    Armbrüster: Was glauben Sie denn, würden die Amerikaner ähnlich vorgehen? Würden Sie in einem solchen Fall auch erst mal das Okay der deutschen Bundesregierung abwarten, bevor sie den Kongress informieren?
    Mayer: Ich habe überhaupt keinen Zweifel anzunehmen, dass die US-Regierung sich genauso rechts- und vertragstreu verhalten würde, wie es die Bundesregierung tut, und es gibt eben einen Vertrag aus dem Jahr 1968, der vorsieht, dass man zunächst mal die Zustimmung des Landes einzuholen hat, dessen Dokument man gedenkt weiterzugeben, und ich gehe davon aus, dass die Amerikaner dies genauso täten.
    Armbrüster: Mal angenommen, die Amerikaner geben ihr Okay jetzt nicht, wie soll es dann weitergehen?
    "Abwarten, wie die Entscheidung der US-Regierung ausfällt"
    Mayer: Ja das ist dann der nächste Schritt. Jetzt muss man erst mal abwarten, wie die Entscheidung der US-Amerikaner ausfällt. Ich hoffe, dass die Amerikaner auch mitbekommen, wie hoch die Sensibilität, auch wie hoch die Brisanz dieser Angelegenheit in Deutschland ist, wie intensiv auch in den deutschen Medien darüber gesprochen wird, und vor dem Hintergrund tut aus meiner Sicht die US-Regierung schon gut daran, in ihre Abwägung auch mit einzustellen, dass es hier auch um die Glaubwürdigkeit der US-Nachrichtendienste geht, auch der US-Regierung geht.
    Ich denke, man sollte, bis diese Entscheidung fällt, den Druck natürlich auch auf die Amerikaner erhöhen, dass sie der Weitergabe der Selektorenlisten an den NSA-Untersuchungsausschuss und an das Parlamentarische Kontrollgremium zustimmen. Denn wir wollen dies genauso, um dies auch klar dazu zu sagen. Die CDU/CSU ist intensivst bemüht, die Angelegenheit vollständig aufzuklären, und für eine umfassende Bewertung dieser Angelegenheit ist es aus meiner Sicht unerlässlich, dass wir als Mitglieder im Parlamentarischen Kontrollgremium und im NSA-Untersuchungsausschuss Einsicht nehmen können in diese Selektorenlisten.
    Armbrüster: Und genau aus diesem Grund sollte man doch vielleicht schon mal Überlegungen dafür antreffen, dass die Amerikaner tatsächlich Nein sagen. Ich meine, das ist ja ein durchaus wahrscheinliches Szenario, wenn wir uns anhören, was da verschiedene Quellen aus den USA berichten.
    Mayer: Ich möchte da wirklich nicht spekulieren. Da wissen manche mehr als die, die wirklich betroffen sind. Ich habe noch keine Entscheidung der US-Amerikaner mitbekommen oder auch noch nicht zur Kenntnis gebracht bekommen, dass es schon eine gewisse Tendenz gibt. Ich würde wirklich dazu raten, jetzt erst mal abzuwarten, wie die Entscheidung der Amerikaner ausfällt.
    Armbrüster: Herr Mayer, dann muss ich doch noch einmal anders herum fragen. Das heißt, es könnte durchaus auch sein, dass diese Liste unter Verschluss bleibt, auch wenn die Abgeordneten im Bundestag das wollen? Das ist durchaus ein Szenario?
    Mayer: Ich bin der Meinung, dass die Liste den beiden entscheidenden Gremien zur Verfügung gestellt werden muss. Ich bin dezidiert dagegen, dass diese Selektorenliste der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben wird. Da geht es um hoch sensible Telefonnummern, E-Mail-Adressen, IP-Adressen, Namen von Betroffenen. Die auf dem Basar der Öffentlichkeit zu verbreiten, wäre aus meiner Sicht töricht und sogar gefährlich. Aber es gibt Mechanismen, die die Vertraulichkeit wahren unter denen die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums und des Untersuchungsausschusses Einblick nehmen können, unter Aufsicht, ohne die Möglichkeit, Kopien zu machen, Mitschriften anzufertigen. Aber ich bin nach wie vor der festen Überzeugung: Wenn man diese Angelegenheit voll umfassend bewerten will, dann ist die Einsicht in die Selektorenliste von großer Bedeutung.
    "Antiamerikanische Töne vollkommen verfehlt"
    Armbrüster: Das heißt, da sind die Gräben zwischen Ihnen und Herrn Gabriel und Frau Fahimi gar nicht so tief?
    Mayer: Nein! Es geht wirklich um den Ton und um den Stil, den man anklingen lässt. Es gibt einen Gleichklang der Interessen zwischen der SPD und der CDU/CSU, was die Herausgabe der Listen anbelangt. Nur jetzt im Vorfeld antiamerikanische Töne hier anklingen zu lassen, halte ich für vollkommen verfehlt, und es offenbart natürlich auch die Intention der SPD oder zumindest Teile der SPD. Man versucht, jetzt diese Angelegenheit zu nutzen, sich auf sehr plumpe und meines Erachtens auch sehr durchsichtige Art und Weise auf dem Rücken der Union zu profilieren.
    Armbrüster: Ich glaube, viele Leute würden eher sagen, da sagt mal jemand das Richtige, dass diese Selektorenliste zumindest den Abgeordneten zugänglich gemacht werden soll.
    Mayer: Das gleiche sage ich ja auch! Ich bin ja insoweit gar nicht anderer Meinung als Gabriel und Fahimi. Ich bin auch der Meinung, diese Selektorenliste sollte uns Abgeordneten zugänglich gemacht werden.
    Armbrüster: Wenn es so wichtig ist, warum tun die USA dann so wenig, um das Ganze in Deutschland mal auch in den deutschen Medien in die richtigen Bahnen zu lenken? Man hört ja in den USA tatsächlich wenig über diese Affäre.
    Mayer: Ja, das mag sein, dass man in den amerikanischen Medien nicht allzu viel darüber liest oder hört. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass die US-Regierung sehr wohl einzuschätzen weiß, dass die Sensibilität dieser Angelegenheit in Deutschland außerordentlich hoch ist, dass es derzeit auf der innenpolitischen Agenda ganz oben steht, und ich hoffe schon, dass die US-Amerikaner auch mit einzuschätzen wissen, wie wichtig eine gute, auch weiterhin vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den USA und Deutschland ist, und dafür ist es aus meiner Sicht auch wirklich von großer Bedeutung, dass die US-Amerikaner ihre Zustimmung jetzt erteilen. Wie gesagt, die Einsicht in diese Listen sollte unter strengen Vertraulichkeitsvorschriften auch erfolgen können. Diese Mechanismen gibt es, die haben sich auch in der Vergangenheit bewährt, und so könnte man es in diesem Fall jetzt auch machen.
    "Bundesregierung tritt mit notwendiger Vehemenz und Dringlichkeit auf"
    Armbrüster: Haben Sie denn den Eindruck, die deutsche Seite tritt da gegenüber den USA energisch genug auf, wenn es darum geht, ihnen deutlich zu machen, dass diese Liste zugänglich gemacht werden sollte?
    Mayer: Ich habe überhaupt keine Zweifel anzunehmen, dass die Bundesregierung nicht mit der notwendigen Vehemenz und Dringlichkeit dies anmahnt. Deswegen ist da auch mein volles Vertrauen gegenüber dem Bundeskanzleramt, auch gegenüber der Bundesregierung gegeben. Und der Verweis von Frau Fahimi jetzt auf den Altbundeskanzler Schröder war ja schon etwas verquer, weil es war ja genau Altkanzler Schröder, der nach den Angriffen vom 11. September 2001 die uneingeschränkte Solidarität mit den USA ausgerufen hat. Jetzt der Bundeskanzlerin oder dem Bundeskanzleramtsminister vorzuwerfen, wir würden hier in Vasallentreue gegenüber den USA auftreten, ist schon etwas perfide.
    Armbrüster: Sehen Sie da eine gewisse Nervosität auf Seiten des Koalitionspartners?
    Mayer: Ich kann mir das nicht anders erklären. Wenn man dauerhaft in den Umfragen bei 25 Prozent hängen bleibt, dann begibt man sich vielleicht mal auf solche unstete Pfade und versucht, sich auf derart brüske und populistische Art und Weise auf dem Rücken der Bundeskanzlerin und auf dem Rücken der CDU/CSU zu profilieren.
    Armbrüster: Stephan Mayer war das, der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Vielen Dank, Herr Mayer, für Ihre Zeit heute Morgen.
    Mayer: Alles Gute! Auf Wiederhören.
    Armbrüster: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.