Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel fordert erneut die Herausgabe der sogenannten Selektorenliste. Es müsse dem deutschen Parlament in geeigneter Weise Einblick in die Unterlagen des BND gegeben werden, so der Vize-Kanzler in der "Bild am Sonntag". Sollten die USA ihr Veto einlegen und gleichzeitig mit einer Einschränkung der Zusammenarbeit der Geheimdienste drohen, müsse die Bundesregierung Rückgrat zeigen, sagte Gabriel weiter und befeuert damit den Konflikt zwischen den Koalitionspartnern.
Als unglücklich bezeichnete Stephan Mayer, Innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion diese Äußerung. Man befinde sich im Konsultationsverfahren mit den USA und erst wenn es wirklich ein Veto gebe, könne man über weitere Schritte reden, sagte der CSU-Politiker unserem Hauptstadtstudio. Allerdings sieht auch er die Notwendigkeit, dass der NSA-Untersuchungsausschuss und das parlamentarische Kontrollgremium die Liste einsehen dürfen - und zwar nicht nur in die mit den problematischen Begriffen, die der BND aus der Gesamtliste der NSA erstellt hat: "Natürlich ist die Datenbank auch sehr relevant der Selektoren, die vom BND ausgefiltert wurden, aber um die gesamte Angelegenheit wirklich umfassend in den Blick nehmen zu können, ist es aus meiner Sicht auch wichtig, dass man in diese Gesamtliste, die also 4,6 Millionen Selektoren derzeit umfasst, auch Einblick nehmen kann", sagte Mayer. Die Opposition fordert, dass die Liste bereits kommende Woche vorgelegt wird. Und nicht nur das: "Zum zweiten brauche wir eine Sondersitzung, um mit dem ehemaligen Bundeskanzleramtschef de Maiziere zu beginnen, die Verantwortung dieser Behörde bei der Kontrolle oder Nicht-Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes zu diskutieren", sagte Martina Renner, Obfrau der Linken im NSA-Untersuchungsausschuss unserem Hauptstadtstudio.
Mit dem Antrag für eine Sondersitzung am kommenden Freitag waren Linke und Grüne in dieser Woche schon einmal an dem Veto der Koalition und dem von Bundestagspräsident Norbert Lammert gescheitert, weil sie während der Plenarsitzung stattfinden sollte. Nun ist die Sondersitzung für den Nachmittag beantragt. Für die Linke darf sich vor allem die SPD nicht mehr dagegenstellen. Wer unter der Woche gegen eine Sondersitzung stimme, sei unglaubwürdig, wenn er dann am Sonntag mehr Geheimdienstkontrolle und die Übergabe der NSA-Selektorenliste ans Parlament fordere, so Jan Kort von der Linken. Damit diese Forderungen nicht nur Theaterdonner bleibe, müsse die SPD die Geheimdienstaffäre zur Koalitionsfrage machen, heißt es weiter in der Pressemitteilung des Linken-Politikers.
Maas fordert neues BND-Gesetz
Gleichzeitig wird im Zusammenhang mit dem BND auch schon seit längerem darüber diskutiert, inwieweit es eine Reform des den Geheimdienst betreffenden Gesetzes braucht und eine bessere parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste allgemein. Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD sagte in der "Welt am Sonntag", es dürfe auch für Geheimdienste keine rechtsfreien Räume geben. Deshalb müsse nun sehr konkret geprüft werden, ob die rechtlichen Grundlagen für die Arbeit des BND ausreichen. Vieles spreche dafür, dass diese Vorgaben deutlicher formuliert werden müssten, so der SPD-Minister. Zudem fordert er mehr Mittel für die parlamentarische Kontrolle. Auch die Union stellt sich nicht dagegen. Allerdings sei es illusorisch, so CSU-Politiker Mayer, dass die Geheimdienste komplett durch das Parlament kontrolliert werden könnten. Bei der Reform des BND-Gesetzes geht es vor allem um einen Punkt: "Es geht jetzt um die Frage, ob man insbesondere die strategische Fernmeldeaufklärung, die der BND im Ausland unternimmt noch stärker unter das BND-Gesetz fasst und hier die gleichen Rechte, die die deutschen Bürger haben auch ausländischen Bürgern zu Teil werden lässt. Das ist eine Frage, die es nun zu erörtern gilt. Ich bin auch der Meinung, man muss sich diesem Thema offen stellen", sagte Mayer.
Ob die Bundesregierung sich dieser Frage jedoch so offen stellen will, ist eher unwahrscheinlich. Denn im Moment steht im Raum, dass die jetzige Praxis des BND im Ausland eine konkreter ausformulierte Rechtsgrundlage bekommt.