Siemens sei wegen einer Vertragspartnerschaft mit dem russischen Geheimdienst SSSN ins Visier der NSA geraten, berichtet die Bild am Sonntag. Der amerikanische Geheimdienst habe mithilfe des Bundesnachrichtendienstes den Technologiekonzern ausspähen wollen, weil dieser nachrichtendienstliche Kommunikationstechnologie geliefert habe. Ein Sprecher des Konzerns sagte der BamS: Siemens seien keinerlei Fakten im Verantwortungsbereich des Unternehmens bekannt, die eine Motivation von nachrichtendienstlicher Seite nachvollziehbar machen würden.
Ob der BND wirklich Informationen geliefert hat, ist unklar. Für weitere Spannungen in der Großen Koalition dürfte der Fall Siemens dennoch sorgen, denn Anfang der Woche hatte Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erklärt:
"Ich habe nach dem Auftauchen der ersten Hinweise zweimal die Kanzlerin gefragt, ob es Hinweise gibt über den bekannten Fall EADS hinaus, beide Male ist mir das gegenüber verneint worden."
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende und hessische Ministerpräsident Volker Bouffier warf dem SPD-Chef in der Zeitung "Die Welt" vor, der Großen Koalition langfristig mit einem Angriff auf die Kanzlerin zu schaden. Gabriel habe aber wohl der Verlockung nicht widerstehen können, "irgendwie mal die Kanzlerin dranzukriegen".
Glaubwürdigkeitsproblem für die Kanzlerin?
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte hingegen, wenn der Vorwurf im Raum stehe, mithilfe des BND habe es Versuche massiver Spionage gegen Firmen in Deutschland und Europa gegeben, dann müsse der Wirtschaftsminister alles tun, um die Unternehmen zu schützen. Ein Foulspiel seitens des SPD-Chefs könne er nicht erkennen. Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte im SWR:
"Also auf jeden Fall waren die Dinge am Anfang der Woche in einer Koalition nicht schön."
Allerdings sei man professionell und stehe vor einer riesigen Herausforderung:
"Und deswegen wollen wir natürlich auch weiterhin gut zusammenarbeiten. Ich sehe jetzt auch Signale dafür. Also, da geht man aufeinander zu."
Sollte sich herausstellen, dass es tatsächlich weitere Fälle oder Versuche von Industriespionage gegeben habe, dann habe die Kanzlerin ein massives Glaubwürdigkeitsproblem, ist sich der Grüne Konstantin von Notz sicher. Die Bundesregierung müsse die Liste der Suchbegriffe, die die Amerikaner vorgegeben hätten, schnellstmöglich zugänglich machen. Selbst wenn, wie die Bild am Sonntag berichtet, die Regierung in Washington dieses Ansinnen längst abgelehnt habe.
"Meiner Ansicht nach kann das hier für die Frage der Offenlegung nicht entscheidend sein. Die Bundesregierung sagt selbst, diese Begriffe widersprechen Wort und Sinn des zugrunde liegenden Abkommens. Und dann kann man sich nicht auf das zugrunde liegende Abkommen bei der Veröffentlichung dieser Liste berufen wie die Bundesregierung es jetzt tut."
SPD für stärkere Absicherung der Geheimdienst-Zusammenarbeit
Der "Welt am Sonntag" zufolge belastet die Affäre inzwischen auch die Zusammenarbeit des BND mit anderen internationalen Geheimdiensten. Natürlich müsse es auch weiterhin eine Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten geben können, aber eben auf rechtsstaatlicher Grundlage. Auch eine mögliche Drohung der USA, den Informationsaustausch auf ein Minimum - nämlich Terrorwarnungen zu reduzieren - dürfe das nicht ändern. Die Bundesregierung habe selbst die Zusammenarbeit verändert, erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen:
"Man hat den Datenaustausch bei allen IP- Verkehren, also bei allen Internet-Verkehren eingestellt. Das ist ein wirklich drastischer Schritt."
Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann deutet es als Schritt in die richtige Richtung, dass der BND jetzt für die Eingabe von Suchbegriffen eine Begründung von der NSA fordere. Es sei notwendig, dass sich der BND bei der Zusammenarbeit mit der NSA stärker absichere.