Was sie hier hören ist kein Computer, sondern ein Erdwurm, der sich seinen Weg durch den Lehmboden gräbt. Gemacht hat diese Aufnahme Dani Or.
"Mein Name ist Dani Or. Ich bin Professor für Boden und Umweltphysik. Mein Themengebiet beinhaltet alles, was auf und im Boden passiert. Hauptsächlich physikalische Prozesse. Ich arbeite an der ETH Zürich."
Die Sinfonie eines Erdrutsches
Eines der Hauptforschungsgebiete von Dani Or ist die akustische Beobachtung und Vorhersage von Erdrutschen. Mit Akustik-Sensoren, die kleinen Glasplättchen ähneln, die in den Boden gesteckt werden, lauscht er nach Anzeichen von Bodendestabilisierung.
"Und eines der Anzeichen für einen Erdrutsch, ist das Geräusch von reißenden Wurzeln im Hang, wenn sich die ersten Risse in der Bodenmatrix bilden."
Die Vielfalt der Töne im Untergrund, die Dani Or bei seinen Erdrutsch-Projekten aufgenommen hat, brachte ihn auf die Idee, die Technik im biologischen Bereich anzuwenden. Zusammen mit dem Erdwurm-Experten Siul Ruiz, ging er ins Labor und setzte Maiskeimlinge und Erdwürmer in jeweils getrennte, mit Bodensubstrat gefüllte Behälter. Weil die Wände der Behälter aus Glas waren, konnten die Forscher Pflanzen und Würmer gleichzeitig visuell und akustisch beobachten.
"Wenn man die Augen schließt, kann man die Wurzeln wachsen hören. Und wenn man zugleich hinschaut, hilft das, die Geräusche zu verstehen: Nach ein paar Tagen gab es zum Beispiel eine regelrechte Explosion der Zahl von Wurzeln, die alle gleichzeitig wuchsen."
Interpretationsbedürftige Geräusche
Tatsächlich klingen Wurzeln und Würmer im Boden nicht so, wie wir sie hier hören. Die Geräusche, die sie machen, sind viel leiser und viel langsamer. Damit unser menschliches Ohr sie hören kann, wurden die Aufnahmen verstärkt und schneller abgespielt. Trotzdem muss man genau hinhören, um Wurzeln und Würmer mit dem Ohr zu unterscheiden.
"Die Geräusche sind ziemlich ähnlich, außer dass die Wurzeln hundertmal langsamer wachsen, als sich die Würmer im Boden bewegen. Die Würmer schieben die ganze Zeit Erde rum, dadurch stoßen Körnchen zusammen und das hören wir dann. Wurzeln bewegen sich dagegen nur ab und zu."
Dani Or und seine Kollegen sind die Ersten, die auf die Idee gekommen sind, die Biologie im Boden zu belauschen. Der erste Schritt war deshalb herauszufinden, ob man Wurm- und Pflanzenbewegungen im Boden überhaupt akustisch aufspüren kann. Das haben sie jetzt gezeigt. Spezifische Aussagen über den Alltag eines Wurmes, oder welche Pflanze hier genau ihre Wurzeln wachsen lässt, können sie allein anhand der Geräusche allerdings noch nicht treffen.
"Das würden wir gerne, aber so weit sind wir noch nicht. Momentan ist es ein bisschen wie die Geräusche, die man aus der Wohnung nebenan hört. Man bekommt zwar einen Eindruck, was dort passiert, aber nicht das ganze Bild."
Zugang zu einer unbekannten Welt
Trotzdem ist Dani Or von seiner Methode überzeugt, denn sie gibt Forschern Zugang zu einer Welt, die sie noch nicht gut kennen. Er hofft deshalb, dass sich in Zukunft auch andere Arbeitsgruppen mit der akustischen Biologie des Untergrunds beschäftigen und dass man gemeinsam einen Katalog der Geräusche erstellen kann.
"Wenn wir mehr Erfahrung haben, können wir künftig vielleicht zwischen viel mehr Geräuschen unterscheiden und hören, was die Mäuse machen, was die Termiten machen, wie genau die Erdwürmer leben und welche Pflanze da ihre Wurzeln wachsen lässt. Sodass wir dann irgendwann wirklich die ganze Untergrund-Symphonie hören."
Ein weitere Faktor: Das akustische Monitoring könnte langfristig helfen den landwirtschaftlichen Ertrag und das Wassermanagement zu verbessern. Denn das Wurzelwachstum ist wichtig für die Versorgung der Pflanze. Wenn hier etwas nicht stimmt, kann das schwerwiegende Folgen haben.
"Wie gesagt: Wir sind noch in der 'Proof of Concept'-Phase und haben noch kein akustisches Mikroskop, das uns sagen kann, wie schnell unser Essen wächst. Aber wir werden daran arbeiten. Denn zu verstehen, wie es um die Gesundheit unserer Pflanzen, des Bodens und der Natur bestellt ist, wird immer wichtiger werden."