Antje Boll, Geschäftsführerin der BUND-Ortsgruppe Konstanz, ist fassungslos:
"Wir haben lange dagegen gekämpft. Und ich habe meinen Protest auch deutlich kundgetan. Ich war, ehrlich gesagt, entsetzt, dass so etwas möglich ist!"
Der Anlass des Entsetzens: Das baden-württembergische Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau hat die sogenannten "Fracking-Aufsuchungslizenzen" für die Bodenseeregion bei Konstanz an das Unternehmen "Parkyn Energy Germany Ltd." verlängert - und das, obwohl Umweltpolitiker auf Landes- und Bundesebene nicht müde werden zu beteuern: Fracking, also das Herauspressen von Gasvorkommen in tief liegenden Gesteinsschichten, sei im Einzugsbereich großer Trinkwasserspeicher wie dem Bodensee ein für allemal ausgeschlossen. So richtig glaubwürdig seien diese Aussagen angesichts der jüngsten Entscheidung aber nicht, kritisiert Antje Boll vom BUND Konstanz:
"Die Politik relativiert immer, dass sie gegen Fracking sind. Sie sagen zwar, sie sind gegen Fracking. Aber tatsächlich steht in den Entwürfen drin: Sie sind gegen Förderung unkonventioneller Gasvorkommen mithilfe umwelttoxischer Substanzen, was bedeutet, dass konventionelle Gasvorkommen nach wie vor gefrackt werden können."
Und zwar, allen anderslautenden Lippenbekenntnissen zum Trotz, auch im Einzugsbereich von Trinkwasserspeichern. Zwar sei das sogenannte "Eckpunkte-Papier" von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel ein "K. o.-Kriterium" für Fracking direkt am Bodensee, nicht jedoch für den direkten Einzugsbereich mit den Zuflüssen.
"Es gibt ja keine Definition: Was ist ein Trinkwasser-Einzugsgebiet? Was zählt man alles dazu? Sind dann auch die Zuflüsse, die in den Bodensee fließen, dabei? Oder ist es das reine Gebiet, das in den Bodensee entwässert? Also da sind alle Hintertüren offen."
Forderung nach genereller Verschärfung
Zumal das Eckpunkte-Papier von Hendricks und Gabriel bisher noch nicht in einen konkreten Gesetzesentwurf gegossen wurde. Deswegen, so verweist das baden-württembergische Umweltministerium als zuständige Aufsichtsbehörde, habe das baden-württembergische Landesamt für Bergbau gar nicht anders können, als die Fracking-Explorationslizenzen für die Region um Konstanz zu verlängern; hier spreche das Bergrecht eine eindeutige Sprache. Und: Exploration bedeute zunächst nichts anders als vorbereitende Arbeiten am Schreibtisch und erst einmal keine Probebohrungen. Doch schon bereits dies sei der erste Schritt auf dem Weg zu Fracking am Trinkwasserspeicher Bodensee durch die Hintertür, glaubt der für den Landkreis Konstanz zuständige CDU-Landtagsabgeordnete Wolfgang Reuther - und macht sich zum Wortführer derer, die dringendst auf eine Änderung des Bergrechts pochen, um Fracking durch die Hintertür zu verhindern:
"Wir müssen eine generelle Verschärfung bringen. Wir hatten gerade gefordert, dass gerade im Bodenseeraum, im Einzugsbereich von Trinkwasserspeichern, wo öffentliche Wasserversorgung sichergestellt wird und Wasser in Lebensmitteln Eingang findet, Brauereien, Mineralbrunnen et cetera, dort ein generelles Frackingverbot, also nicht nur für Förderung unkonventionell gelagerter Kohlenwasserstoffe, sondern auch im konventionellen Bereich."
Das sieht das aktuelle Eckpunkte-Papier aber gerade nicht vor: Dort ist nur von einem Verbot des sogenannten "unkonventionellen" Frackings die Rede, bei dem Chemikalien in den Boden gepumpt werden. Das konventionelle Fracking, bei dem das Gas mit unter Hochdruck stehendem Wasser aus dem Gestein gelöst wird, bleibe davon ausgenommen, auch im Umfeld von Trinkwasserspeichern wie dem Bodensee. Dies ist für Antje Boll vom BUND Konstanz unbefriedigend:
"Denn was wirklich gefährlich ist, das sind die Kohlenwasserstoffe selber, die gefördert werden. Und da gibt es dann aromatische Kohlenwasserstoffe, die im Wasser gelöst dann natürlich sehr giftig sind und auch das Grundwasser verseuchen. Oder radioaktive Substanzen, die mit dem sogenannten 'Flow Back', also dem Wasser, was da rausgepumpt wird, auch das Grundwasser verseuchen können."
Deshalb erhebt der BUND die Forderung auch nach einem Verbot des konventionellen Frackings in der Nähe von Wasserschutzgebieten. Latent bleibt bei Fracking-Gegnern wie dem CDU-Landtagabgeordneten Wolfgang Reuther die Angst vor den Bohrtürmen durch die Hintertür, möglicherweise nicht morgen oder übermorgen, aber in vielen Jahren und Jahrzehnten:
"Wenn die Energieversorgung insgesamt unter Druck steht, zum Beispiel Stopp der Erdgaslieferungen aus Russland. Denn das könnte denn das politische Umfeld so verändern, dass da dann doch mal Gas gefördert wird. Und deshalb dürfte auch schon mal per se keine Genehmigung und Berechtigung erteilt werden."