Er selbst werde keine Böller abfeuern, sich aber trotzdem an Raketen, die andere zünden, erfreuen, sagte Landsberg im Dlf. Die immer wiederkehrende Diskussion über Böllerverbote halte er für überflüssig. "Das Thema wird einfach gehypt." Kommunen sollten lieber die Bürgerinnen und Bürger überzeugen, weniger zu böllern.
Die derzeitige Rechtsgrundlage sehe ein Verbot nur in einer konkreten Gefahrenlage vor. Aus seiner Sicht reiche das aus und es müssten nicht neue Verbote diskutiert werden, die dann ohnehin in den Außenbezirken nicht kontrollierbar wären. "Das Böllern ist nicht das zentrale Problem", sagte Landsberg zur Feinstaubbelastung durch die Silvesterknaller. "Ein Großteil der Feinstaubbelastungen kommt aus dem Verkehr, darauf sollten wir uns konzentrieren."
Das Interview in voller Länge:
Stefan Heinlein: Stolze 130 Millionen Euro geben die Bundesbürger aus für Böller und Raketen jedes Jahr. In einigen Städten und Gemeinden gibt es zwar Verbotszonen, ansonsten darf jedoch überall geballert werden, was der Geldbeutel hergibt. Nur wenige Politiker fordern ein generelles Verbot der privaten Knallerei, auch wenn eine Mehrheit der Bevölkerung mittlerweile längst den Spaß am Feuerwerk verloren hat. Am Telefon begrüße ich jetzt den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg. Guten Morgen!
Gerd Landsberg: Guten Morgen, Herr Heinlein!
Heinlein: Herr Landsberg, werden Sie morgen Nacht das neue Jahr mit Böllern und Raketen begrüßen?
Landsberg: Nein, das werde ich sicherlich nicht, aber ich werde mich trotzdem an den Raketen, die andere zünden, erfreuen, wenn sie am Himmel stehen.
Heinlein: Ist es denn aus Ihrer Sicht noch zeitgemäß, zum Jahresende die bösen Geister mit Böllern und Raketen zu vertreiben? Das steckt ja hinter dieser Tradition.
Landsberg: Ja, es ist schon eine lange Tradition und viele Menschen haben auch Spaß dran, auch die Umfrage, die Sie zitiert haben, 57 sind dagegen, wenn die schon mal keine Böller kaufen, ist ja ein erster Schritt getan. Ich finde, das Thema wird einfach gehypt: Jedes Jahr, wenn Silvester ist, dann diskutieren wir drüber. Und wir haben ja eine Kultur in Deutschland, jede Woche wird irgendein Verbot gefordert, erfunden, womit man die Menschen erzieht. Also ich glaube, wir sollten überzeugen, das machen übrigens ja auch Städte. Wir sollten vielleicht auch eigene Feuerwerke veranstalten, dann wird nicht privat geböllert, das findet auch statt. Aber ich finde die Diskussion schon ein bisschen geisterhaft, im wahrsten Sinne des Wortes.
"Wir sollten mehr auf Überzeugung setzen"
Heinlein: Aber persönlich würden Sie sich wünschen, dass immer mehr Menschen zu dieser Einsicht gelangen: Böllern, das ist nicht mehr notwendig in Zeiten des Klimawandels?
Landsberg: Das würde ich mir persönlich wünschen und ich sage auch, dass Kommunen dafür werben sollten, wir sollten mehr auf Überzeugung setzen. Aber wenn der eine oder andere so seinen Spaß dran hat – wir sollten nicht immer so ein Land sein, wo man also jede Lebensfreude mit irgendwelchen, sicherlich überzeugenden Argumenten als schlecht und für die Umwelt gefährlich darstellt. Dann können wir am besten an Silvester ins Bett gehen, alles abstellen und wachen dann am Neujahr glücklich auf.
Heinlein: Sie beklagen das, aber Tempolimit, Fleischverzicht oder auch die Flugscham, das sind ja alles Themen, die in der Gesellschaft debattiert werden. Die Parteien reagieren aber nicht darauf. Ist das ein Versagen der Politik? Fehlt da der Mut der Parteien, der Politiker, tatsächlich Vorgaben zu machen? Setzt man allein auf die Einsicht der Menschen? Reicht das aus?
Landsberg: Also Herr Heinlein, vielleicht ist es einfach auch mal Vernunft der Parteien. Ich will die Politik gar nicht immer so schlecht machen. Alle, die diese Verbote fordern – das ist ja gerechtfertigt, das ist in der öffentlichen Diskussion schon in Ordnung –, das sind aber die gleichen Leute, die morgen sagen: Wir wollen weniger Bürokratie. Denn darüber haben wir noch gar nicht gesprochen, wer soll das eigentlich alles kontrollieren? Wer einmal auf einer Leitstelle von Polizei, Feuerwehr oder Ordnungsamt am Silvesterabend war, der weiß, dass die wahrlich anderes zu tun haben, als zu kontrollieren, ob im Außenbezirk irgendjemand einen Böller oder eine Rakete zündet. Das ist faktisch kaum kontrollierbar. Und ich bin eben auch gegen Verbote, die man nicht durchsetzt. Das ist ja ganz entscheidend.
Heinlein: Viele Städte und Gemeinden – und dafür sind sie ja zuständig – haben aber ja bereits Böllerverbotszonen eingerichtet, zum Teil aus Brandschutz- oder Denkmalschutzgründen. Wie schwierig ist es denn, diese Kontrollen durchzuführen?
Landsberg: Na ja, Sie können schon bestimmte Zonen markieren und das auch öffentlich machen. Ich bin hier zum Beispiel auf den Weg in den Schwarzwald an Plakaten vorbeigefahren, digital, wo es hieß, auf dem Schlossplatz in Karlsruhe kein Feuerwerk. Das akzeptieren die Leute ja auch und das können Sie auch kontrollieren. Und der rechtliche Rahmen ist eben zurzeit nicht so, dass Sie sagen können: Aus Umweltgründen verbiete ich im gesamten Gemeindegebiet uneingeschränkt das Böllern. Das geht zurzeit jedenfalls rechtlich nicht.
Verbot "ist juristisch möglich, wenn Sie eine konkrete Gefahrenlage haben"
Heinlein: Hätten denn die Verantwortlichen in den Kommunen das Recht, in ihren Städten und Gemeinden das Böllern zu verbieten, dann vielleicht nicht aus Umweltschutzgründen, sondern aus Sicherheitsgründen? Ist das juristisch bereits möglich theoretisch?
Landsberg: Das ist juristisch möglich, wenn Sie eine konkrete Gefahrenlage haben. Wenn Sie also eine große Veranstaltung haben, wo natürlich häufig dann aus der Menschenmenge Böller gezündet werden, dann können Sie mit dem allgemeinen Ordnungsrecht sagen: Das verbieten wir. Das können Sie kontrollieren. Das tun wir auch. Aber wenn Sie diese konkrete Gefahrenlage nicht haben, also einer geht in seinen Garten und startet eine Rakete oder zündet einen Böller, können Sie es zurzeit nicht. Das gibt eben die Sprengstoffverordnung nicht hier und das allgemeine Ordnungsrecht auch nicht. Das heißt nicht, dass der Gesetzgeber das möglicherweise ändern könnte, das ist ja in Ihrem Vorbericht auch noch mal dargestellt, dass man im Innenministerium darüber nachdenkt, da Änderungen vorzusehen. Aber im Moment haben wir diese Rechtsgrundlage nicht.
Heinlein: Wie wichtig wäre es denn für die Städte und Gemeinden, dass hier die Bundesregierung reagiert und das Sprengstoffrecht überarbeitet, die Dinge neu regelt?
Landsberg: Also aus meiner Sicht kommen wir mit der bisherigen Regelung klar. Wir arbeiten an der Überzeugung der Bürger, dass es weniger wird. Es wird ja auch mal interessant sein, zu hören: Wie ist die Statistik der verkauften privaten Böller tatsächlich? Das werden wir sicher in den nächsten Tagen hören. Selbst wenn wir das generelle Verbot haben, wird die eine oder andere Stadt davon Gebrauch machen, aber sie wird das Problem der Kontrolle haben.
Heinlein: Feinstaub ist aber ein Hauptargument gegen die Böllerei und Feinstaub ist ja auch ein Thema, das heiß diskutiert wird. Sie kennen es: In vielen Städten und Gemeinden gelten ja wegen des Feinstaubs das ganze Jahr über an manchen Straßen Fahrverbote. Welchen Sinn machen denn diese Fahrverbote, wenn es erlaubt ist, weiter erlaubt ist, in einer Nacht unsere Luft mit 4.500 Tonnen Feinstaub zu verpesten?
Landsberg: Herr Heinlein, also das Bundesemissionsschutzgesetz, was ja die Luftreinhaltung beschreibt, … Die Luftreinhalteplänen geht von Jahresschnitten aus, und wir reden hier über eine Feinstaubbelastung von wenigen Stunden. Und auch die Deutsche Umwelthilfe hat ja interessanterweise zwar 60 Städte angeschrieben, aber sie hat nirgends geklagt, weil sie natürlich weiß, dass es da wohl keine rechtliche Grundlage gibt. Insofern ist das nicht der entscheidende Maßstab. Man muss auch fairerweise sagen: Wir haben fast 11.000 Städte und Gemeinden in Deutschland, und die Feinstaubproblematik haben wir etwa bei 62. Also es ist nicht überall die Luft so schlecht.
"Ein Großteil der Belastungen kommt aus dem Verkehr"
Heinlein: Aber es gibt auch andere Zahlen, etwa vom Umweltbundesamt, Herr Landsberg, das hat ausgerechnet: Fast 16 Prozent der Feinstaubbelastung, die jährlich der gesamte Straßenverkehr in Deutschland verursacht, werden in der Silvesternacht verballert. Stimmen da tatsächlich noch die Relationen? Machen da Diesel, Rußfilter, Fahrverbote et cetera Sinn?
Landsberg: Also ich kenne auch andere Zahlen. Meines Erachtens beruhen ja diese Daten auch auf Schätzungen. Aber natürlich wäre es besser, wir lassen das, ist ja völlig unstreitig – aber es gibt viele Dinge, die wir besser lassen würden –, aber es ist nicht das zentrale Problem. Ein Großteil der Belastungen auch durch Feinstaub kommt aus dem Verkehr, und darauf sollten wir uns konzentrieren. Das ist wichtiger als zwei Stunden Böllern an Silvester.
Heinlein: Kann man das Böllern mit der Diskussion um das Tempolimit vergleichen? Denn auch hier fehlt ja offensichtlich der Politik, den deutschen Parteien der Mut, tatsächlich diesen Schritt zu gehen.
Landsberg: Ich sehe da durchaus Parallelen, und man verweist ja bei dem Tempolimit auf die anderen Länder, und dann sage ich, bei der Atomkraft verweisen wir allerdings nicht auf die anderen Länder, die das ja eigentlich ganz vernünftig finden. Und dass wir die sichersten Autobahnen der Welt haben und dass die Masse der Unfälle nicht auf Autobahnen geschieht. Und das ist eine persönliche Erfahrung: Also wo können Sie eigentlich schneller fahren als 130? Also mir gelingt das eigentlich selten, weil es einfach entweder verboten ist oder so voll, dass man es nicht machen kann. Insofern ist das ein Klassiker in Deutschland: Wir reden unheimlich gerne über das, was man noch verbieten kann.
Heinlein: Ja, aber es wird geredet und nicht gehandelt, Herr Landsberg. Was sind denn die Gründe, warum keine Stadt, keine kleine Gemeinde bislang erklärt hat: Wir gehen voran, wir sind die ersten und verbieten privates Feuerwerk an Silvester? Die Argumente sind bekannt. Vielleicht stellt man dann eine Lasershow oder et cetera anstelle dieser Böllerei zur Verfügung.
Landsberg: Also das gibt es. Gehen Sie mal auf die Insel Sylt, da ist komplett privates Feuerwerk verboten und das ist auch gut so. Da gibt es sehr viele reetgedeckte Häuser – also dort, wo wir einen rechtlichen Rahmen haben, nutzen wir den aus. Und oft sind die Bürger damit auch sehr zufrieden, es ist also nicht so, dass die dann protestieren und sagen, wir wollen auch privat böllern. Das heißt nicht, dass es das im Einzelfall gibt. Also vielleicht ist das Problem doch nicht ganz so dramatisch, wie es dargestellt wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.