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Börsengang in letzter Minute abgesagt

Deutschlands größter Wohnungskonzern wollte am Mittwoch den Sprung an die Börse wagen und eine Milliarde Euro einsammeln. Doch dazu kam es nicht. Kaum jemand wollte den geforderten Mindestpreis von mindestens 18 Euro pro Aktie zeichnen - auch weil das Umfeld nicht günstig ist für Börsengänge.

Von Brigitte Scholtes | 03.07.2013
    Schon am vergangenen Freitag hat sich gezeigt: das Umfeld für Börsengänge hat sich deutlich verschlechtert. Der Gabelstaplerhersteller Kion erlöste nur 24 Euro je Aktie, im Handelsverlauf sank die Aktie sogar unter den Ausgabepreis. Doch Kion-Chef Gordon Riske ließ sich die Laune nicht verderben:

    "Wir sind sehr zufrieden mit dem Börsengang. Es war, wie Sie wissen, ein sehr schweres Marktumfeld der letzten zwei Wochen. Wir freuen uns der großen Nachfrage der Investoren. Und wir haben jetzt diesen Börsengang hinter uns und freuen uns auf zukünftig wachsende Kurse."

    Das größte deutsche Wohnimmobilienunternehmen Deutsche Annington hat das nicht geschafft – noch nicht. Denn offenbar waren nicht genügend Investoren bereit, die Aktien zum geforderten Mindestpreis von mindestens 18 Euro zu zeichnen. Dass das Unternehmen nun erst einmal den Gang an die Börse abgeblasen hat, das kann Robert Halver, Aktienstratege der Baader Wertpapierhandelsbank nachvollziehen:

    "Was nutzt es denn, wenn ein Unternehmen fundamental stark ist, wenn die Großwetterlage der Börsen über die neu aufgeflammte Eurokrise über Probleme einer Kreditblase in China, über Ägypten, über die Angst, dass die Amerikaner das Geld wieder einziehen, so schlecht ist, dass man seine Qualitäten nur zum Schleuderpreis an die Börse bringt? Da macht es keinen Sinn, den Börsengang zu machen."

    In den letzten Tagen hatte sich das Umfeld deutlich eingetrübt. Die Unternehmensberatung Ernst & Young hält trotz der Absage der Deutsche-Annington-Emission die Rahmenbedingungen für Börsengänge in Deutschland weiter für überwiegend gut. Daran sehe man jedoch, dass Börsengänge kein Selbstläufer seien, die Investoren schauten ganz genau hin: Das Management, die Story und der Preis müssten passen. Das hat man beim Spezialchemiekonzern Evonik gesehen, der seine Aktien nur privat bei Investoren platzieren konnte. Diese Erfahrung muss auch Siemens machen, das seine Lichttochter Osram an seine Aktionäre verschenkt: Am kommenden Montag sollen deren Aktien erstmals an der Börse notiert werden. Rechnerischer Wert: Knapp 2,6 Milliarden Euro. Doch Osram selbst rechnet mit einem deutlichen Kursrutsch kurz nach der Emission, weil viele Aktionäre diese geschenkten Aktien schnell verkaufen dürften.

    Etwas mehr Leben könnte dann von Ende September an wieder an die Börse kommen. Über den Sommer und bis zur Bundestagswahl dürften nach Osram kaum weitere Emissionen folgen. Aktienmarktstratege Robert Halver:

    "Da denkt so mancher Vermögensverwalter, der bis Mai gute Geschäfte gemacht hat: Jetzt mach ich mal nichts, jetzt fahr ich schön nach Mallorca oder gehe in die Berge. Im September nach der Bundestagswahl komme ich wieder. Das heißt im Augenblick wird niemand ohne Not irgendetwas machen, weil er Angst hat, dass da die Großwetterlage ihm da einen Strich durch die Rechnung macht."

    Rechnet man die Börsengänge des ersten Halbjahres zusammen, so summieren sie sich aber auf knapp 3,2 Milliarden Euro – und haben damit schon das Emissionsvolumen von 2012 übertroffen. Da waren 2,35 Milliarden Euro erlöst worden.