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Börsenjahr 2019
"Größte Herausforderungen bleiben Trump und Brexit"

Talfahrt an den Börsen: Zum ersten Mal seit 2011 fährt der deutsche Leitindex Dax keinen Jahresgewinn ein. Die Stimmung sei zu euphorisch gewesen, sagte Gertrud Traud im Dlf. Im kommenden Jahr werde die Konjunktur wieder an Fahrt aufnehmen, so die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen.

Gertrud Traud im Gespräch mit Claudia Wehrle | 28.12.2018
    Die Beleuchtung eines Weihnachtsbaumes sorgt im Handelssaal der Frankfurter Wertpapierbörse für Lichtpunkte vor der Anzeigetafel mit der Dax-Kurve. Nach den Verlusten am Vortag legen die Aktienkurse am letzten Handelstag 2018 wieder zu. Insgesamt hat der Deutsche Aktienindex seit Jahresbeginn fast 20 Prozent eingebüßt.
    Am letzten Handelstag 2018 legte der Dax wieder zu - aber auf Jahressicht hat der deutsche Aktienindex fast 20 Prozent eingebüßt (dpa/Arne Dedert)
    Claudia Wehrle: Frau Traud, vor einem Jahr haben sie gesagt, Trump hat viele von seinen furchtbaren Dingen zum Glück noch nicht umgesetzt. 2018 hat er aber mit seinen Worten und Taten für Wirbel gesorgt. Sind ihre schlimmsten Befürchtungen von damals wahrgeworden?
    Gertrud Traud: Ja, es ist tatsächlich so gekommen, wie wir prognostiziert haben, dass Donald Trump den Handelskrieg verstärkt hat, dass die Unsicherheit weiter zugenommen hat und dass der Dax diese Themen, die er im Vorjahr ausgeblendet hat, tatsächlich dann auch reflektiert. Wir hatten eine Spanne von 13.500 bis 10.500 Indexpunkten für den Dax vorhergesagt. Dass die 10.500 jetzt gerade zum letzten Tag aufgerufen werden, so genau konnten wir das nicht sehen. Aber dass es ein schlechtes Aktienjahr werden würde, dass die Konjunkturabkühlung kommen würde, dass die Stimmung zu euphorisch war, das war aus unserer Sicht offensichtlich.
    "Teile nicht die Aussage, politische Börsen haben kurze Beine"
    Wehrle: Es gibt ja ein Sprichwort: Politisches Börsen haben kurze Beine. Dieses Jahr war das ganz und gar nicht der Fall. Ob das nun Donald Trump war, die britische Premierministerin Theresa May, die neue italienische Regierung, sie allen haben dafür gesorgt, dass sich die äußeren Rahmenbedingungen ändern. Was waren denn für Sie die einschneidensten Ereignisse?
    Traud: Ganz entscheidend ist die konjunkturelle Entwicklung – und die konjunkturelle Entwicklung hat sich in China und in der Eurozone zum Jahreswechsel 2017/2018 abgekühlt. Das einzige Land, in dem das nicht der Fall war, waren die USA, da haben tatsächlich die Steuerreform und die Ausgabenprogramme zu einem weiteren Boom geführt. Aber die konjunkturelle Abkühlung war ein wesentlicher Faktor. Natürlich spielen da solche Dinge wie Brexit da rein, weil in Großbritannien weniger produziert und auch investiert wurde. Unsere Exporte nach Großbritannien sind schon schwächer geworden, weil sich jeder fragt, na, wie wird das in Zukunft sein.
    Und deswegen: Ich teile nicht die Aussage, politische Börsen haben kurze Beine. Denn die Entscheidungen, die Politiker treffen, haben nachhaltig wirtschaftliche Auswirkungen. Wie die Entscheidung von Cameron das Volk zu einem Brexit zu befragen, May muss das jetzt ausbaden. Donald Trump hat viele politische Dinge entschieden, die wirtschaftliche Auswirkungen haben: Nafta neuaufzuziehen oder auch die Handelszölle mit China, ein Großteil der Güter ist jetzt mit Zöllen belastet. Also, all diese Effekte sind wirtschaftlich sehr ausgeprägt.
    Wehrle: Blick nach vorn: einfacher dürften die Zeiten nicht werden. Was sind die größten Herausforderungen?
    Traud: Die größten Herausforderungen sind und bleiben Donald Trump und auch der Brexit. Gleichzeitig bin ich relativ optimistisch, dass im nächsten Jahr auch die Konjunktur wieder an Fahrt aufnimmt. Ein wichtiger Unterstützungsfaktor ist der Ölpreis, der so stark gestiegen ist (Anm. d. Red. und zum Jahresende deutlich nachgegeben hat), das macht es für Haushalte und Unternehmen deutlich günstiger einzukaufen und das ist ein fiskalischer Stimulus, der auch den Dax 2019 wieder nach oben schiebt.
    Wehrle: Bis wohin?
    Traud: Aus unserer Sicht werden wir am Ende des Jahres 2019 wieder über 13.000 Index- Punkten stehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.