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Böse Banker und die Kanzlerin beim Lotto

Nackte Nonnen und de Gaulle als Louis XIV.: Manchmal gab es schon Ärger um die Motivwagen des Mainzer Carnevals-Vereins. Dabei werden nicht nur bundespolitische, sondern auch lokal- und landespolitische Themen in vielen Szenen aufgegriffen.

Von Ludger Fittkau |
    Eine Werkshalle im Gewerbegebiet Mainz-Mombach. Dicht an dicht stehen die Wagen, auf denen die mehrere Meter hohe Pappmascheé -Figuren montiert sind. Überall in der Halle wird gesägt, gestrichen und gehämmert. Die meisten Figuren sind jetzt, kurz vor Rosenmontag, bereits bunt angemalt. Doch einige sind noch weiß, warten auf die Farbgebung. Es wird langsam knapp für Dieter Wenger, der hier seit fast 50 Jahren im Auftrag des Mainzer Carnevals-Vereins die Motivwagen für den Mainzer Rosenmontagszug baut. Seit September werkeln Wenger und sein rund 10köpfiges Team schon mit Hochdruck:

    "Und wir werden also bis zum Sonntag, da fahren die Wagen morgens schon raus, um auf der Ludwigsstraße ausgestellt zu werden, da werden wir also noch arbeiten. Ich hoffe nur, das es nicht regnet und die Farbe ganz getrocknet ist und das uns da nichts mehr passiert für den Rosenmontag."

    Dieter Wenger drängt sich durch die schmalen Gassen, die angesichts des Platzmangels noch zwischen den Wagen übrig geblieben sind. Auf einem Rundgang stellt er die einzelnen Motivwagen vor. Auf dem Boden eines Wagens liegt unbefestigt ein etwa ein Meter langes Schild mit der Aufschrift "Yes we can" – das wird nicht zum Einsatz kommen, sagt Wenger:

    "Ne, das war vom letzten Jahr, das werden wir jetzt überstreichen, die "Bank Deines Vertrauens" kommt da drauf."

    Die Bankenkrise verdrängt Obama als Topthema. Auf dem Themenwagen drängen sich mehrere Pappmasché-Männer in schwarz-weiß-gestreiften Anzügen:

    "Und die Banker alle in Sträflingskleidung und warten hier vorne auf Einzahlungen und dann kommt der Große Tisch da noch hin, wo man einzahlen kann, nur kommt keine Sau mehr, weil sich keiner mehr traut, denen noch Geld anzuvertrauen."

    Auf dem Wagen gleich nebenan geht es wieder um Geld. In einer Lotto-Annahmestelle beugen sich Angela Merkel und Guido Westerwelle über einen Tisch:

    "Die spielen Lotto, er füllt jede Menge Lottoscheine aus und Angie sagt zu ihm: Wir hätten dem Wähler vorher sagen müssen, wie wir die Steuererleichterungen finanzieren. Jetzt versuchen sie, den Jackpot zu knacken."

    Dem Duo Merkel und Westerwelle sind in diesem Jahr gleich mehrere Motivwagen gewidmet. Es sind die Figuren, die beim diesjährigen Rosenmontagszug die Bundespolitik repräsentieren. Und ein Hoffnungsträger der SPD:

    "Unverkennbar Sigmar Gabriel als blühende Pflanze hier im Blumentopf. Unten sehen sie jede Menge verwelkte Pflänzchen und die SPD sagt, hoffentlich hält die länger als die anderen. Und da unten sind also Kurt Beck und Platzeck und Müntefering, die sich alle nur drei, vier Jahre gehalten haben, las Parteivorsitzender, dass der vielleicht doch einmal ein wenig länger durchhält."

    Die SPD macht den Mainzer Narren in diesem Jahr große Sorgen. Auf einem weiteren Wagen türmen sich schmelzende Eisberge. Es geht es um die Klimakatastrophe, um aussterbende Tierarten. Am Wagenrand hängt eine rote Menschengestalt mit den Buchstaben "SPD" drauf.

    Ein Sozialdemokrat ist der Ideengeber für einen weiteren Motivwagen.

    "Hier haben wir eine große Heuschrecke, nach dem Müntefering-Ausspruch und diese Heuschrecke hat die Krise überlebt und frisst weiter das Geld."

    Nicht nur bundespolitische, sondern auch lokal- und landespolitische Themen werden in vielen Szenen aufgegriffen. Da sieht man den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck in einem Achterbahnwagen, der gegen eine Mauer rast. Eine drastische Anspielung auf das Finanzdesaster am Nürburgring, wo die Landesregierung mehr als 300 Millionen Euro für einen Freizeitpark mit einer Achterbahn investiert hat, die nicht funktioniert.

    Der Umzug des Mainzer Stadtparlamentes aus dem sanierungsbedürftigen Mainzer Rathaus in ein Zelt wird vorgeschlagen, da für die Sanierung des Rathauses kein Geld mehr im Stadtsäckel da ist. Die Entscheidung darüber, welche Themen den 500.000 Zuschauern beim Rosenmontagszug und weiteren Millionen an den Fernsehschirmen präsentiert werden, trifft ein Gremium der sogenannten "Zugleitung" des Mainzer Rosenmontagszuges, erklärt Dieter Wenger:

    "Wir diskutieren die Themen ja wirklich aus, was irgendwo beleidigen würde oder unter der Gürtellinie ist, ist natürlich tabu. Also das ist klar, wir stellen keine Gewaltszenen oder irgend so was auch dar, oder nichts Sexistisches in dem Sinne. Also da gibt es bestimmte Grenzen, wo sich auch ein Narr zurückhalten muss."

    Immer mal wieder, so erinnert sich Dieter Wenger, gab es in den vergangenen Jahrzehnten Zensurversuche. Im letzten Jahr stand plötzlich eine Abordnung der katholischen Kirche in der Wagenbauhalle. Die Priester versuchten zu verhindern, dass eine Nonne in modischer Unterwäsche hinter einem Nacktscanner auf dem Motivwagen präsentiert wird. Das sei Pornografie, hätten die Kirchenmänner argumentiert und eine Nonne trage doch keine Dessous:

    "Ich habe dann auch die kirchlichen Herren gefragt, woher sie denn wissen, wie eine Nonne sich drunter kleidet, woher sie ihren Kenntnisstand haben. Dann war immer mucksmäuschenstill."

    Die leicht-bekleidete Nonne blieb, auch weil Dieter Wenger in seiner Verwandtschaft eine Ordensfrau hat, die schallend gelacht habe, als er ihr die Zeichnung zum Motivwagen zeigte.

    In einem anderen Fall war ein Zensurversuch erfolgreicher, erinnert sich der Wagenbauer:

    "Ich kann mich nur erinnern, ganz, ganz früher, bei meinen ersten Wagen, die ich gebaut habe, dass ich mal den de Gaulle als Luis XIV. – so wie man Fotobilder macht- das heißt, sie haben vorne ein großes Bild und ein Loch drin, da stecken sie ihren Kopf durch und da war also der Luis Quattorce abgebildet in Hermelin und in Riesen-Geldsack, gefüllt. Und de Gaulle hat nur seien Kopf da durchgestreckt, aber hinten hat er so ein Armeehemdchen angehabt und auch einen nackten Po. Und da wurde auch früh in der Presse drüber berichtet und dann kam eine Abordnung von der französischen Botschaft, damals waren wir ja noch Besatzungszone, und hat sich da schwer ... und ich musste dem dann Hosen anziehen."

    Das nackte Hinterteil von George Bush fuhr hingegen unlängst unzensiert durch die Mainzer Straßen. Entweder die Amerikaner haben einfach mehr Humor als die Franzosen oder sie hatten schlichtweg die Nase voll von Bush. Man darf gespannt sein, wann Obamas Allerwertester den Mainzer Rosenmontagszug schmückt.