Der erste Kuss, die Bilder des zusammenbrechenden World Trade Centers, das kleine Einmaleins – so unterschiedlich diese Dinge auch sind, sie alle bleiben wohl für ein ganzes Leben im Gedächtnis gespeichert. Das ist eigentlich erstaunlich, schließlich befindet sich das Gehirn in einem ständigen biochemischen Umbauprozess. Stabile Erinnerungen in einem dynamischen Gehirn, dieses Rätsel erforscht Dr. Eric Kandel schon seit Jahren an der Meeresschnecke Aplysia. Mit Hilfe ihrer großen Nerven hat der Nobelpreisträger schon viele Details der Gedächtnisbildung entschlüsseln können. Entscheidend für stabile Erinnerungen ist, dass die Synapsen, die Kontakte zwischen den beteiligten Nervenzellen verstärkt werden. Allerdings hat jede Nervenzelle viele Tausende von Synapsen, die unabhängig voneinander arbeiten müssen, damit die Erinnerungen getrennt bleiben und nicht der erste Kuss mit dem Einmaleins verschwimmt. Kandel:
Das Gedächtnis besteht aus Zellen mit Tausenden von synaptischen Verbindungen zu anderen Nerven und jede einzelne davon kann gezielt verstärkt werden. Wenn eine Nervenzelle etwas dauerhaft lernt, dann werden Gene aktiv und senden chemische Boten zu allen Kontaktstellen der Zelle. In den meisten Synapsen liegen sie nur herum, aber Synapsen, die gerade an Lernvorgängen beteiligt sind, aktivieren diese Boten und stellen Eiweiße her. Wir interessieren uns für dieses örtliche begrenzte Eiweißbildung und haben herausgefunden, dass sie von einem Protein namens CPEB reguliert wird.
CPEB ist sozusagen ein kleiner Architekt, der an der lernenden Synapse Umbauprozesse organisiert, und so zwei Nervenzellen dauerhafte verknüpft. Eric Kandel fiel auf, dass ein Ende von CPEB den Prionen ähnelt. Prionen sind Eiweiße, die in zwei Formen vorliegen können, einer normalen Gestalt und einer seltenen Variante, die sozusagen klebrig ist und zusammenklumpt. Die Umwandlung der beiden Formen ist eine Einbahnstraße. Die normalen Eiweiße ähneln dabei einer Reihe von Dominosteinen. Für sich genommen sind sie stabil, aber wenn einer kippt fallen alle, lagern sich alle in die klebrige Variante um. Diese Kettenreaktion hat häufig schreckliche Folgen. Prionen sind die Ursache des Rinderwahns und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit des Menschen. Da scheint es fast widersinnig, dass ein Gedächtniseiweiß sich wie ein Prion verhalten sollte. Um der Sache nachzugehen, arbeitete Eric Kandel mit Susan Lindquist zusammen, einer Prionenspezialistin aus dem amerikanischen Cambridge. Sie konnte nachweisen, dass sich CPEB tatsächlich wie ein Prion verhält, doch in diesem Fall ist das nicht krankhaft. Kandel:
Es ist großartig, die Prionform, die zusammen geklumpte Variante des Eiweißes ist aktiv, sie steuert die Umbauprozesse. Wenn man darüber nachdenkt, ist das eine interessante Methode, um stabile Erinnerungen zu erzeugen, denn wenn man diesen Schalter einmal umgelegt hat, läßt er sich nicht zurückschalten, wird er sich selbst ständig erneuern.
Der Architekt CPEB ist in allen Synapsen in seiner normalen Form vorhanden, allerdings kann er so allein nicht arbeiten. Erst wenn ein Lernprozess beginnt, fällt der erste Dominostein, beginnt die Kettenreaktion und alles CPEB in dieser Synapse klumpt zusammen. Es entsteht sozusagen ein Kollektiv von Architekten, das jetzt gemeinsam eine feste Verbindung zwischen zwei Nervenzellen erzeugt. Diese Verknüpfung ist so dauerhaft, eben weil CPEB ein Prion ist und seine Umwandlung nicht rückgängig gemacht werden kann. Was bei BSE und Creutzfeldt-Jakob fatal ist, kommt also dem Gedächtnis gerade zugute. Eric Kandel ist davon überzeugt, dass das Gedächtnisprion der Meeresschnecke kein Einzelfall ist:
Etwas ähnliches gibt es auch bei Fliegen und bei Mäusen. Wir haben Grund zu der Annahme, dass auch der Mensch ein verwandtes Protein hat. Prionen können aber nicht nur für das Gedächtnis eingesetzt werden. Jetzt da klar ist, dass sie manchmal auch nützlich sind, ist es vorstellbar, dass sie an der Embryonalentwicklung beteiligt sind, an der Krebsentstehung oder der Spezialisierung von Zellen.
Das Schicksal einer Zelle im Körper ist stabil festgelegt. Eine Muskelzelle beginnt nicht einfach Knochen zu bilden und ein weißes Blutkörperchen beteiligt sich nicht an der Verdauung. Es gibt viele Prozesse, die sicherstellen, dass eine Zelle ihrer Aufgabe treu bleibt. Susan Lindquist hat erste Hinweise darauf, dass auch Prionproteine daran beteiligt sind. Wenn das stimmt, sind Prionen nicht nur dafür mit dafür verantwortlich, dass Nervenzellen das Gefühl des ersten Kusses ein Leben lang bewahren können, sondern auch daran, dass es überhaupt Nervenzellen gibt.
Das Gedächtnis besteht aus Zellen mit Tausenden von synaptischen Verbindungen zu anderen Nerven und jede einzelne davon kann gezielt verstärkt werden. Wenn eine Nervenzelle etwas dauerhaft lernt, dann werden Gene aktiv und senden chemische Boten zu allen Kontaktstellen der Zelle. In den meisten Synapsen liegen sie nur herum, aber Synapsen, die gerade an Lernvorgängen beteiligt sind, aktivieren diese Boten und stellen Eiweiße her. Wir interessieren uns für dieses örtliche begrenzte Eiweißbildung und haben herausgefunden, dass sie von einem Protein namens CPEB reguliert wird.
CPEB ist sozusagen ein kleiner Architekt, der an der lernenden Synapse Umbauprozesse organisiert, und so zwei Nervenzellen dauerhafte verknüpft. Eric Kandel fiel auf, dass ein Ende von CPEB den Prionen ähnelt. Prionen sind Eiweiße, die in zwei Formen vorliegen können, einer normalen Gestalt und einer seltenen Variante, die sozusagen klebrig ist und zusammenklumpt. Die Umwandlung der beiden Formen ist eine Einbahnstraße. Die normalen Eiweiße ähneln dabei einer Reihe von Dominosteinen. Für sich genommen sind sie stabil, aber wenn einer kippt fallen alle, lagern sich alle in die klebrige Variante um. Diese Kettenreaktion hat häufig schreckliche Folgen. Prionen sind die Ursache des Rinderwahns und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit des Menschen. Da scheint es fast widersinnig, dass ein Gedächtniseiweiß sich wie ein Prion verhalten sollte. Um der Sache nachzugehen, arbeitete Eric Kandel mit Susan Lindquist zusammen, einer Prionenspezialistin aus dem amerikanischen Cambridge. Sie konnte nachweisen, dass sich CPEB tatsächlich wie ein Prion verhält, doch in diesem Fall ist das nicht krankhaft. Kandel:
Es ist großartig, die Prionform, die zusammen geklumpte Variante des Eiweißes ist aktiv, sie steuert die Umbauprozesse. Wenn man darüber nachdenkt, ist das eine interessante Methode, um stabile Erinnerungen zu erzeugen, denn wenn man diesen Schalter einmal umgelegt hat, läßt er sich nicht zurückschalten, wird er sich selbst ständig erneuern.
Der Architekt CPEB ist in allen Synapsen in seiner normalen Form vorhanden, allerdings kann er so allein nicht arbeiten. Erst wenn ein Lernprozess beginnt, fällt der erste Dominostein, beginnt die Kettenreaktion und alles CPEB in dieser Synapse klumpt zusammen. Es entsteht sozusagen ein Kollektiv von Architekten, das jetzt gemeinsam eine feste Verbindung zwischen zwei Nervenzellen erzeugt. Diese Verknüpfung ist so dauerhaft, eben weil CPEB ein Prion ist und seine Umwandlung nicht rückgängig gemacht werden kann. Was bei BSE und Creutzfeldt-Jakob fatal ist, kommt also dem Gedächtnis gerade zugute. Eric Kandel ist davon überzeugt, dass das Gedächtnisprion der Meeresschnecke kein Einzelfall ist:
Etwas ähnliches gibt es auch bei Fliegen und bei Mäusen. Wir haben Grund zu der Annahme, dass auch der Mensch ein verwandtes Protein hat. Prionen können aber nicht nur für das Gedächtnis eingesetzt werden. Jetzt da klar ist, dass sie manchmal auch nützlich sind, ist es vorstellbar, dass sie an der Embryonalentwicklung beteiligt sind, an der Krebsentstehung oder der Spezialisierung von Zellen.
Das Schicksal einer Zelle im Körper ist stabil festgelegt. Eine Muskelzelle beginnt nicht einfach Knochen zu bilden und ein weißes Blutkörperchen beteiligt sich nicht an der Verdauung. Es gibt viele Prozesse, die sicherstellen, dass eine Zelle ihrer Aufgabe treu bleibt. Susan Lindquist hat erste Hinweise darauf, dass auch Prionproteine daran beteiligt sind. Wenn das stimmt, sind Prionen nicht nur dafür mit dafür verantwortlich, dass Nervenzellen das Gefühl des ersten Kusses ein Leben lang bewahren können, sondern auch daran, dass es überhaupt Nervenzellen gibt.