Ein großräumiges Hinterhaus in Düsseldorf. Hier wohnt Bogomir Ecker, ein ausgesprochen freundlicher Mann, etwas rundlich, mit Halbglatze. Gerade kommt er aus dem Nebenraum; er holt die Pläne für die Ausstellung "Freundliche Übernahme".
"Können wir loslegen? Bogomir Ecker ist mein Name. Ich bin Künstler, Bildhauer und habe eine Passion, die mich seit 15 Jahren in Schach hält, mich sehr beschäftigt, das ist das Sammeln von anonymer Fotografie. Also, anonyme Fotografie des 20. Jahrhunderts, aber auch des 19. Jahrhunderts. Aber der Schwerpunkt liegt im 20. Und zwar eigentlich nur bis 1960. Das ist so ein bisschen die Zeit davor, da war ich zehn Jahre alt, 1960, die habe ich nicht so bewusst wahrgenommen. Vielleicht ist es auch ein bisschen Sammeln von Geschichte und Sammeln von Phänomenen, die mich sehr bestimmen, aber von denen ich nicht viel weiß."
Bogomir Ecker sitzt bei einer Tasse Tee an einem großen, langen Tisch, an dem wohl schon viele Gäste Platz genommen haben und viele Diskussionen geführt wurden. An den Wänden hängen Zeichnungen, in der offenen Küche stapeln sich Blumenvasen in unterschiedlichen Größen.
Bogomir Ecker kauft seine anonymen Fotos seit 15 Jahren. Es sind vor allem Pressefotos aus Archiven von amerikanischen Tageszeitungen. Wenn die ihre Sammlungen auflösen, dann sitzt der Künstler stundenlang vor dem Computer.
"Das ist schon ein enormer zeitlicher Aufwand, manchmal sehr zum Leidwesen meiner Familie, wenn es um Abendtermine geht. So filtert man aus verschiedenen Bildarchiven sein eigenes Bildarchiv zusammen. Ich sammle die Welt, wenn Sie so wollen, wenn man das pathetisch sagen will. Ich sammle mir die Welt zusammen, die ich erkläre, die ich aberwitzig finde, die ich absurd finde, die ich kritisch sehe, die ich aber auch liebe."
Der "Weltensammler" besitzt mittlerweile rund 15.000 Fotos¸ für die er zwischen 10 und 500 Dollar bezahlt hat. Bogomir Ecker erzählt, wie er mit Bildern von unbekannten Orten begann, etwa Labore oder Räume der NASA, von denen er sich inspirieren lässt – zum Beispiel für seine Klanginstallationen in der Natur oder für seine großformatigen abstrakten Metallskulpturen.
"Warten Sie mal, ich muss einen Schluck Tee nehmen."
Doch statt über seine Kunst zu reden, will der Künstler lieber Fotos zeigen. Denn die Liebe zu den Bildern hat sich mittlerweile zu einer Leidenschaft für die eigene Sammlung verselbständigt.
"Jetzt gehen wir zu dem großen Vergnügen Fotos gucken, das ist nämlich wunderbar."
Hinüber geht es in das Arbeitszimmer. Zwischen Regalen mit Meteoriten, Autoantennen und Glasgefäßen steht ein Tisch am Fenster. Darauf: Ein Stapel Fotos. Bogomir Ecker nimmt Din A 4 große Schwarzweiß-Bilder in die Hand und blättert.
"Oh, das muss ich in eine andere Abteilung, das habe ich schon."
"Das haut doch einem die Faust in den Magen, oder?"
Abbilder einer vergangenen Zeit ziehen im Sekundentakt am Augen vorbei: Ein Mann am Lügendetektor; ein vernarbter Männerrücken, gebrandmarkt vom Ku Klux Klan; eine Frau mit Gasmaske. Aber Bogomir Ecker geht es nicht so sehr um die Dinge, die auf den ersten Blick ins Auge springen.
"Es sind auch die Gesten, wie hier, wo eine Frau abgeführt wird und wie sie ihr Gesicht verdecken will und der andere Kommissar ebenfalls und dann diese Herren in diesen spießigen Anzügen, in diesen unglaublich schweren Mänteln. Das wird wahrscheinlich sein 30er, 40er Jahre. 1942. Madeline Webb wird abgeführt."
"Das ist ein ganz verrücktes Foto, das muss man sich mal vorstellen. Das ist ein Mann, der nur ein Bein hat und verkauft aber die Schuhe von dem Bein, dass er nicht mehr besitzt, steht irgendwo in England und verkauft nur einen Schuh. Ist das nicht unglaublich rührend? Das haut doch einem die Faust in den Magen, oder?"
Jedes der Fotos, das für ihn eine Mischung aus Arbeitsmaterial und Kunstwerk ist, nimmt Bogomir Ecker in die Hand und legt es auf den nächsten Stapel. Das Anfassen gehört dabei mit zum Vergnügen:
"Die Berührung ist wichtig. Für mich ist nicht nur wichtig, dass ich die mit meinen Augen berühre, abscanne mit meinen Augen die Vorder- und Rückseiten, sondern dass ich die drehen kann. Die haben ja noch was ganz physisches, diese Fotos. Die sind da, die riechen ja sogar noch."
Und beim Fühlen, Riechen und Betrachten der Fotos verändert sich der Zustand von Bogomir Ecker:
"Eigentlich ein Zustand des Glücks, der Naivität und des Losgelöst-Seins. Und wenn ich diese Fotos sortiere, dann bin ich nur da, und es sind nur meine Augen und die Blicke auf meine Fotos. Ich vergesse alles drumherum," erklärt der Künstler, schwelgt begeistert in seinen Bildern.
"So geht das einfach weiter, weiter, weiter."
Und genießt den Moment.