Anflug im "Superpuma". Ölarbeiter im Schichtdienst lesen seelenruhig Zeitung oder dösen dem Tag entgegen. Dabei geht ein steifer Wind, es wackelt und schaukelt bedenklich. Knapp eine Stunde braucht der Hubschrauber vom Flughafen in Stavanger bis hinaus zur Bohrinsel Sleipner A.
Mit ihren vier Stelzenbeinen aus Stahl und Beton steht die Förderplattform in der Nordsee, die an dieser Stelle 82 Meter tief ist. Eine gewaltige Konstruktion aus Stahl und Beton, fest verankert im Meeresboden, von Sturmböen umtost und meterhohen Wellen umspült. Bis zu 90 Grad heiß und mit enormem Druck schießt das Erdgas aus einem Reservoir, rund 2000 Meter tief unter dem Meeresboden. Auf Sleipner wird sein neunprozentiger CO2-Anteil mit dem Katalysator Amin aus dem Gasstrom herausgewaschen. Das Klimagas wird anschließend in ein separates Endlager gepumpt, wo es sich ablagern und in alle Ewigkeit ruhen soll.
Im Kontrollraum beobachtet Oyvind Eiken die komplexen Vorgänge. Auf einer Reihe von Bildschirmen werden Videobilder von strategisch platzierten Kameras eingespielt. Der Prozessingenieur steuert Hunderte von Pumpen, Ventilen und Kompressoren per Mausklick.
"Im Moment fördern wir 27 Millionen Kubikmeter Gas und ein wenig Kondensat. Am liebsten haben wir einen steten ruhigen Fluss. Wenn der Alarm geht, muss man schnell reagieren. Bis die Chefin kommt und das Ruder übernimmt."
Sleipner A ist eine Hochsicherheitszone. Alkohol ist streng verboten, Rauchen sowieso. In ihren sechs Jahren auf See hat die Plattformchefin Oddbjørg Greiner ein feines Gespür entwickelt, für ausströmendes Gas und ungewohnte Vibrationen. Als Kommandantin ist die Norwegerin für Leib und Leben ihrer Mitarbeiter verantwortlich. Im Krisenfall muss sie ihre Leute in größter Eile von Bord bringen.
"Wir sind trainiert, wie ein General unsere Truppen zu bewegen, sollten die Plattform und die Menschen in Gefahr sein, durch einen Brand zum Beispiel. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass 240 Menschen darauf vertrauen, dass du ihnen helfen wirst, wenn es hart auf hart kommt."
In Norwegen gelten weit strengere Grenzwerte und Auflagen als in den meisten anderen Förderländern. Von Havarien und Unglücken blieb man dennoch nicht verschont: Im März 1980 kenterte die Halbtaucherinsel "Alexander Kielland" in der Nordsee, 123 Besatzungsmitglieder kamen dabei um. Auch bei der Jungfernfahrt von Sleipner im August 1991 ging alles schief. Die einwirkenden Kräfte auf die Ballastzellen der Betonpfeiler waren in einer Computersimulation falsch berechnet worden. Greiner:
"Als man versuchte, die Pfeiler im Meer zu verankern, brachen sie in sich zusammen. Die gesamte Konstruktion versank in der Tiefe. Und da musste man in Rekordzeit eine neue Lösung finden. Wir haben es dann trotzdem geschafft, unser erstes Gas pünktlich zu liefern. Das war ein Triumph unserer Ingenieurskunst hier im Norden."
Die aber stößt auch in den vergleichbar flachen Gewässern der Nordsee immer wieder an ihre Grenzen. 1977 führte Materialermüdung an einem Sicherheitsventil der Bohrplattform Bravo zum gefürchteten Blow out. Dabei dringen große Mengen an Gas, Öl und Schlamm unkontrollierbar in das Bohrloch ein. Durch das Steigrohr strömt das brennbare Gemisch mit enormen Druck an die Oberfläche. Bis man die Zapfstelle unter Bravo abdichten konnte, liefen 9.000 Tonnen Öl ins Meer. 2004 wurde in aller Hast die Förderplattform Snorre A geräumt. Diesmal trat Erdgas aus dem Bohrloch aus. Nur weil sich das Gas nicht entzündete blieb die Nordsee damals von einer Umweltkatastrophe verschont, meint Goril Tjetland. Die Ingenieurin mit langjähriger Erfahrung in der Offshore-Branche spricht für die norwegische Umweltorganisation Bellona.
"Die größten Gefahren sind mit der Erkundung neuer Lagerstätten verbunden. Oft weiß man wenig über den Untergrund, über Spalten und Kanäle. Als sich der Eispanzer am Ende der letzten Eiszeit zurückzog, kam das Gestein in Bewegung. Auf dem norwegischen Kontinentalsockel haben wir deshalb auch im Sediment sehr viele Zonen, die unter Hochdruck stehen. Bohrt man in so eine unerwartete Gas-Ansammlung, können die Dinge im schlimmsten Fall so eskalieren wie auf der Deepwater Horizon."
Zwar sind in Norwegen redundante Sicherheitsventile mit Fernsteuerung vorgeschrieben. Doch auf den Förderplattformen kommt es immer wieder zu Leckagen. In ihrem jüngsten Bericht warnt die zuständige Aufsichtsbehörde vor einem erschreckenden Mangel der Sicherheitskultur. Bohrlöcher würden immer tiefer in die Formationen getrieben, an vielen der rund 2000 Zapfstellen auf dem Sockel drohten zudem Gefahren durch Materialermüdung.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten sind norwegische Energieunternehmen auf der Suche nach neuen Öl- und Gasfeldern, die eines Tages die erschöpften Reservoire in der Nordsee ersetzen sollen. Und stoßen dabei in immer tiefere Gewässer der Norwegischen See und in der Barentssee vor. Die Produktion läuft über unterseeische Bohr- und Pumpstationen. Die so genannten Templates, sind flach und robust gebaute Stahlkäfige, die sich wie Krebse auf dem Meeresboden ducken. Über Glasfaserkabel steuern Techniker Pumpen und Ventile.
Den Vorstoß in bislang kaum berührte Lebensräume beobachten Forscher und Umweltschützer mit Sorge. Das schlimmste denkbare Szenario wäre eine Ölpest in meereisbedeckten Gebieten, sagt Neil Hamilton, Sprecher des Arktisprogramms der Umweltorganisation WWF. Die Umweltorganisation fordert ein Moratorium für weitere Aktivitäten der Petrokonzerne in der Arktis, solange es weder Notfallpläne noch die nötige Technik für den Krisenfall gibt.
"Das Gebiet ist im Winterhalbjahr kaum zugänglich. Eis, Sturm und widrige Wetterverhältnisse würden die Bekämpfung eines Ölteppichs unmöglich machen. In der Kälte funktionieren die Maschinen nicht und die Bindemittel bleiben wirkungslos. Das Öl setzt sich in den Poren unter dem Eis fest. Es tötet Larven und Plankton, die wichtigste Nahrungsgrundlage für viele Fischarten der Arktis."
Mit ihren vier Stelzenbeinen aus Stahl und Beton steht die Förderplattform in der Nordsee, die an dieser Stelle 82 Meter tief ist. Eine gewaltige Konstruktion aus Stahl und Beton, fest verankert im Meeresboden, von Sturmböen umtost und meterhohen Wellen umspült. Bis zu 90 Grad heiß und mit enormem Druck schießt das Erdgas aus einem Reservoir, rund 2000 Meter tief unter dem Meeresboden. Auf Sleipner wird sein neunprozentiger CO2-Anteil mit dem Katalysator Amin aus dem Gasstrom herausgewaschen. Das Klimagas wird anschließend in ein separates Endlager gepumpt, wo es sich ablagern und in alle Ewigkeit ruhen soll.
Im Kontrollraum beobachtet Oyvind Eiken die komplexen Vorgänge. Auf einer Reihe von Bildschirmen werden Videobilder von strategisch platzierten Kameras eingespielt. Der Prozessingenieur steuert Hunderte von Pumpen, Ventilen und Kompressoren per Mausklick.
"Im Moment fördern wir 27 Millionen Kubikmeter Gas und ein wenig Kondensat. Am liebsten haben wir einen steten ruhigen Fluss. Wenn der Alarm geht, muss man schnell reagieren. Bis die Chefin kommt und das Ruder übernimmt."
Sleipner A ist eine Hochsicherheitszone. Alkohol ist streng verboten, Rauchen sowieso. In ihren sechs Jahren auf See hat die Plattformchefin Oddbjørg Greiner ein feines Gespür entwickelt, für ausströmendes Gas und ungewohnte Vibrationen. Als Kommandantin ist die Norwegerin für Leib und Leben ihrer Mitarbeiter verantwortlich. Im Krisenfall muss sie ihre Leute in größter Eile von Bord bringen.
"Wir sind trainiert, wie ein General unsere Truppen zu bewegen, sollten die Plattform und die Menschen in Gefahr sein, durch einen Brand zum Beispiel. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass 240 Menschen darauf vertrauen, dass du ihnen helfen wirst, wenn es hart auf hart kommt."
In Norwegen gelten weit strengere Grenzwerte und Auflagen als in den meisten anderen Förderländern. Von Havarien und Unglücken blieb man dennoch nicht verschont: Im März 1980 kenterte die Halbtaucherinsel "Alexander Kielland" in der Nordsee, 123 Besatzungsmitglieder kamen dabei um. Auch bei der Jungfernfahrt von Sleipner im August 1991 ging alles schief. Die einwirkenden Kräfte auf die Ballastzellen der Betonpfeiler waren in einer Computersimulation falsch berechnet worden. Greiner:
"Als man versuchte, die Pfeiler im Meer zu verankern, brachen sie in sich zusammen. Die gesamte Konstruktion versank in der Tiefe. Und da musste man in Rekordzeit eine neue Lösung finden. Wir haben es dann trotzdem geschafft, unser erstes Gas pünktlich zu liefern. Das war ein Triumph unserer Ingenieurskunst hier im Norden."
Die aber stößt auch in den vergleichbar flachen Gewässern der Nordsee immer wieder an ihre Grenzen. 1977 führte Materialermüdung an einem Sicherheitsventil der Bohrplattform Bravo zum gefürchteten Blow out. Dabei dringen große Mengen an Gas, Öl und Schlamm unkontrollierbar in das Bohrloch ein. Durch das Steigrohr strömt das brennbare Gemisch mit enormen Druck an die Oberfläche. Bis man die Zapfstelle unter Bravo abdichten konnte, liefen 9.000 Tonnen Öl ins Meer. 2004 wurde in aller Hast die Förderplattform Snorre A geräumt. Diesmal trat Erdgas aus dem Bohrloch aus. Nur weil sich das Gas nicht entzündete blieb die Nordsee damals von einer Umweltkatastrophe verschont, meint Goril Tjetland. Die Ingenieurin mit langjähriger Erfahrung in der Offshore-Branche spricht für die norwegische Umweltorganisation Bellona.
"Die größten Gefahren sind mit der Erkundung neuer Lagerstätten verbunden. Oft weiß man wenig über den Untergrund, über Spalten und Kanäle. Als sich der Eispanzer am Ende der letzten Eiszeit zurückzog, kam das Gestein in Bewegung. Auf dem norwegischen Kontinentalsockel haben wir deshalb auch im Sediment sehr viele Zonen, die unter Hochdruck stehen. Bohrt man in so eine unerwartete Gas-Ansammlung, können die Dinge im schlimmsten Fall so eskalieren wie auf der Deepwater Horizon."
Zwar sind in Norwegen redundante Sicherheitsventile mit Fernsteuerung vorgeschrieben. Doch auf den Förderplattformen kommt es immer wieder zu Leckagen. In ihrem jüngsten Bericht warnt die zuständige Aufsichtsbehörde vor einem erschreckenden Mangel der Sicherheitskultur. Bohrlöcher würden immer tiefer in die Formationen getrieben, an vielen der rund 2000 Zapfstellen auf dem Sockel drohten zudem Gefahren durch Materialermüdung.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten sind norwegische Energieunternehmen auf der Suche nach neuen Öl- und Gasfeldern, die eines Tages die erschöpften Reservoire in der Nordsee ersetzen sollen. Und stoßen dabei in immer tiefere Gewässer der Norwegischen See und in der Barentssee vor. Die Produktion läuft über unterseeische Bohr- und Pumpstationen. Die so genannten Templates, sind flach und robust gebaute Stahlkäfige, die sich wie Krebse auf dem Meeresboden ducken. Über Glasfaserkabel steuern Techniker Pumpen und Ventile.
Den Vorstoß in bislang kaum berührte Lebensräume beobachten Forscher und Umweltschützer mit Sorge. Das schlimmste denkbare Szenario wäre eine Ölpest in meereisbedeckten Gebieten, sagt Neil Hamilton, Sprecher des Arktisprogramms der Umweltorganisation WWF. Die Umweltorganisation fordert ein Moratorium für weitere Aktivitäten der Petrokonzerne in der Arktis, solange es weder Notfallpläne noch die nötige Technik für den Krisenfall gibt.
"Das Gebiet ist im Winterhalbjahr kaum zugänglich. Eis, Sturm und widrige Wetterverhältnisse würden die Bekämpfung eines Ölteppichs unmöglich machen. In der Kälte funktionieren die Maschinen nicht und die Bindemittel bleiben wirkungslos. Das Öl setzt sich in den Poren unter dem Eis fest. Es tötet Larven und Plankton, die wichtigste Nahrungsgrundlage für viele Fischarten der Arktis."