"Auf dem Bänkchen vor der Zementfabrik saßen alte Männer, schrien einander an, packten einer den andern beim Revers, maulten sich gegenseitig die Ohren voll. Es schneite Zementstaub; die ganze Gegend, Häuser und Gärten, war mit fein gemahlenem Kalkstein bedeckt. Ich ging in die bestaubten Felder hinaus."
So beginnt Bohumil Hrabals berühmte Erzählung "Die Bafler", hier von ihm selbst gelesen. Seine literarischen Helden sind oft kauzige Gestalten wie die alten Männer vor der Zementfabrik, sie sind Feuerwehrmänner, Hilfskellner oder Eisenbahnangestellte. Seine Texte sind voll von Weltweisheit und Witz, tragischem Lebensgefühl und Humor, sie sind grotesk, spitzbübisch und absurd.
Bohumil Hrabal wurde am 28. März 1914 in Brünn geboren. Er wuchs in Nymburk auf, einer Kleinstadt 50 Kilometer östlich von Prag, wo seine Mutter Laienschauspielerin und sein Stiefvater erst Verwalter, später Direktor einer Brauerei war. Das bunte Geschehen in der Brauerei prägte den schüchternen Jungen, der gern träumte, Bücher las und Katzen zärtlich liebte. Großen Einfluss hatte sein schrulliger Onkel Pepin auf ihn. Dessen amüsante Erzählweise inspirierte seinen literarischen Stil. Hrabal erfand dafür das Fantasiewort "Bafeln" - tschechisch "pabit":
"Der Bafler ist ein Mann, seine Tätigkeit ist in der Sprache//der immer bafelt, dichtet. Und jede Gesellschaft oder Stammtisch immer wartet auf seinen Bafler, das ist der Mann, der kommt, und seine Taschen sind voll von schönen Geschichten, Anekdoten und er kann auch diese Anekdoten erzeugen. Er ist immer fähig, die Leute lustig machen."
1935 begann Hrabal ein Jura-Studium, konnte es aber zunächst nicht beenden, weil 1939 alle tschechischen Hochschulen von den Hitler-Deutschen geschlossen wurden. Während des Krieges arbeitete er bei der Eisenbahn, später war er Versicherungsagent, Handelsreisender, Hüttenarbeiter in einem Stahlwerk, Altpapierpacker und Kulissenschieber. All diese Milieus flossen in seine Romane und Erzählungen ein. Erste Texte erschienen in den 1950er-Jahren, viele wurden jedoch von den Verlagen abgelehnt, er schrieb für die Schublade. Erst ab 1962 begann er - auf ausdrücklichen Wunsch seiner Frau Eliška - als freier Schriftsteller zu arbeiten. Ein Jahr später erschien sein erstes Buch, der Erzählband "Perlen auf dem Grund". Da war er bereits 49 Jahre alt. Es folgte ein kometenhafter Aufstieg: innerhalb von fünf Jahren war er berühmt, seine Bücher waren in mehrere Sprachen übersetzt, seine Stoffe für Filme und Theater adaptiert. Der tschechische Regisseur Jirí Menzel verfilmte seine Erzählung "Scharf beobachtete Züge" und gewann damit 1968 einen Oscar in Hollywood. Menzel, der für den Film auch andere literarische Stoffe von Hrabal adaptierte, sagte über ihn:
"Er verstand es, in ... endlosen Wirtshausschwaflereien ... Perlen voll Weisheit und Erkenntnis zu finden. Dafür hatte er sein einmaliges Diamantenauge, das voll natürlicher und aufrichtiger Liebe zu den Menschen war.“
Nach der Niederschlagung des "Prager Frühlings" 1968 wurde Hrabal überwacht und von der Geheimpolizei verhört. Sieben Jahre lang konnte er nichts mehr in seiner Heimat veröffentlichen. In diesen Jahren verfasste er fünf Romane, darunter "Ich habe den englischen König bedient"; ein Buch über einen kleinen Hilfskellner, der es durch Kollaboration in der Nazi-Zeit zum millionenschweren Hotelier bringt und nach dem kommunistischen Putsch 1948 enteignet wird.
Das Publikationsverbot wurde 1976 aufgehoben, als Hrabal sich auf ein Arrangement mit den Mächtigen einließ und einen selbstkritischen Artikel veröffentlichte. Seine Bücher konnten nun stark zensiert in den Staatsverlagen erscheinen. Von kritischen Intellektuellen wurde sein Opportunismus scharf kritisiert, Studenten verbrannten seine Bücher sogar öffentlich. Hrabal selbst begründete seine Haltung mit Geldnot.
Bohumil Hrabal starb am 3. Februar 1997 in Prag nach einem Fenstersturz aus dem fünften Stock eines Krankenhauses: Er hatte Tauben füttern wollen. Er wurde in einem Familiengrab in der Nähe von Nymburk beigesetzt.