Wolfgang Bauer ist Autor der "Zeit" und hat vor kurzem ein Buch über das Thema geschrieben. Er berichtet, dass er inzwischen mit mehr als 70 entführten Frauen und Mädchen gesprochen hat - er war zuletzt im Januar in Nigeria. Es gehe nicht nur um den international bekannten Fall der knapp 280 Schülerinnen, die in Chibok vor zwei Jahren verschleppt wurden. Vielmehr betreffe die Gewalt von Boko Haram inzwischen eine ganze Generation von Frauen.
Der Terror von Boko Haram sei auf zwei Ebenen zu analysieren, erklärte Bauer. Einmal gebe es eine Motivation auf der religiösen Ebene: Die Kämpfer seien islamistische Anhänger auf einer Mission, die ein Kalifat anstreben und sich mit der Terrormiliz IS verbündet haben. Es gebe aber auch eine Stammesebene. Viele Anhänger von Boko Haram gehörten zum Stamm der Kanuri. Bis vor 100 Jahren hätten diese ein Großreich kontrolliert, das sich von Südlibyen bis nach Kamerun erstreckt habe und später von den Kolonialmächten zerschlagen worden sei. In den Kernsiedlungsgebieten der Kanuri habe Boko Haram heute am meisten Einfluss.
Gewalt geht auch von Milizen und Armee aus
Bauer stellte klar, dass der nigerianische Präsident Buhari zwar ein Hoffnungsträger sei und auch mit eiserner Faust und recht glaubwürdig gegen die Korruption vorgehe. Letztlich sei er aber schon ein älterer Mann und stehe auch eher allein da in einem fest verwurzelten Korruptionssystem. Die Gewalt in Nigeria gehe im übrigen keinesfalls nur auf Boko Haram zurück. Vielmehr seien christliche Milizen, die gegen Boko Haram kämpften, und die Armee selbst auch für grausame Menschenrechtsverbrechen verantwortlich.