Es sind zwei Worte, die in den bolivianischen Städten dominieren. SI oder No – Ja oder Nein – auf diese Kurzform spitzt sich in diesen Tagen die politische Diskussion in Bolivien zu. Soll die Verfassung geändert werden können, damit Präsident Evo Morales eine weitere Amtszeit ermöglicht wird, also JA, oder soll eine erneute Verfassungsänderung ausgeschlossen werden – also NEIN. Am Sonntag wird diese Frage bei einem Referendum entschieden. Die Menschen in dem kleinen südamerikanischen Land sind hin und her gerissen:
"Das Land entwickelt sich nach vorne. Und ich glaube, es ist nicht sinnvoll, wenn wir fünf Schritte nach vorne gemacht haben, dass es jetzt sieben oder gar zehn Schritte rückwärtsgeht. Wir müssen uns für ein JA starkmachen."
"Man muss die Gesetze einhalten. Es kann nicht sein, dass wir die Verfassung erneut ändern, nachdem wir so sehr darum gekämpft haben, den Rahmen der Verfassung zu bestimmen."
Zehn Jahre ist Evo Morales im Amt. Seine Wiederwahl vor einem Jahr war reine Formsache. Daher verwundert es, dass die Verfassungsänderung voraussichtlich wohl alles andere als eine Formsache sein wird. Es ist eine ungewohnte Konstellation für den ersten indigenen Präsidenten Lateinamerikas, der sich bisher auf einen nahezu ungebrochenen Rückhalt seiner Landsleute verlassen konnte.
"Wenn man sich um die Bürger kümmert, auf sie zugeht, unterstützen sie einen auch. Und man verbraucht sich nicht. Wenn man das Amt dazu nutzt, um sich zu bereichern, dann geht es abwärts mit einem. Bei mir sieht man das Gegenteil."
Einen inzwischen verstorbenen Sohn verschwiegen
Doch es könnten gerade die eigenen hohen moralischen Ansprüche sein, die Evo Morales Projekt einer weiteren Amtszeit zum Scheitern bringen. Der 56-Jährige steckt mitten in einem Korruptionssumpf, der auch sehr private Dinge ans Tageslicht befördert hat. Ein Journalist hat vor wenigen Tagen veröffentlicht, dass vor elf Jahren ein Sohn von Evo Morales verstarb. Ein Sohn, den der Präsident seinem Volk bisher verschwiegen hatte. Pikant an der an sich privaten Angelegenheit ist, dass die Mutter - von der Morales inzwischen getrennt lebt - Managerin einer chinesischen Firma ist, an die von der Regierung Aufträge in Höhe von über 560 Millionen US-Dollar vergeben wurden. Erst nach Tagen räumte Morales die Existenz des inzwischen verstorbenen Sohnes ein. Ein verspätetes Geständnis, das die Oppositionspolitikerin Ximena Costa und viele andere im Land kritisieren.
"Dass der Präsident auf tragische Weise ein Kind verloren hat und dass das eigene Land dies nur deshalb erfährt, weil es in den Medien veröffentlicht wird, ist ein Jammer. Ein Präsident, der so sehr vom Volk unterstützt wurde, hätte sein Leid doch den Menschen mitteilen können. Im Endergebnis heißt das: Da sind Leute an der Macht, die uns belügen, denen wir nicht vertrauen können."
Was den angeblichen Korruptionsfall mit dem chinesischen Unternehmen anbelangt, keilt Evo Morales zurück. Er wähnt dahinter eine Verschwörung der USA. Es habe keine Einflussnahme zuungunsten des Staates gegeben, er habe nichts zu verbergen, ließ er verlauten, das Imperium sei wieder aktiv.
Evo Morales selbst hat mit Blick auf die Verfassungsänderung eindringlich um ein JA geworben. Er wolle bis 2025 gerne Präsident bleiben, um dann – pünktlich zur 200-Jahr-Feier der Unabhängigkeit Boliviens - aus dem Amt zu scheiden. Es ist nicht sicher, dass das bolivianische Volk seinem bisher so verehrten Präsidenten diesen Gefallen erweisen wird.