Benedikt Schulz: Was haben sich die Verantwortlichen nicht alles erhofft: ein einheitlicher europäischer Hochschulraum, mehr Mobilität der Studierenden, schnellere Abschlüsse durch Bachelor und Master. Sicherlich haben die Unterzeichner der Bologna-Erklärung vor 15 Jahren nicht damit gerechnet, dass Bologna inzwischen so zum akademischen Schimpfwort geworden ist und zum Synonym für alles, was an deutschen Hochschulen irgendwie schiefläuft. Und auch, wenn nicht früher alles besser war - der Bologna-Prozess hat die deutsche Hochschullandschaft kräftig durchgeschüttelt. Katharina Mahrt ist Vorstandsmitglied im Freien Zusammenschluss der StudentInnenschaften, und der fzs hat heute die ersten Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht unter 3.000 Studierenden zum Thema Bologna. Und ein Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Studierenden ist mit dem Studium zufrieden, und nur knapp über 20 Prozent sagen, dass sie nicht zufrieden sind. Hat Sie das überrascht?
Katharina Mahrt: Eigentlich hat mich das gar nicht so doll überrascht. Die letzten Umfragen zu diesem Komplex hatten das eigentlich auch schon ahnen lassen. Das heißt hier aber nicht, dass die Punkte, bei denen Nachbesserungsbedarf besteht, nicht von Studierenden auch benannt worden sind und gar nicht auch Möglichkeiten gibt, tatsächlich auch die Umsetzung des Bologna-Prozesses noch sehr viel deutlicher zu verbessern.
Studium hat zu viele Prüfungen
Schulz: Was sind denn für Sie die wichtigsten drei Ergebnisse Ihrer Umfrage?
Mahrt: Wir haben unter anderem festgestellt, dass ein Drittel der Studierenden findet, dass ihr Studium zu viele Prüfungen hat, und die Prüfungslast ist ja auch schon etwas, was im letzten Bildungsstreik bereits thematisiert wurde. Das ist besser geworden, aber offensichtlich noch nicht auf einem Stand, dass Studierende empfinden, dass die Prüfungslast ausgewogen ist. Und im gleichen Kontext ist auch zu sehen, dass die Leistungspunkte, die man eben erwirbt bei den unterschiedlichen Veranstaltungen, nicht dem Arbeitsaufwand entsprechen, und das ist natürlich auch schon so ein Fairness-Kriterium, dass man da durchaus noch mal Nachsteuern sollte und dann eben auch die Leistungspunkte dem Arbeitsaufwand anpasst.
Nachbesserungsbedarf in den Hochschulen
Schulz: Ein Versprechen, das Bologna bislang ja nicht oder zumindest nur unzureichend einlösen konnte, das zeigt ja auch Ihre Umfrage, ist ja die versprochene Mobilität im Studium. Warum hakt das gerade hier, wo doch Bologna gerade da irgendwie alles besser machen sollte?
Mahrt: Ja, das ist auch etwas, was schon etwas länger bekannt ist, dass es da noch Nachbesserungsbedarf gerade in den Hochschulen gibt. Das ist ja tatsächlich auch etwas, was nicht nur was mit dem Bologna-Prozess zu tun hat, die Lissabon-Konvention wurde ja schon früher verabschiedet. Und es hat sich auch nach sehr, sehr vielen Jahren an den Hochschulen noch nicht die Erkenntnis durchgesetzt auf der Arbeitsebene, dass eben die Leistungen, die Studierende erbringen, wenn sie von anderen Hochschulen kommen, ob jetzt aus dem innerdeutschen Raum oder auch aus dem Ausland, eben automatisch. Also dass die Hochschule nachweisen muss, dass die Leistungen nicht dem entsprechen, was mitgebracht werden muss. Und es ist immer noch sehr schwierig für Studierende, eben auch das anerkannt zu bekommen, was ihnen anerkannt werden sollte. Das ist aber tatsächlich ein Problem, das in erster Linie an der Umsetzung an den Hochschulen krankt.
Fast zwei Drittel aller Studierenden finanziert sich selbst
Schulz: Ein anderes Thema ist die Studiendauer von Bachelor-Studenten. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hat ja in den vergangenen Tagen berichtet, dass die Studiendauer bei den Bachelors eben nicht bei sechs Semestern liegt, was ja die Regelstudienzeit ist, sondern teilweise bei über acht Semestern, anders als gedacht und natürlich auch anders als vielleicht von der Wirtschaft erhofft. Wie bewerten Sie das?
Mahrt: Die größeren Probleme, die das mit sich bringt, hängen für Studierende natürlich immer an der Regelstudienzeit, da das Überschreiten der Regelstudienzeit meist zu Sanktionen führt. Und dann muss man sich auch angucken, warum Studierende länger studieren, ob das tatsächlich an der Studienstruktur liegt, also ob überhaupt ihr Studiengang studierbar ist, ob alle Veranstaltungen so angeboten werden, dass man überhaupt in der geplanten Zeit fertig werden kann. Selbst die Studierenden, die BAföG bekommen, müssen sich teilweise noch zum Lebensunterhalt was dazuverdienen. Insgesamt müssen sich fast zwei Drittel aller Studierenden selbst finanzieren, um überhaupt das Studium durchzukriegen. Das ist natürlich auch ein Zeitfaktor, der dazu führt, dass sich ein Studium verlängert.
Positive Aspekte sollten auch umgesetzt werden
Schulz: Vielleicht abschließend die Frage: Sie haben gestern vom fzs eine Podiumsdiskussion organisiert mit der Frage, was wollen wir von Bologna 2015? Und das möchte ich jetzt Sie fragen. Was wollen Sie von Bologna?
Mahrt: Ich würde mir wünschen, dass die positiven Aspekte des Bologna-Prozesses tatsächlich auch umgesetzt werden, dass man sich jetzt so in den nächsten 15 Jahren explizit darum kümmert, dass Mobilität vereinfacht wird, dass Studiengänge kompetenzorientiert gestaltet werden, und dass die Ziele, die Bologna eigentlich positiv für Studierende wollte, auch umgesetzt werden.
Schulz: Und darauf müssen wir noch 15 Jahre warten?
Mahrt: Ich hoffe, das geht schneller, aber mein Realismus sagt mir, dass wir schon gut sind, wenn wir das in zehn Jahren schaffen.
Schulz: Katharina Mahrt war das, sie ist Vorstandsmitglied im Freien Zusammenschluss der StudentInnenschaften. Vielen Dank!
Mahrt: Ich danke Ihnen!
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